Urteil gegen Franco A.: Ein Gerichtsprozess, der Fragen hinterlässt, statt aufzuklären
Der Bundeswehrsoldat Franco A. wurde am 15 Juli 2022 wegen der Planung eines rechtsextremen Terroranschlags, wegen illegalem Waffen- und Munitionsbesitz und Betrug, zu fünf Jahren und sechs Monaten Gefängnis verurteilt. Insgesamt 14 Monate und 39 Verhandlungstage lang beschäftigte der Prozess den Staatsschutzsenat des Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main. Doch aufgeklärt sind die Umstände des Komplexes um Franco A. nicht. Der Prozess hinterlässt offene Fragen zur konkreten Anschlagsplanung, den Waffenbeschaffungen, der Einbettung des Angeklagten in rechte Netzwerke in und außerhalb der Bundeswehr und zu anderen involvierten Personen.
Das Aufklärungsversprechen des Gerichts
„Wir klären das auf“, kündigte der Vorsitzende Richter Koller an einem der ersten Verhandlungstage an. Dabei waren die Erwartungen, dass das tatsächlich passiert, schon zu Beginn des Prozesses gering: Der gleiche Strafsenat – nur unter einem anderen Vorsitz – hatte den entpolitisierenden Prozess um den Mord an Walter Lübcke geführt. Zunächst hatte der Senat die Klage gegen Franco A. aufgrund geringer Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung sogar abgelehnt, wurde dann aber vom Bundesgerichtshof dazu verpflichtet, das Verfahren zu führen.
Überrascht hat der Vorsitzende Richter Christoph Koller dann durch eine geschickte Prozessführung, was die Befragung des Angeklagten und den Umgang mit dessen Aussageverhalten anging. Immer wieder unterbrach er die politische Selbstinszenierung und Raumeinnahme des Angeklagten. Einmal entzog er diesem während antisemitischer Ausschweifungen das Wort – ansonsten hielt Franco A. ausführliche Monologe. Dabei verstrickte er sich regelmäßig in Widersprüche und stellte seine rechtsextreme Ideologie zur Schau.
Für eine Verurteilung musste das Gericht von drei Komponenten überzeugt sein: Einem „festen Tatentschluss”, Vorbereitungshandlungen für eine schwere Gewalttat und dem staatsgefährdenden Charakter dieser Tat. Etliche Audioaufnahmen und Notizzettel wurden als Beweise herangezogen und belegten nicht nur A.s rassistische, antisemitische und völkisch- nationalistische Ideologie, sondern auch seine Tötungsabsichten. Die Benennung politischer Hintergründe war in diesem Verfahren von Bedeutung: A.s Ideologie wurde als Indiz und als Motivation zur Vorbereitung eines Anschlags gewertet. Wie konkret und fortgeschritten die Anschlagspläne waren, konnte im Prozess nicht geklärt werden. Für eine Verurteilung hat es diese Aufklärung nicht gebraucht, meinte das Gericht in der Urteilsverkündung. Betont wurde jedoch die Tatsache, dass es bereits Vorbereitungshandlungen gab: Das Beschaffen von illegalen Waffen, die Teilnahme an Schießtrainings, das Recherchieren zu möglichen Opfern und Ausspähungen wie die Dokumentation der Tiefgarage der Amadeu-Antonio-Stiftung.
Der Senat gab sich während des Prozesses transparent mit seinen Einschätzungen, betonte, dass er Aussagen des Angeklagten für nicht glaubwürdig hielt und wies auf Widersprüche hin. Nachdem Franco A. im Februar 2022 mit NS-Devotionalien in der Tasche kontrolliert und erneut verhaftet wurde, sprach das Gericht von „Verdunklungsgefahr” und deutete eine mögliche Verurteilung bereits an. Bis zuletzt blieb A. außerdem bei seiner Geschichte, die Waffe, die er in Wien am Flughafen versteckte – woraufhin er das erste Mal festgenommen wurde –, zufällig beim Pinkeln im Gebüsch gefunden zu haben. Diese Geschichte vom Zufallsfund wurde durch DNA-Analysen und mehrere Indizien, die darauf hinweisen, dass A. die Waffe in Paris gekauft habe, widerlegt. Den Besitz von zwei weiteren illegal beschafften Waffen gab er zu.
