Prozess gegen Franco A.: (K)Eine Sache der Glaubwürdigkeit
Richter Koller hat bereits mehrmals deutlich gemacht, dass er Franco A.s Geschichte vom zufälligen Waffenfund beim Pinkeln im Gebüsch für unglaubwürdig hält. In den vorangegangenen Prozesstagen fordert er Franco A. immer wieder auf, darzulegen, wie er in den Besitz der Waffe gekommen sei, wie und warum er die Waffe am Wiener Flughafen versteckt habe. Doch der Angeklagte möchte sich dazu nicht äußern, auch am 15. Prozesstag nicht. Deswegen ist eine forensische Molekularbiologin als Sachverständige geladen. Sie hat die DNA-Spuren auf der Waffe untersucht – und ihr Gutachten nimmt die ohnehin schon unglaubwürdige Geschichte Franco A.s auseinander.
Eine völlig klare Sache
Die Sachverständige Dr. Christina Stein, die für diesen Prozesstag aus Wien angereist ist, stellt vor Gericht ihre Untersuchungsergebnisse vor. Anhand von Abrieben, die an verschiedenen Stellen der Waffe gemacht worden sind und die Stein untersucht hat, kann sie ein „sehr, sehr stark ausgeprägtes“ DNA-Profil A.s auf der Waffe nachweisen. Ein so stark ausgeprägtes DNA-Profil könne nur durch regelmäßiges Hantieren des Angeklagten mit der Pistole entstanden sein. Auch im Inneren der Pistole, am Magazin, sei die Spur stark verteilt gewesen, was ebenfalls für häufiges Benutzen spreche. DNA einer weiteren Person habe sie an der Waffe außerdem nicht finden können, auch keine Spuren von Urin. „Das war für mich alles eine völlig klare Sache“, so die Biologin.
Eigentor der Verteidigung
Den Verteidigern scheint nicht bewusst zu sein, welcher Ernst der Lage sich aus der Klarheit des Befundes für ihren Mandanten ergibt. Durch gezielt kritische Fragen, versuchen sie die Glaubwürdigkeit des Gutachtens in Zweifel zu ziehen. Dieses Vorhaben allerdings misslingt, da Steins Gutachten bereits vorher auf sehr sicherem Boden stand. Die kritischen Rückfragen geben ihr lediglich die Möglichkeit, ihre Befunde weiter zu festigen. „Manchmal tut mir Herr A. leid, dass er so verteidigt wird.”, unterbricht Richter Koller schließlich die Verteidungsversuche des Anwalts Moritz Schmitt-Fricke: “Das nennt man ein Eigentor“.
Ohnehin bleibt die Strategie der beiden Anwälte Moritz Schmitt-Fricke und Johannes Hock unklar. Während sie ihren Mandanten an dieser Stelle durch ihren Übereifer nur weiter in die Bredouille bringen, schalten sie bei den anschließenden ausufernden Ausführungen A.s zu seiner Masterarbeit fast komplett ab und versuchen gar nicht erst, die Zurschaustellung seiner offensichtlich rechtsextremen Gesinnung zu stoppen.
Fragen zur Masterarbeit
Die Arbeit, die sich mit der verschwörungsideologischen Annahme einer angeblichen konspirativen „Subversion“, die „Volk und Nation“ zerstören wolle, beschäftigt, war zwar 2014 von einem Gutachter der Bundeswehr als rechtsextrem eingeordnet worden, hatte aber ansonsten keine weiteren Konsequenzen für A. innerhalb der Bundeswehr. Indem Richter Koller Franco A. nun prägnante Stellen aus seiner Masterarbeit vorhält und ihn auffordert, dazu Stellung zu nehmen, möchte das Gericht herausfinden, wie Franco A. heute zum Inhalt der Arbeit steht. Immer wieder hatte dieser behauptet, lediglich unwissenschaftlich gearbeitet zu haben.
A. nimmt bereitwillig Stellung zu den Inhalten der Arbeit - und lässt dabei selbst kaum ein verschwörungsideologisches, rechtsextremes Motiv aus. Überall fänden sich Indizien für die Thesen, mit denen er sich in seiner Masterarbeit beschäftigt hat. Ereignisse, wie die sogenannte Flüchtlingskrise im Jahr 2015, hätten das von ihm Geschriebene im Nachhinein bestätigt.
Feminismus als Verschwörungserzählung
Auch Feminismus nimmt bei A. die Rolle einer Verschwörungserzählung ein und wird als eine Erfindung der „Agenten der Subversion“ imaginiert. Frauen seien von Natur aus durchsetzungsschwach und leicht zu beeinflussen. Eine Gesellschaft, in der leichter zu beeinflussende Gruppen Machtpositionen innehaben, würde der Agenda dieser behaupteten Agenten zuspielen, weshalb sie Emanzipation fördern würden. Während A. seinen Rassismus und sein völkisches Denken im Prozess schon häufiger formuliert hat, wird nun also sein Frauenhass deutlich. Das passt ideologisch in ein Weltbild, das jegliche Abweichung von einer idealisierten, soldatischen Männlichkeit unterdrücken muss.
Sowieso scheint alles in die von A. imaginierte Verschwörung zu passen: Von Bibelzitaten über die Menschenrechte und die Emanzipation der Frau bis hin zur deutschen Außenpolitik und ihrer Haltung zum Staat Israel.
Holocaust als eine Frage des Glaubens
Bei letzterem hakt Richter Koller ein: Welche Bedeutung in diesem Zusammenhang der Holocaust für ihn habe, will er vom Angeklagten wissen. Franco A. wird nun beinahe wütend. Er weigere sich, in eine „Zwangslage“ gebracht zu werden, in der er sich zum Holocaust „bekennen“ und ein „Glaubensbekenntnis“ ablegen müsse. A. redet davon, dass es eine Wahrheit gebe, wie es gewesen sein müsse, aber man nicht wisse, ob diese Wahrheit herauskomme. Diese Leugnung historischer Fakten und das Benutzen des Begriffs der „Wahrheit” in dem Zusammenhang sind typische Argumentationsfiguren von geschichtsrevitionistischen Positionen der extremen Rechten.
Weil A.s politische Gesinnung Teil der Anklage ist, könnten sich seine Einlassungen als wichtig erweisen. Auch die Tatsache, dass A.s Darstellung des Waffenfundes widerlegt wurde, er sich aber nach wie vor nicht dazu äußert, dürfte sich nicht positiv auf seine Glaubwürdigkeit auswirken.
Der nächste Verhandlungstermin ist am 27. September; weitere Termine bis in den Januar wurden angekündigt.