Das Massaker der Hamas wäre ohne die Unterstützung durch die Islamische Republik Iran in dem Ausmaß nicht möglich gewesen. Zu dem seit dem 7. Oktober geschmiedeten antisemitischen Bündnis aus politischer Linker und Akteur_innen des politischen Islam gehen die unterschiedlichen iranischen Oppositionsbewegungen auf Distanz. Das hat auch mit der Rolle des iranischen Regimes im antisemitischen Bündnis zu tun.

Nach dem palästinensischen Pogrom an der israelischen Zivilbevölkerung und der Entführung von über 200 Geiseln in den Gazastreifen stand für viele Iraner_innen – sowohl im Inland als auch in der Diaspora – fest, dass die Angriffe besonders vor dem Hintergrund der langjährigen finanziellen und militärischen Unterstützung aus Teheran, aber auch wegen der Form der Durchführung die Handschrift der Islamischen Republik Iran trugen. 

Die Durchführung des pogromartigen Massakers in Israel erinnerte viele Iraner_innen an die Repression des iranischen Regimes im Inland sowie die Kriegsführung der sogenannten Quds-Brigaden, der Auslandsabteilung der paramilitärischen iranischen Revolutionsgarden, in Syrien und Irak. Geiselnahmen, um politische Zugeständnisse zu erpressen, brutale Gewaltexzesse gegen Unbewaffnete und besonders die sexuelle Gewalt gegen Frauen als Kriegsmittel gehörten zum Massaker am 7. Oktober und sind gleichzeitig Teil der aktuellen politischen Herrschaftspraxis des iranischen Regimes.

Der Antisemitismus des iranischen Regimes gehört zu dessen ideologischen Grundpfeilern, wird seit Gründung der Islamischen Republik 1979 kultiviert und ist mehr als nur ein Instrument zur Herrschaftskonsolidierung nach innen, er ist ideologischer Wahn mit Hang zur Vernichtung. 

Die revolutionäre Bewegung aus zumeist moskauhörigen Linken und schiitischen Klerikalen gegen die zuvor in Iran herrschende Pahlavi-Dynastie richtete sich sowohl gegen den autoritären Herrschaftsstil des Königs als auch gegen dessen an westlichen Maßstäben orientiertes Modernisierungsregime. Ähnlich wie in der Türkei unter Kemal Atatürk wurde die Herrschaft der Geistlichkeit autoritär beschränkt und westliche Kulturelemente in Bildung, Mode, Vergnügungsindustrie und anderem implementiert. Zusätzlich pflegte die Herrscherfamilie unter der Regentschaft von Mohammed Reza Pahlavi gute politische wie ökonomische Beziehungen zu den USA und zu Israel. So war Iran neben der Türkei eines der ersten Länder mit muslimischer Bevölkerungsmehrheit, die Israel als Staat bereits 1949 anerkannten.

Die Ablehnung Israels nach der Revolution kann jedoch nicht allein damit erklärt werden, dass es sich hier um historische Verbündete der Königsfamilie handelte, sondern entspringt klar einem antisemitischen Weltbild. Antisemitismus spielt in der Ideologie des »Revolutionsführers« und späteren Staatsoberhauptes Ayatollah Khomeini eine zentrale Rolle. So fungiert das Jüdische in seiner programmatischen Schrift Der Islamische Staat, die auf Vorlesungen während seines Exils im Irak basiert, als wichtiger Antagonist, der den Islam schon seit seiner Gründung mit Auslöschung bedrohe. Daher wurde bereits im Gründungsjahr der Islamischen Republik der so genannte »Al-Quds Tag« ausgerufen, bei dem jährlich für die Vernichtung des jüdischen Staats demonstriert wird. Indem er den Kampf gegen Israel zur Pflicht aller Muslim_innen erhob, trug Khomeini maßgeblich dazu bei, den Nahostkonflikt zur religiösen Sache zu machen. Der jüdische Staat wird vom religiösen Führer und auch anderen wichtigen Funktionsträgern des Regimes als »Krebsgeschwür« in der Region bezeichnet. Immer wieder kommt es zu antisemitischen Querfronten, wenn etwa zu den »Internationalen Holocaust-Karikaturen-Wettbewerben« auch europäische und amerikanische Neonazis und Holocaustleugner_innen nach Iran reisen. Die antisemitische Propaganda hat auch Auswirkungen auf die iranischen Jüdinnen_Juden, obwohl diese zumindest offiziell von »den Zionisten« unterschieden werden, so lange sie sich gebetsmühlenartig von Israel distanzieren. Und obwohl die jüdische Minderheit Irans die größte in der Region ist, beträgt ihre Anzahl schätzungsweise nur noch 10% im Vergleich zur Pahlavi Ära vor 1979.

