(1)Auf den grünen Auen des ›schönsten Campus Europas‹ erstrahlt die Goethe-Universität in neuem Licht. Dort, so erzählt sie sich und anderen, forscht einmütig die Wissenschaftsgemeinde aus Studierenden, (promovierendem) Mittelbau und Professor_innen. Dass dieses Bild einige dazu verleitet, in Nostalgie über AfE-Turm und Brutalismus zu verfallen, liegt wohl auch daran, dass die identitätsstiftende Rede von der scientific community über den unternehmerischen Charakter der Hochschule und ihren Zweck in der bürgerlichen Gesellschaft nicht hinwegtäuschen kann. Sie unterscheidet sich kaum von anderen Ideologien, die eine Interessenidentität von Arbeitenden und Unternehmensführung unterstellen. Doch die Homogenität, die in diesem »Regieren durch Community« (Rose 2012: 81) behauptet wird, ist rissig. Zwar überdeckt die beschworene Gemeinschaft die Vereinzelung und erschwert es, klar zu machen, warum eine kollektive Organisierung entlang von parteilichen Interessen geboten ist. Durch die Aktionen und Forderungen der Hilfskraftinitiative an der Goethe-Universität gab es in den letzten zwei Jahren aber eine erste Politisierung der Frage, ob sich der studentische Teil der scientific community tatsächlich als Sachmittel mit stagnierenden Löhnen abspeisen lässt. Eine längerfristige und umfassendere politische Perspektive soll nun das Gewerkschaftsprojekt unter_bau mit einer statusgruppenübergreifenden Organisierung bieten.

Die Universitätsleitung bietet mit ihrer ›Corporate Identity ein exklusives Angebot für alle akademischen Angehörigen der Universität. Die Angestellten in den Mensen oder in der Gebäudereinigung sind selbstverständlich nicht mitgemeint, ihre Arbeit ist outgesourced, für die Bedingungen ihrer Arbeit sieht sich die Universitätsleitung nicht zuständig. Doch auch die wissenschaftlich Tätigen lassen sich nicht einfach zu einer homogenen Gemeinschaft zusammenfassen.

Für die Studierenden erfüllt die Universität eine Funktion, wie sie ähnlich auch schon der Schule zukommt: sie führt die Einzelnen an Lohnarbeit im gesellschaftlichen Konkurrenzverhältnis heran. Relativ starr geschieht das in den Fächern, die zu klarer bestimmten Berufen qualifizieren sollen. Für Tätigkeiten, die mehr Kreativität und eigenständige Initiative erfordern, wird mehr Autonomie eingeräumt, da später nicht nur die schiere Arbeitskraft verkauft werden soll, sondern zugleich ein individuelles Muster, wie diese am besten eingesetzt werden kann. Dennoch verlässt sich das Präsidium nicht allein auf die Selbstregierung der Studierenden: Der Hochschulentwicklungsplan von 2016 beispielsweise sieht Schulpartnerschaften vor, um Schüler_innen schon frühzeitig an das ›richtige‹ Studienfach heranzuführen und längere Studienzeiten, als sie zur Ausbildung notwendig sind, zu vermeiden. Außerdem soll das sogenannte »Service Learning« eingeführt werden, eine Art unbezahltes Praktikum im zivilgesellschaftlichen Bereich, das »soft skills« und »employability« fördern soll. Die Universitätsleitung lobt sich hier selbst für ihre Abkehr von Inhalten zugunsten der besseren Verwertbarkeit des Humankapitals.

