„Ich habe den Fehler gemacht, zu Beginn des Verfahrens zu denken, dass man mit Ihnen diskutieren kann. Das kann man nicht. Also mache ich es auch nicht mehr und deswegen sind wir nun in der Verhandlung weitergekommen“, wendet sich der Vorsitzende Richter Koller an Franco A. Das beschreibt auch den Ablauf der letzten beiden Prozesstage: Beweisanträge der Verteidigung werden im Schnelldurchlauf abgearbeitet, Fragen stellt der Senat so gut wie keine. Die Beweisaufnahme wird beendet und das Plädoyer der Staatsanwaltschaft gehalten.

Das Ende der Beweisaufnahme

Seit Januar haben der Angeklagte und seine Verteidiger immer wieder zahlreiche weitere Beweisanträge angekündigt, passiert ist allerdings nichts. Bis zum 36. Verhandlungstag, dem 13. Juni. Der Senat hatte dieses Datum als letzte Frist für Anträge gesetzt; ungefähr 20 sind es schließlich, die von Verteidiger Hock vorgelesen werden. Juristisch seien die Anträge „krumm und schief“ und „schlecht vorbereitet“, bemängelt Koller. Dennoch gibt der Senat den meisten statt. Koller verstehe, dass Franco A. nun noch probiere, sich zu verteidigen, nur sei das ein bisschen spät, „das hätte man vor einem Jahr vielleicht noch hinkriegen können“.

In den ersten Stunden des darauffolgenden Prozesstages am 20. Juni werden die Anträge dann bearbeitet. A. will zeigen, dass er keine Anschläge geplant habe und sich als „friedlich“ darstellen. Herhalten sollen dafür verschiedene Dokumente, zu denen A. ausschweifende Erklärungen parat hat. So versucht er beispielsweise anhand von vermeintlich „friedlichen“ Aussagen zweier fragwürdiger Autoren, die ihn „inspiriert“ haben sollen, seine eigene Friedfertigkeit zu belegen. Bewaffnet habe A. sich nämlich nur, so sagt er, um seine Familie im Falle eines von ihm erwarteten Ausnahmezustands verteidigen zu können. Und auch beim Benutzen unterschiedlicher SIM-Karten, Email-Konten, Decknamen und falscher Adressen habe er sich nichts Konspiratives gedacht. Fast unvermittelt erzählt A., dass er sich viel mit sogenannten „Pick-Up-Artist“-Methoden beschäftigt habe, zu denen auch gehöre, falsche Namen zu benutzen, „um Frauen gegenüber selbstbewusster auftreten zu können“. Hinter den Methoden und der „Selbstbewusstseinstärkung“ sogenannter „Pick-Up-Artists“ stehen Taktiken, die auf der Erniedrigung und Bedrängung von Frauen beruhen und Gewalt an Frauen miteinschließen. Dass Franco A. solche Methoden ausprobiert hat, verwundert also wenig, dass er sie an dieser Stelle und als Begründung für Decknamen anbringt, schon eher.

Auch aus dem Manuskript eines Vortrages, den A. beim sogenannten „Preußen Abend“ gehalten hat, werden auf Wunsch der Verteidigung Ausschnitte verlesen. Der „Preußen Abend“ ist eine Veranstaltung der extremen Rechten, die bereits seit vielen Jahren stattfindet und an der ausgewählte Netzwerke von hochrangigen Militärs, AfD-Politiker_innen und Neonazis teilnehmen. In dem Redemanuskript wird zum Aufstand und der Gründung eines „Zentralrats der Deutschen“ aufgerufen. Die von A. ausgewählten Passagen sollen allerdings bezeugen, dass A.s Interesse lediglich einer „metaphysischen Ebene“ und dem „wissenschaftlichen Gebet“ gegolten habe.

Das Plädoyer der Staatsanwaltschaft

Staatsanwältin Karin Weingast hält das dreistündige Plädoyer für die Bundesanwaltschaft. Darin macht sie klar, dass sie die Unschuldsbeteuerungen Franco A.s für mehr als unglaubwürdig hält. Es handle sich bei A.s Erklärungen schlicht um „Lügen“, um die Versuche, „alternative Fakten“ zu schaffen. Weingast führt die erwiesenen Falschaussagen A.s an und zeigt die Widersprüche auf, in denen er sich verstrickt hat.