Einen gewalttätigen Höhepunkt des Antisemitismus stellte in der Vergangenheit der vom iranischen Regime orchestrierte Anschlag auf das jüdische Gemeindezentrum Amia im argentinischen Buenos Aires dar, bei dem 1994 85 Menschen getötet und weitere 300 verletzt wurden.

Agitation des Regimes und Reaktionen der Opposition nach dem 7. Oktober

Israel gilt den Mullahs als Fremdkörper und Verkörperung moderner Gesellschaftsformen, die das Modell der auf Familie, Tradition und religiösem Dogma beruhenden islamischen Gemeinschaft durch seine bloße Existenz in Frage stellt. Die antisemitisch-logische Konsequenz aus dieser Bedrohung ist die Vernichtung des jüdischen Staats und der Jüdinnen_Juden, um eine vermeintliche globale Harmonie herstellen zu können.

Dementsprechend hielten auch staatlich-offizielle iranische Stellen mit ihrer Begeisterung für das antisemitische Pogrom nicht lange hinter dem Berg. Während Regimestatements und -presse den Angriff feierten, gaben die ersten Regime-Offiziellen bereits eine Beteiligung der Islamischen Republik an den Vorbereitungen zu. Die üblichen, vom Regime initiierten Solidaritätsdemonstrationen im Land mit dem »palästinensischen Befreiungskampf« blieben jedoch wie auch in den vergangenen Jahren nur spärlich besucht. Stattdessen drückten viele Iraner_innen ihre Ablehnung dieses Kampfes und zuweilen sogar ihre Solidarität mit Israel aus. So kursierte in den sozialen Medien ein Video, indem bei einem Fußballspiel am 8. Oktober im Teheraner Azadi-Stadion eine riesige Palästina-Flagge auf das Spielfeld getragen wurde, was von den Rängen lautstark mit dem Slogan »Ihr könnt euch eure Palästina-Flagge in den Arsch stecken« beantwortet wurde. Wenige Wochen später wurde ein weiteres Video breit geteilt, das Kinder einer Schule zeigt, die von ihrem Direktor dazu aufgerufen werden, den auf Regime-Demonstrationen populären Slogan »Nieder mit Amerika, Nieder mit Israel«1 zu rufen. Daraufhin antwortet ein Großteil der Schüler_innen mit »Nieder mit Palästina«2. Die grundsätzliche Ablehnung des Regimes spiegelt sich somit in der Ablehnung der antisemitischen Rhetorik und Propaganda wider.

Auch die bekannte iranische Menschenrechtsaktivistin Fatemeh Sepehri verurteilte in einem Video offen die Gräueltaten der Hamas und benannte das Mullah-Regime als Drahtzieher hinter dem Angriff, weshalb ihr nun vom Regime die Unterstützung Israels vorgeworfen wird.

Der Großteil der iranischen Diaspora nahm das Pogrom mit Bestürzung auf. Sowohl die politisch rechtsnationalen Royalist_innen, die wegen der historisch guten Beziehungen zwischen der Königsfamilie und Israel als auch der offenen Befürwortung einer individualistisch-säkularen Gesellschaftsform eine traditionell pro-israelische Haltung an den Tag legen, drückten Mitgefühl und Solidarität mit den Israelis aus und warnten gleichzeitig vor dem parallel zum 7. Oktober massiv eskalierenden Antisemitismus. Aber auch die bürgerlich-linke und die in der Tradition des Marxismus-Leninismus stehende kommunistische Opposition im Exil verurteilte den Terror, wenngleich letztere daraus kein positives Verhältnis zum jüdischen Staat ableitet.

Grundsätzlich ist man sich in der Opposition übergreifend einig, dass im Vorgehen der Hamas und ihrer Verbündeten derselbe islamistisch-antisemitische Herrschaftsanspruch erkennbar ist, der auch die Islamische Republik Iran auszeichnet und dass auf die Befreiung Irans von der Mullah-Herrschaft auch explizit das Ende der Herrschaft islamistischer Banden in den Nachbarländern – und damit auch in den palästinensischen Gebieten – folgen müsse.