Die These vom Einzeltäter
Anhand der Waffen werden Leerstellen in den Ermittlungen und im Prozess besonders deutlich. Der Erwerb der Waffe in Paris kam erst durch verordnete Nachermittlungen durch den Bundesgerichtshof heraus, was wiederum die Frage aufkommen lässt, welche Informationen noch nicht ermittelt wurden. Zu erfahren, wie Franco A. an die Waffen gelangte, welche Personen ihn bei der Beschaffung der Waffen unterstützt haben, und wie aktiv das Umfeld A.s in seine Anschlagspläne eingeweiht war, schien den Senat nicht zu interessieren. Vielmehr ging es um seine konkreten Handlungen und Aussagen. Diese Richtung der Verhandlung, der Fokus auf den Angeklagten als vermeintlich isolierten „Einzeltäter”, war bereits in der Anklageschrift der Generalbundesanwaltschaft angelegt.
Diese bildete die Grundlage des Prozesses und sowohl die Staatsanwaltschaft als auch der Senat hielten daran bis zum Schluss fest. Dabei hätte das Gericht durchaus die Möglichkeit gehabt, über die Vorgaben der Anklage hinauszugehen: Der Senat ist für die Prozessführung verantwortlich und dafür, was aus den tausenden Seiten Akten in die Verhandlung einfließt, welche Schriftstücke besprochen, welche Zeug*innen geladen werden. Es hätten Exkurse gemacht und dadurch Strukturen offengelegt werden können. Dafür hätte es Akteur*innen gebraucht, die daran interessiert gewesen wären. Doch die Staatsanwält*innen der Bundesanwaltschaft, Hendrik Buskohl und Karin Weingast, stellten kaum Fragen oder Beweisanträge. Anetta Kahane, Gründerin der Amadeu Antonio Stiftung und ein potentielles Opfer des verhinderten Rechtsterroristen, wurde nicht als Nebenklägerin zugelassen.
Der juristische Rahmen, in dem gegen einen einzelnen Rechtsextremen ermittelt und verhandelt wird, reproduziert das gängige Narrativ vom Einzeltäter. Immer wieder hätten Beweise oder Zeug*innen deutlich mehr Aufklärung liefern können, doch sie wurden stets nur in Hinblick auf Franco A.s Handlungen ausgewertet.
Die Erzählung von angeblich isolierten Einzelfällen, die von der vermeintlichen gesellschaftlichen Norm abweichen, versperren den Blick in zweifacher Sicht. Zum einen werden breite Teile der Gesellschaft damit entlastet, obgleich zahlreiche ideologische Anknüpfungspunkte zwischen der Gedankenwelt der angeblichen „Mitte“ und faschistischer Ideologie bestehen – Misogynie, Nationalismus und Rassismus sind anschlussfähige Beispiele. Zum anderen gerät das Umfeld, in dem sich die vermeintlichen Einzeltäter bewegen, aus dem Blick. Nicht nur im Internet, in rechten Parteien, Medien, Stammtischen oder Chatgruppen vernetzen sich extreme Rechte. Franco A. war neben weiteren Soldaten und Staatsbediensteten Teil des „Uniter”-Netzwerks und hielt 2016, nur wenige Tage vor seiner Verhaftung, eine Rede beim „Preußen-Abend”, einem Treffen von Neonazis, AfD-Kadern und Angehörigen von Sicherheitsbehörden. Vor Gericht wurde dies nur randständig thematisiert.