Das Plädoyer wiederholt im Wesentlichen die Anklage: Die Bundesanwaltschaft sieht alle Tatvorwürfe „vollumfänglich bestätigt“ und hält Franco A. für schuldig in allen Anklagepunkten: wegen der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat, wegen Verstößen gegen das Waffen-, das Kriegswaffenkontroll- und das Sprengkörperkontrollgesetz, wegen Diebstahls oder wahlweise wegen Unterschlagung und wegen Betrugs.

In einem Punkt weicht das Plädoyer von der ursprünglichen Anklage ab: Während die Bundesanwaltschaft zuvor davon ausgegangen war, dass Franco A. einen Anschlag getarnt als syrischer Geflüchteter verüben wollte, heißt es nun, dass zwar vieles für diese Annahme spreche, man es aber nicht sicher sagen könne. Das sei aber auch gar nicht entscheidend, denn genaue Anschlagpläne seien für die Anklage nach §§ 89a StGB nicht nötig. Für ausreichend belegt halte man, dass Franco A. fest entschlossen zu einem Anschlag war, dass er die Frage des „ob“ bereits geklärt hatte und sich Gedanken über das „wie“ machte.

Weingast findet deutliche Worte und nennt Franco A. einen „rechtsradikalen Terroristen“, der einen Anschlag aufgrund einer völkisch-nationalistischen, antisemitischen, verschwörungstheoretischen und rassistischen Ideologie verüben wollte. Dessen sicher sei die Bundesanwaltschaft sich aufgrund des Gesamtbildes, was sich durch die Beweise ergibt. „Erinnern sie sich daran?“, fragt Weingast und fasst das Prozessgeschehen und die wichtigen Beweise zusammen. Darunter die Masterarbeit, die sich als rassistisches Pamphlet lesen lässt, die Sprachmemos, in denen Franco A. zu Gewalt aufruft und Tötungsabsichten formuliert, die unzähligen Notizen und To-Do-Listen, die „akribischen Vorbereitungshandlungen“ wie Ausspähen und Waffenbeschaffen und nicht zuletzt A.s Aussageverhalten vor Gericht.  

Franco A. habe durch seine Aussagen „Beweise gegen sich selbst geschaffen“ und „sich selbst zum Beweis gemacht“, so wird es im Plädoyer formuliert. Zu ungeklärten Fragen und solchen, bei denen es um Zusammenhänge ging, habe er allerdings geschwiegen. Dieses taktische „Teilschweigen“ mache A. verdächtig – und sei gegen ihn verwertbar.

Im Plädoyer heißt es weiter, A. habe die Verhandlung als Bühne für seine „verschwurbelten Gedankengänge“ genutzt. Allerdings lässt sich anmerken, dass die Vertreter_innen der Bundesanwaltschaft sich während der Verhandlung weitgehend passiv verhalten und Franco A. die Bühne auch überlassen haben.

An mehreren Stellen erwähnt Weingast die Zeugenvernehmung des Bundeswehroffiziers E. Sie bezieht sich darauf, dass dieser rassistische Aussagen Franco A.s bezeugen konnte. Unerwähnt bleibt allerdings, dass E. auch auf strukturelle Probleme mit Rechtsextremismus und eine Praxis des Wegschauens in der Bundeswehr hingewiesen hat. Im Plädoyer wird von Franco A. als „rechtsradikalem Einzeltäter“ gesprochen, Fragen nach einem Umfeld werden keine gestellt –  und keine nach der Bundeswehr als einer Institution, in der sich extrem Rechte scheinbar vernetzen und bewaffnen können.

Die Behauptung A.s, die illegalen Waffen und Munition aus Bundeswehrbeständen bloß aus Verteidigungsgründen besessen zu haben, sei unglaubwürdig, merkt Weingast an. Zu auffallend sei der zeitliche Zusammenhang von vermehrten Waffenbeschaffungen und Schießübungen. Und zu einfach wäre es doch für A. gewesen, auf legalem Wege einen Waffenschein zu machen und Waffen zu kaufen.

Erst gegen Ende des Plädoyers und ihrer Argumentation kommt Weingast zur Strafzumessung und fordert eine Haftstrafe von insgesamt 6 Jahren und 3 Monaten für den Angeklagten. Strafmildernd berücksichtigt sei dabei die lange Dauer des Verfahrens, der zu erwartende Ausschluss Franco A.s aus der Bundeswehr, sowie der mediale Druck, der den Prozess begleitet haben soll.