»Frau – Leben – Freiheit« oder Tod für Israel

Mit fortschreitender Dauer des israelischen Krieges gegen die Hamas in Gaza haben sich die Haltungen in der iranischen Community zum Teil differenziert. Nach wie vor steht ein überwiegender Teil der öffentlich wahrnehmbaren Diaspora, vor allem Royalist_innen und demokratische Linke, Israel weiterhin grundsätzlich positiv gegenüber – auch wenn das Vorgehen der israelischen Armee, die humanitäre Lage in Gaza und die politische Ausrichtung der israelischen Regierung immer wieder in der Kritik stehen. Sowohl in bürgerlichen, konservativ-rechten als auch einigen linken Strömungen werden der Kampf gegen die Islamische Republik und der Kampf gegen den Antisemitismus als eine gemeinsame Anstrengung gedacht: An vielen Stellen wird der Versuch unternommen, die wahrgenommene globale Verknüpfung mit anderen Konflikten zu thematisieren und so auch politische Bündnisse zu schließen.

Das gilt etwa für den Überfall von Russland auf die Ukraine, der offen vom Mullah-Regime unterstützt wird, indem beispielsweise Revolutionsgardisten auf die Krim-Halbinsel entsandt wurden, um russische Truppen im Umgang mit von Iran produzierten Selbstmorddrohnen auszubilden. Eine weitere Allianz lässt sich unter Teilen der iranischen Oppositionsbewegung mit der kurdischen Freiheitsbewegung erkennen, die nicht nur von der Islamischen Republik, sondern auch von der Türkei, Syrien und vor allem schiitischen Milizen in Irak bedroht wird. 

Auch wenn die Rolle der kurdischen Bewegung – besonders als zentrale Quelle der »Frau – Leben – Freiheit«-Bewegung – mehr als jemals zuvor anerkannt wird, treffen die kurdische Bewegung und die Symbole ihrer politischen Organisationen in einem Teil der Oppositionsbewegung, besonders bei rechten und konservativen, aber vereinzelt auch bei linken Kräften auf starke Ablehnung. Dabei wird ihr wie vom Mullah Regime auch Separatismus vorgeworfen und es kommt nicht selten zu verbalen und tätlichen Übergriffen.

Einen Anteil an diesen neuen Allianzen hat jedoch nicht nur die globale Verschränkung von Konflikten, sondern auch die ideologische Verzahnung der internationalen (vor allem linken und arabisch-muslimischen) Palästina-Solidarität mit der Islamischen Republik und ihrem »Achse des Widerstands« getauften Netzwerk islamistischer Terrorgruppen im Nahen und Mittleren Osten. Die ideologische Annäherung und zuweilen sogar Kooperation von autoritären Linken und Islamist_innen beispielsweise an westlichen Universitäten oder auf Demonstrationen ruft in vielen, besonders älteren Iraner_innen die Erinnerung an die politische Querfront im Jahr 1979 hervor, die mit zur Gründung der Islamischen Republik geführt hat. Die gleichzeitige positive Bezugnahme auf die Islamische Republik und schiitische Terrorgruppen durch die Student_innen sowie das Begrüßen der Campus-Proteste durch den iranischen Staatsführer Ali Khamenei und den Generalsekretär der libanesischen Hisbollah Hassan Nasrallah, verstärken diesen Eindruck.

Diese Verbindungen haben – unabhängig von ihren Positionierungen zu Israel – seit dem 7. Oktober vermehrt dazu geführt, dass Kritiker_innen des Mullah-Regimes sowohl auf der Straße als auch in sozialen Medien offen verbal oder sogar tätlich angegriffen wurden. In nicht wenigen Fällen haben die Täter_innen dabei ihre antisemitische Motivation offen ausgesprochen. In Hamburg wurde etwa eine exil-iranische Kundgebung aus einer vorbeiziehenden Palästina-Demonstration heraus angegriffen, weil einige Iraner_innen aus Solidarität eine israelische Flagge mit sich führten. Vielfach werden iranische Anti-Regime-Aktivist_innen auch verbal angefeindet: so zum Beispiel in Frankfurt, wo »pro-palästinensisch« eingestellte Personen am Rande von Demonstrationen Teilnehmer_innen als »Judenknechte, die gegen den Islam sind« bezeichneten oder damit drohten, sie nach dem »Sieg des Islams« »unter die Erde [zu] bringen.« Es ist Ausdruck eines projektiven antisemitischen Wahns und auch des globalen Erfolgs islamistischer Propaganda, wie sie die Islamische Republik seit Jahren betreibt, in den für Demokratie kämpfenden Iraner_innen Lakaien einer jüdischen Verschwörung auszumachen, deren Ziel es sei, den Islam zu bekämpfen.

