Prozess gegen Franco A.: Eine Masterarbeit, kein Masterplan
Eine Masterarbeit dient eher selten als Beweisstück vor Gericht, in dem einem Angeklagten die Vorbereitung einer staatsgefährdenden Gewalttat, motiviert durch eine rechtsradikale Gesinnung, vorgeworfen wird. Im Prozess gegen Franco A. dagegen war dessen Masterarbeit schon häufig Thema vor Gericht. An ihr soll die völkische und verschwörungsideologische Gesinnung des Angeklagten nachvollzogen und auf ihre Aktualität überprüft werden. Franco A. hatte sie 2013 als Abschlussarbeit für die Militärschule Saint-Cyr verfasst, sie wurde jedoch wegen ihres rechten und völkischen Gedankenguts nicht angenommen. Anstatt ihn aufgrund des Inhalts vom Militärdienst zu suspendieren, durfte A. eine weitere Arbeit für seinen Abschluss verfassen. Dass A. an der Argumentation seiner Masterarbeit auch heute noch festhält, machte er bereits an einem vergangenen Prozesstag deutlich. An diesem 17. Prozesstag nehmen nun die Verteidiger Stellung zu A.s Masterarbeit. Interessant sind die Aussagen der Verteidiger Hock und Schmitt-Fricke dabei besonders im Verhältnis zueinander.
Uneinigkeit in der Verteidigungsstrategie
Verteidiger Hock beginnt seine Erklärung mit der Frage, warum die Masterarbeit A.s in diesem Prozess überhaupt relevant sei. Dabei versucht er sich im rhetorischen Wortspiel, die Arbeit sei eine Masterarbeit, aber kein Masterplan. Eine schlechte Arbeit sei es, die jedoch nicht als Masterplan herhalte, da sie keinen direkten Plan zur Tötung anderer Menschen aufweise. Doch als solcher müsse sie scheinbar wahrgenommen werden, wenn sie im Gericht als Beweismittel verhandelt wird. Ein wissenschaftliches Kolloquium hingegen, innerhalb dessen die Thesen der Arbeit diskutiert werden könnten, stelle das Gericht nicht dar. Hock appelliert an die „Fairness“ der Journalist_innen in ihrer Berichterstattung; ein unvoreingenommenes Lesen der Masterarbeit sei aufgrund der Berichterstattung kaum mehr möglich. Insgesamt ist sein Vortrag kurz und zielt vor allem auf die Widerlegung der Arbeit als juristisches Beweismittel ab, die er meint, durch bloßes rhetorisches Geschick beweisen zu können.
Verteidiger Schmitt-Fricke hingegen argumentiert in die entgegengesetzte Richtung: Er behandelt die Arbeit als wissenschaftliche Arbeit und führt genau die Arbeit am Text durch, von der Hock behauptete, es bräuchte sie nicht. Eine Viertelstunde lang geht er Zitate und Textstellen aus der Arbeit durch, um zu beweisen, dass die Arbeit kein völkisches, nationalistisches, rechtes und antisemitisches Gedankengut enthält.
Verdrehte Tatsachen
Die Beweisführung soll hier nicht ausführlich wiederholt werden – sie unterscheidet sich von den vorherigen Verteidigungen Franco A.s kaum. Wieder einmal wird versucht, Franco A.s Nationalismus dadurch zu widerlegen, dass er seinen Blick auch auf das europäische Ausland wirft – Großbritannien und Frankreich zieht er als Beispiele heran für Staaten, die vermeintliche „Lösungen“ für die Politikverdrossenheit der Bürger_innen und die Entfernung der Politiker von den Bürgern_innen gefunden hätten. Dabei auf Nachbarstaaten zu schauen, in denen rechte bis rechtsextreme Kräfte und Strömungen 2013 ebenfalls erstarken, deutet Schmitt-Fricke als „Weltoffenheit“. Immer wieder beharrt er darauf, dass A. keine Gruppe und kein „Volk“ über das andere stelle, dass ihm diese Hierarchisierung, die er als maßgeblich für eine rechte Einstellung definiert, fern läge. Kritisiert werde nur ein fortschreitender „Imperialismus der Ideen“, „Verwestlichung“ sowie der Verlust des Verhältnisses zur Natur in industriellen Staaten. Alles Narrative der Rechten, die in Verhältnis zu dem übergreifenden Thema der Masterarbeit, der Angst vor dem „großen Völkeraustausch“ und der antisemitischen Idee der „Subversion“ stehen.
Schmitt-Fricke endet damit, eine lange Liste an Quellen aufzuzählen, um die Wissenschaftlichkeit der Arbeit zu beweisen und mit dem Statement, dass die Arbeit klar nicht rechtsextrem sei. Während Hock seine Verteidigung also eher darauf ausrichtet zu argumentieren, warum die Arbeit nicht relevant für den Strafprozess sei, kommt Schmitt-Fricke zum klaren Schluss, dass sie das Gegenteil von nationalistisch wäre – was in direktem Gegensatz zum offiziellen Gutachten des Betreuers von A.s Arbeit steht.
Weitere Zeugenaussagen
Neben der Verlesung der Erklärungen zur Masterarbeit, die von Senat und Bundesanwaltschaft unkommentiert gelassen werden, sprechen zwei Zeugen: Ein österreichischer Kriminalbeamter, der A. 2017 am Flughafen festnahm sowie ein Polizeibeamter des Bundeskriminalamtes, der Erklärungen zu Konten von A. und seiner Alias-Identität David Benjamin abgibt. Außerdem wurden noch einige Chatverläufe vorgelesen, die 2015 zwischen A. und seinem Freund Mathias F. hin und hergingen und teilweise bereits in vorherigen Sitzungen zur Sprache kamen.
In der nächsten Sitzung sollen zwei weitere Zeugen vernommen werden. Außerdem plant die Verteidigung eine Erklärung zu den Zeugenaussagen über die Konten, die Gegenstand der diesmaligen Sitzung waren.