Prozess gegen Franco A.: Rechtsextremismus in der Bundeswehr
Nachdem der letzte im Gericht geladene Bundeswehrsoldat noch durch vermeintliche Erinnerungslücken aufgefallen ist, kann sich der an diesem Prozesstag vernommene Soldat sehr gut erinnern. Durch seine Erzählungen werden der problematische Alltag und die rechtsoffenen Strukturen in der Bundeswehr Thema im Prozess gegen Franco A. Der Offenbacher Bundeswehroffizier ist am Frankfurter Oberlandesgericht unter anderem der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat angeklagt.
Franco A.s rechtsextremes Weltbild war bekannt
An diesem 24. Prozesstag, den 20.01.22, ist Bundeswehroffizier E. als Zeuge geladen. Er ist Anfang 30 und war eine Zeit lang zusammen mit Franco A. im deutsch-französischen Jägerbataillon im elsässischen Illkirch stationiert. Aus dieser Zeit kenne er Franco A., sowie dessen Freund Maximilian T. Als junge Soldaten einer Einheit mit meist Älteren hätten sie viel Zeit miteinander verbracht, sich auf Lehrgängen ein Zimmer geteilt und viel diskutiert, oft politisch. In seiner Zeugenaussage erzählt E. von zahlreichen Gesprächen und Situationen mit den beiden und bestätigt dabei das Bild, das man von Franco A. bereits während des bisherigen Prozesses gewinnen konnte: „Es ist eine verfestigte Gesinnung, die mir die ganze Zeit um die Ohren gehauen wurde,“ sagt E.
A. und T. hätten sich mit völkisch-nationalistischen Positionen „nicht zurückgehalten“, so der Zeuge weiter. Gerade A.s Äußerungen in politischen Diskussionen seien oft antisemitischen Charakters und der „Tenor aller Gespräche“ wären rassistische Theorien gewesen, die die Schuld für eine vermeintliche Bedrohung bei Politiker_innen suchen. Bereits bei der ersten Begegnung mit Franco A. sei es zu einem Gespräch gekommen, in dem es um „Kritik an Israel“ gegangen sei. Die Gesprächsbeiträge A.s beschreibt der Zeuge als eindeutig antisemitisch. Kurz nach diesem Gespräch habe A. ihm eine den Holocaust leugnende E-Mail weitergeleitet.
Auf zwei Situationen geht E. außerdem näher ein: Auf einer Party, die 2016 bei Franco A.s Partnerin Sophia T. in Berlin stattgefunden habe, sei Franco A. einem Freund E.s durch „Nazi-Scheiße“ aufgefallen. Eine andere Party – die Geburtstagsfeier Maximilian T.s im März 2016 – sei für den Zeugen „befremdlich“ gewesen. Neben Familienmitgliedern von T. und einem weiteren Freund seien nur die Bundeswehrsoldaten Franco A., Maurice R. und E. selbst eingeladen gewesen. Auf dem Tisch habe eine Schale mit einem abgebildeten Hakenkreuz gelegen, angestoßen habe man „auf das Vaterland“.
Insgesamt entsteht durch die Zeugenaussage der Eindruck eines festen durch völkisch-nationalistische Ideologie geeinten Umfelds um Maximilian T. und Franco A. Zu diesem zählt auch Maurice R. Der Zeuge betont: Die rechtsextremen Einstellungen und Äußerungen von Franco A., Maximilian T. und Maurice R. seien nicht nur ihm, sondern bei der Bundeswehr bekannt gewesen.