Besonders stark wurde diese Frontstellung im Zuge des diesjährigen »Al-Quds-Marsches« in Frankfurt sichtbar, einer Propagandaveranstaltung, bei der jährlich Anhänger_innen der Islamischen Republik weltweit für die Vernichtung Israels demonstrieren. An der Demonstration, die von einem irannahen islamistischen Netzwerk veranstaltet wurde3, nahmen nicht nur zahlreiche Personen aus dem islamistischen Milieu teil, die neben der Flagge der Islamischen Republik auch Bilder der klerikalen Führer Khomeini und Khamenei trugen, sondern auch Personen aus linksorientierten Kreisen wie die Studis gegen rechte Hetze4. Als am 28. Juni 2024 der neue iranische Präsident »gewählt« wurde, kamen mehrere hundert Anhänger_innen des Regimes zum iranischen Konsulat in der Frankfurter Raimundstraße. Unter ihnen auch eine Studentin und Galionsfigur der linken Palästina-Solidarität in Frankfurt. 

Selbstverständlich gibt es auch innerhalb der iranischen Diaspora Streit um diese Positionierungen. Besonders traditionsmarxistische und postkolonial geschulte Linke sowie religiöse Iraner_innen engagieren sich innerhalb Palästina-solidarischer Bewegungen und scheuen zuweilen nicht davor zurück, Israel mit dem Mullah-Regime zu vergleichen oder mit der links-islamistischen Querfront auf die Straße zu gehen. In diesem Punkt ist selbst die kommunistische Opposition gespalten. Während etwa die Workers-Communist Party of Iran diese Bündnisse vor Ort öffentlich meidet, rief beispielsweise das orthodox-marxistische Solidaritätskomitee mit dem Widerstand des Iranischen Volkes – Frankfurt gemeinsam mit SDAJ, DKP und Gruppe Arbeiter_innenmacht zur Demonstration unter dem Titel »76 Jahre Nakba – Stoppt den Krieg« auf.

Gegen die ideologische Verzahnung und Kooperation zwischen autoritären Linken aus der Palästina-Bewegung und schiitischen Islamist_innen bilden sich auch in der Region neue Bündnisse. Erstmals wurde 2024 in einer gemeinsamen Aktion exil-iranischer, jüdischer und antifaschistischer Gruppen gegen den Al-Quds-Marsch in Frankfurt demonstriert.

Furcht vor Krieg, Hoffnung auf Freiheit

Besonderen Zündstoff lieferte der iranische Raketen- und Drohnenangriff auf Israel in der Nacht auf den 14. April 2024. Nachdem israelische Streitkräfte zuvor ranghohe Kommandeure der Quds-Brigaden, von denen zumindest einer an der Planung des 7. Oktober beteiligt gewesen sein soll, in einem iranischen Konsulargebäude neben der Botschaft der Islamischen Republik in Damaskus getötet hatten5, startete das Regime in Teheran erstmals einen direkten Angriff auf israelisches Staatsgebiet. Die Attacke mit Raketen und Drohnen wurde zum Großteil von israelischen Abwehrsystemen sowie unter der Mitwirkung der USA, Großbritanniens und auch arabischer Staaten abgefangen. Die Beteiligung arabischer Länder wie Jordanien und Saudi-Arabien zeigt auch, dass das iranische Hegemoniestreben für viele Staaten in der Region – besonders am Persischen Golf – die zentrale Bedrohung darstellt.

In der iranischen Diaspora löste der Angriff große Sorge aus – nicht etwa, weil Aggressionen der Islamischen Republik gegen Israel überraschend sind, sondern weil zunächst unklar blieb, ob Israel einen direkten Vergeltungsschlag ausüben und der Konflikt zu einem offenen und direkten Krieg eskalieren würde. Für viele Iraner_innen in der Diaspora bedeutet das Szenario ambivalente Gefühle: Dominant war besonders nach dem Angriff die Sorge um in Iran lebende Freund_innen und Verwandte, die von einem sich ausbreitenden Krieg betroffen sein könnten. Für Angehörige ethnischer Minderheiten – insbesondere Kurd_innen – birgt die Eskalation auch die zusätzliche Gefahr, dass die Revolutionsgarden Angriffe in Kurdistan durchführen, das im Weltbild der Mullahs als »zweites Israel« gilt.6 Andererseits flammt immer wieder die klammheimliche Hoffnung auf, dass ein israelischer Gegenschlag die Mullahs empfindlich treffen und der »Frau – Leben – Freiheit«-Bewegung neuen Aufwind verschaffen könnte.