Das (Bundeswehr-) Umfeld
Wurden im Prozess Zeug*innen aus dem Uniter- oder Bundeswehr-Umfeld geladen, hatten diese vermeintliche Erinnerungslücken, schwiegen oder verharmlosten. Die Befragungen fokussierten sich lediglich auf A.s politische Einstellungen oder auf seine Bestrebungen, sich Waffen zu besorgen. Sein Umfeld wurde nicht ausgeleuchtet.
Obwohl die Zeugenaussagen von A.s Ex-Kameraden nur wenig zur Klarheit beitrugen, machten sie deutlich, dass Rechtsextremismus in der Bundeswehr seit Jahren toleriert und verbreitet ist. Ein einziger als Zeuge geladener Soldat gab tieferen Einblick in die Strukturen der Bundeswehr. Er wies darauf hin, dass die rechtsextremen Ideologien Franco A.s und seines Umfeldes in der Bundeswehr bekannt waren und mehrmals gemeldet wurden. Durch ihn – und nicht etwa durch Nachfragen der Staatsanwält*innen oder des Senats – wurden im Prozess rechte Strukturen in der Bundeswehr angesprochen, von denen Franco A. Teil war und ist.
Ein umstrittener Paragraph
A. ist der erste Bundeswehrsoldat, der wegen der Planung rechten Terrors angeklagt und verurteilt wurde. Der Paragraph 89a im Strafgesetzbuch, die Gesetzesgrundlage, nach der A. für die „Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat“ verurteilt wurde, ist vergleichsweise neu – und umstritten. Er wurde in einem Gesetzespaket nach dem 11. September 2001 verabschiedet, gemünzt auf islamistisch motivierte Anschläge und geht mit umfassenden Eingriffs- und Überwachungsbefugnissen einher. Eigentlich gilt Strafrecht im deutschen Recht als Ultima Ratio und die Vorverlagerung von Strafbarkeit in den sogenannten „Staatsgefährdungsdelikten” wird von Jurist*innen problematisiert.
Paragraph 89a ist in einem Sicherheitsdiskurs verortet, in dem Strafrecht als geeignetes staatliches Mittel gegen Terrorismus hochgehalten wird. Der Staat will sich wehrhaft zeigen, die Bedrohung rechten Terrors soll vermeintlich berechenbar und so verhindert werden. Das dem nicht so ist, hat der Prozess gegen Franco A. einmal mehr offensichtlich gemacht: A. ist nur durch Zufall aufgeflogen, weitere Netzwerke waren im Prozess kein Thema und dadurch, dass nun ein vermeintlicher Einzeltäter im Gefängnis sitzt, ist die Gefahr rechten Terrors nicht kleiner geworden. Zudem zeigt der Prozess die Absurdität auf, die mit der Hoffnung auf Verhinderung von Straftaten durch mehr staatliche Überwachung verbunden ist. Die staatlichen Sicherheitsbehörden sind selbst Teil des Problems – Der ehemalige Bundeswehrsoldat Franco A. ist nur eines unter vielen Beispielen.
Kritische Prozessbeobachtung bleibt notwendig
Die Verurteilung A.s hinterlässt einmal mehr die Erkenntnis, dass strafrechtliche Prozesse keine umfassende Aufklärung liefern können. Ein Gerichtsprozess, der gegen eine einzelne Person geführt wird und über deren individuelle Schuld urteilen soll, hat seine Grenzen. Er ist allein nicht dazu in der Lage, rechten Terror oder dessen Planung aufzuklären und zu verhindern. Und trotzdem ist es wichtig, Notiz zu nehmen, wie der „Franco A.- Komplex“ vor Gericht verhandelt wurde, inwiefern die vorhandenen Möglichkeiten des Gerichts, aufzuklären, (nicht) genutzt wurden und die Lücken in der Aufklärung zu benennen.
Zuerst erschienen ist der Artikel bei Belltower.News.