Dem Lokalteil verschiedener Frankfurter Zeitungen war am 4.11.1966 zu entnehmen, der »Rektor der Frankfurter Universität, Prof : Dr. Rüegg«, habe am 3.11 »vor dem Lehrkörper der Hochschule bestätigt, daß die Universität unter Umständen gezwungen sein werde, einen ›numerus clausus‹ für Studienanwärter einzuführen« (FAZ). Begründung (laut Bericht der FRANKFURTER RUNDSCHAU): das für den Ausbau vorgesehene Gelände am Rebstock sei zu klein, um den erwarteten Anstieg der Studentenzahlen – von jetzt ca. 15000 auf mindestens 23.000 im Jahre 1980 – genügen zu können.

Erschreckend war diese Nachricht aus zwei Gründen. Einmal konnte man nach den hochschulpolitischen Diskussionen der letzten Zeit annehmen, daß keine Universität mehr ernsthaft diese reaktionäre und formal sehr angreifbare (und mehrfach angegriffene) »Notmaßnahme« gegen aktuelle, allmählich nur zu bekannte Engpässe im Universitätsbetrieb in Erwägung ziehen würde. Zum anderen hatte gerade der Senat der Frankfurter Universität erst im Sommersemester 1966 durch seinen Beschluß, in keiner Fakultät Zwangsexmatrikulationen nach dem Berliner Vorbild vorzunehmen, bessere Lösungsvorschläge erwarten lassen.

Schon in seinen ersten Empfehlungen zum Ausbau der wissenschaftlichen Einrichtungen (1960) hatte der Wissenschaftsrat in einem eigenen Kapitel sich mit der Frage beschäftigt, ob die Ausbildungsmöglichkeiten in der Bundesrepublik erweitert oder restriktive Maßnahmen zur Beschränkung der Studentenzahl wie der ›numerus clausus‹ ergriffen werden sollten. Er referiert dann die gleichen z. T. offen elitären Argumente, die auch heute noch dafür bemüht werden. Sie reichen von der Besorgnis, die Hochschulen könnten gegenwärtig für eine angemessene Ausbildung aller Studenten nicht mehr garantieren über die Furcht vor der Produktion eines akademischen Proletariats und dem Gespenst der »ungeeigneten« Vielen bis zu der Akzeptierung der schlechten Realität (»es [ist] unmöglich, in angemessener Frist Ausbildungseinrichtungen zu schaffen, die den Erfordernissen entsprechen«). Die Gründe, die den Wissenschaftsrat damals zur Ablehnung des ›numerus clausus‹ bewogen, sind kurz vor der Anwendung neuer alter »Sofortmaßnahmen« um so aktueller. Die Auswahl der Studienanfänger bleibt willkürlich, ob sie nun durch Los oder aufgrund von Abiturzeugnissen vorgenommen wird. Beschränkungen dieser Art verstoßen , wie Urteile und Äußerungen maßgeblicher Rechtslehrer belegen,. Gegen das Recht auf freie Wahl der Ausbildungsstätte (Art. 12 Abs. 1 GG) und im Bereich der Zuständigkeit der Hochschule gegen die Lernfreiheit des Studenten (nach Art. 5 Abs. 3 GG). Darüberhinaus – so der Wissenschaftsrat – ist die damit intendierte Berufslenkung nicht mit einem demokratischen Gemeinwesen vereinbar, wie es denn überhaupt schwierig sein dürfte, den Bedarf an Akademikern eines bestimmten Fachs vorauszuberechnen. Schließlich haben die bisherigen Absolventen  der Hochschulen nicht nur ohne Schwierigkeiten Anstellungen gefunden, sondern der Ruf von Staat und Wirtschaft vor allem nach mehr Lehrern und Ingenieuren hat die steigende Nachfrage nach wissenschaftlich qualifizierten Arbeitskräften deutlich genug vor Augen geführt. Zweifellos ist die hochschulpolitische Diskussion unterdessen weitergegangen. Sie hat nicht nur die Interessen der Beteiligten sehr viel deutlicher gemacht, sondern auch neue Lösungen vorgeschlagen. Die sog . befristete Immatrikulation ist scheinbar viel weniger willkürlich und autoritär als der ›numerus clausus‹ oder spektakuläre ›Zwangsexmatrikulationen‹ und wegen des geringeren Reibungskoeffizienten vermutlich auch ›effektiver‹. Weil restriktive Maßnahmen dieser Art allein auf dem Rücken der Studenten ausgetragen werden, haben sie auch noch den Vorteil, billig zu sein.

Da die Hochschulen offensichtlich den Sparmaßnahmen der staatlichen Verwaltungen zuvorkommen wollen, ist nur zu hoffen, daß diese über der Freude die Einsparungen im Jahreshaushalt das langfristige Verlustgeschäft für die gesamte Volkswirtschaft rechtzeitig bemerken.

Karin Monte