Schriftzüge im Iran fordern etwa die Bombardierung von Khamenei’s Wohnhaus oder allgemeiner »Hit them Israel – Iranians are behind you.« Andernorts prangt bereits das Versprechen an einer Hauswand, dass es im zukünftigen Iran keinen Platz für Antisemitismus geben werde. Regelmäßig gehen die Propaganda-Plakate des iranischen Regimes in Flammen auf und nach der Tötung hochrangiger Regime-Angehöriger innerhalb der Landesgrenzen des Iran wurde etwa ein Banner mit der Aufschrift »Thank you Mossad!« von einem Autobahnübergang gehängt.

Viele der Menschen in Iran wehren sich gegen die Propaganda eines Regimes, das den Reichtum der natürlichen Ressourcen des Landes in die Terrorfinanzierung steckt, während ein Großteil der Bevölkerung in Armut lebt. Die Ablehnung des Regimes als Ganzes immunisiert zuweilen auch gegen dessen ideologische Agitation gegen Israel, auch wenn das nicht automatisch eine kritische Auseinandersetzung mit Antisemitismus und dessen Funktion bedeutet. Gleichzeitig befremdet das ideologische Liebäugeln von Student_innen im Westen mit den schiitischen Mörderbanden viele – besonders ältere – Iraner_innen zusätzlich. So kann erklärt werden, warum sich selbst orthodox-marxistische Gruppierungen in der iranischen Diaspora nach dem 7. Oktober weitaus weniger im antisemitischen Fahrwasser bewegen, als es bei deren internationalen Schwesterparteien der Fall ist.

Frieden in Nahost kann es nur ohne die Mullahs geben

Die politischen Kämpfe von Gegner_innen des iranischen Regimes und der Kampf gegen Antisemitismus sind stark miteinander verbunden und werden von vielen iranischen Oppositionellen auch so wahrgenommen. Die Islamische Republik sowie deren Vasallen im Nahen Osten und im Westen zielen in ihrem Terror in ähnlicher Weise auf iranische und kurdische Oppositionelle im Exil wie auf jüdische Menschen und Einrichtungen. Gleichzeitig birgt die Idee eines demokratisch verfassten Iran die Hoffnung auf einen friedlicheren Nahen Osten, da wesentliche Finanzquellen der Terrorgruppen im schiitischen Halbmond und in Palästina in großem Maß versiegen würden.

Israel als Schutzraum vor Antisemitismus wäre einer existentiellen Gefahr weniger ausgesetzt und der Iran könnte sowohl Vorbild als auch Rückzugsort für feministische und demokratische Bewegungen der Nachbarregionen werden. Diese Entwicklung wird jedoch erst möglich, wenn die »Frau – Leben – Freiheit«-Bewegung die Herrschaft der Mullahs für immer auf den Müllhaufen der Geschichte verbannt hat.

Was es hierfür mehr denn je braucht, ist eine Kehrtwende in der europäischen Iran-Politik. Die Netzwerke von iranischen Regime-Vertreter_innen und Lobbyist_innen in Politik und Wirtschaft müssen ausgetrocknet, Sanktionen aufrecht gehalten und ausgeweitet und die politisch-religiösen Einrichtungen der Islamischen Republik in Deutschland geschlossen werden, anstatt sie als seriöse Ansprechpartner_innen für Integrationspolitik oder Extremismusprävention zu behandeln.

Es kann nicht sein, dass Firmen mit Sitz in der Bundesrepublik wie ArvanCloud den iranischen Überwachungsapparat ausbauen oder dass iranische Funktionäre, die den Tod hunderter Menschen zu verantworten haben, für einen Klinikaufenthalt ganz unbehelligt nach Deutschland kommen können.

Nach nunmehr knapp zwei Jahren und einer von den Revolutionsgarden durchgeführten Anschlagsserie auf jüdische Einrichtungen in NRW hat es die Bundesregierung endlich geschafft, die EU-Terrorlistung der paramilitärischen Organisation zu fordern: Eine Forderung, die schon seit Jahren von der iranischen Opposition erhoben wird. Doch selbst ein solcher Beschluss alleine reicht nicht aus – er müsste auch von einer Politik begleitet werden, die aktiv Akteur_innen, Organisationen und Unternehmen, die von den Revolutionsgarden kontrolliert werden, davon abhält, weiter in Deutschland und Europa aktiv zu sein. Nur dann werden Menschen aus der Diaspora, aber auch andere, die das Regime als Feinde auserkoren hat, in Deutschland sicher sein.