Keine „Einzelfälle“ in der Bundeswehr
Er gibt an, darüber auch mit einem Vorgesetzten bei der Bundeswehr gesprochen zu haben, Konsequenzen hätte es aber keine gegeben. Verwundert habe E. das nicht. Er stehe permanent vor der Herausforderung, es bei der Bundeswehr mit Menschen zu tun zu haben, „die sehr fragwürdige Ansichten haben“, so der Zeuge. Trotz seiner Nähe zu diesem Umfeld betont E. seine ideologische Distanz. Außer durch stetigen Widerspruch in Gesprächen und durch aktive Auseinandersetzung mit seinen Kameraden sehe er innerhalb der Bundeswehr jedoch keinen Handlungsspielraum: Alle Vorfälle zu melden, sei aufgrund der großen Anzahl problematischer Äußerungen gar „nicht machbar“, und gemeldeten Vorfällen würde „nicht so nachgegangen, wie es sich manche vorstellen“. Der Zeuge, Sohn türkischer Eltern, sagt, dass in der Bundeswehr „wenige POCs sind“ und viele diskriminierende Äußerungen stehen bleiben würden, so auch Sexismus und Homophobie. Wenn E. angibt, bei der Party in Berlin zu Franco A. gesagt zu haben, er solle sich wenigstens dort „zusammenreißen“, und bei der Erzählung zu Maximilian T.s Geburtstag erwähnt, er wundere sich über manche Vorfälle nicht, er sei „ja bei der Bundeswehr“, wird deutlich, welche rassistische Normalität und sprachliche Verrohung bei der Bundeswehr vorherrschen muss. Franco A. und Maximilian T. scheinen in einem Umfeld, in dem rassistische Sprüche alltäglich sind, kaum aufzufallen.
„Ich mach‘ meinen Mund auf gegen rechts“, sagt der Zeuge noch. Nur befürchtet er dafür Konsequenzen in seinem direkten Arbeitsumfeld. In seiner Einheit seien mehrere Soldaten, die Franco A. noch immer nahe stünden.
Laut Vorsitzendem Richter sei die Sachlage „ausermittelt“
Neben einigen Beweisstücken und weiteren Notizzetteln As, die noch an diesem Tag verlesen werden, nehmen zwei Briefe aus den Jahren 2011 und 2012 mehr Aufmerksamkeit ein. Franco A. schrieb an Gerd Schultze-Rhonhof, einen ehemaligen Offizier, der sich als Autor geschichtsrevisionistischer Bücher hervorgetan hat und in rechten Medien publiziert. Verfasst sind die Briefe unter dem Pseudonym „Jonas Mantis“ und zwecks Kontaktaufnahme sind Telefonnummern eigens dafür gekaufter SIM-Karten angegeben. Die Briefe lesen sich als eine Art politische Lobeshymne an Schultze-Rhonhof. Auf Nachfrage erklärt A., er sei auf der Suche nach einem „Mentor“ und „Erkenntnissen“ gewesen, habe aber keine Antwort bekommen.
Schließlich erklärt der Vorsitzende Richter die Beweisführung von seiner Seite aus für abgeschlossen. Die Sachlage sei aus seiner Sicht „ausermittelt“. Gründlicher könne man es nicht machen, so Richter Koller.
Verteidigung beantragt dennoch weitere Zeug_innenvernehmungen
Ob der Senat die Vorwürfe der Anklage gründlicher hätte aufklären können, darüber lässt sich diskutieren. Denn viele Fragen, zum Beispiel zum Umfeld oder den Waffen, sind weiterhin offen. Zur Verwunderung des Gerichts reicht die Verteidigung des Angeklagten am Ende des Prozesstags noch zwei Beweisanträge ein und kündigt 10 bis 15 weitere an. Wie viele dieser Anträge tatsächlich angenommen werden, wird sich voraussichtlich am nächsten Prozesstermin am 03.02. zeigen. Die beiden Verteidiger begründen ihre Anträge damit, es sei in der bisherigen Beweisführung zu viel um A.s Gesinnung gegangen, nun solle den „Interessen“ des Angeklagten im Prozess mehr Raum gegeben werden. In den beiden schon gestellten Anträgen geht es um die Untersuchungshaft A.s. Zeug_innen sollen bestätigen, dass diese unverhältnismäßig lange gewesen sei. Richter Koller merkt Zweifel daran an, dass die Zeug_innen im direkten Zusammenhang mit dem Anklagevorwurf stehen. Als mögliches Ende des Prozesses steht weiterhin der 04.03.2022 im Raum.