Für die wissenschaftlichen Mitarbeiter_innen bietet die Zugehörigkeit zur Wissenschaftsgemeinschaft wenig Verbindliches. Das Bekenntnis der Universität zum »Nachwuchs« findet seine Grenze im auf ein Jahr befristeten Arbeitsvertrag. Für Promovierende mit Stipendium ist die Uni ohnehin nur ein Andockpunkt, aber auch die angestellten Wissenschaftler_innen sind viel damit beschäftigt, sich von Geldgeber_innen nachgefragte Forschung auszudenken und als Antrag aufzubereiten: »Verlangt werden operationalisierbare Hypothesen, die sich in kleinen Schritten bearbeiten lassen, nicht eigensinnige Thesen oder große Theorien. Die Anträge dürfen nicht zu viel Wissen anzeigen, da sonst eine Förderung überflüssig wäre, aber auch nicht zu wenig, weil sie dann der Förderung nicht wert wären« (Demirović 2015: 74). Die Forschenden müssen eine Balance zwischen Kooperation im Namen der Alma Mater und Konkurrenz um knappe Mittel halten: Ohnehin schon verdingen sich viele Akademiker_innen innerhalb und außerhalb der Uni mehr und mehr als selbstständige Arbeitskraftunternehmer_innen: »Das Risiko verschiebt sich zu dem, der das Werk zu schaffen hat. An die Stelle von Zeitlohn tritt Leistungsentgelt. Der Lieferant der Leistung wird Unternehmer« (Fach 2012: 116). Durch die permanente Unsicherheit und Entgrenzung der Tätigkeiten ist eine »Abschöpfung von prinzipiell grenzenloser Selbstausbeutung« (ebd.) möglich. Somit wird nicht nur immer mehr Personal aus dem Infrastrukturbereich ausgelagert, sondern für das wissenschaftliche Personal ist die Uni nur noch ein Label, auf das man zurückgreifen muss, um selbstständig zu arbeiten.

Den Hilfskräften wird der Eintritt in das Wissenschaftsnetzwerk versprochen, dessen Teil die Studierenden angeblich doch alle sind. Dafür dürfen sie jedoch keine allzu hohe finanzielle Entlohnung erwarten und werden lediglich als Sachmittel geführt. Über die prekäre materielle Grundlage der Forscher_innen spricht die Universitätsleitung meist nicht, mehr jedoch über exzellente Ergebnisse. Auch wenn zugegeben wird, dass es eine harte Konkurrenz um knappe Mittel gibt, will man diese offenkundigen Probleme noch positiv wenden und als Motivationsfaktor verstehen. Die Regierung durch Freiheit an der Universität bewegt sich zwischen dem Appell, Freiräume selbst zu gestalten, Anreizen, diese in verwertbarer Weise zu nutzen, dem Verweis auf Sachzwänge, sowie gelegentlicher autoritärer Verfügung durch die Universitätsleitung. Dennoch ist die individuelle Freiheit an der Uni nicht allein als Ideologie zu verstehen. Die Mitarbeit in wissenschaftlichen Projekten kann im Vergleich zu anderen Jobs tatsächlich inhaltlich und zeitlich selbstbestimmter sein. Wie die Sozialwissenschaftler_innen Luc Boltanski und Eve Chiapello gezeigt haben, wurden durch die Studierendenbewegung der 1968er durchaus Teile der starren Strukturen aufgebrochen, was aber zugleich zur Legitimation eines flexibilisierten Kapitalismus dient (Vgl. Boltanski/Chiapello 1999). Emanzipatorische Praxis muss deshalb ein Bewusstsein dafür schaffen, inwiefern die heutigen Zustände an der Universität auch das Resultat der Vereinnahmung früherer Proteste sind, um in Zukunft grundlegendere Veränderungen durchsetzen zu können.

 

(2)Die Frage, wie der spezifischen Formation des gegenwärtigen Kapitalismus begegnet werden kann, wurde auch in der Frankfurter (studentischen) Linken an verschiedenen Stellen aufgegriffen.Etwa: Hochschule im Neoliberalismus. Kritik der Lehre und des Studiums aus Sicht Frankfurter Studierender und Lehrender (2010) von Christoph Bauer et al. (Hrsg.); Zur Strategie des Studierendenprotestes in der gegenwärtigen Krise des Kapitals von E. Kapfinger (2012), Bildungsstreik als kollektive Verweigerung von Studienleistungen? im Semesterguide 12/13 der Campus Antifa; die Beiträge zur Diskussion der Care Revolution Bewegung vom Care* AK Frankfurt Care is the love? Einige Überlegungen zu Stärken und Fallstricken der aktuellen Debatte um Care-Arbeit; Gegen-Bügeln. Frankfurter Positionen zur Care-Revolution sowie Der kommende Aufprall (2015) von der Frankfurter Antifa Kritik und Klassenkampf (2015). Trotz teilweise divergierender Positionen plädieren dabei alle Vorschläge für eine Rückbesinnung auf Alltagskämpfe, ob im Bereich der Lohnarbeit oder der gesellschaftlichen Reproduktion, für eine verbindliche Organisierung und die Zusammenarbeit in unterschiedlichen sozialen Kämpfen. Will man die oben genannten Probleme der Universitätsangehörigen wirksam aufgreifen, dürfen diese nicht nur die allgemeinen Verhältnisse in ihrer Forschung kritisieren, sondern müssen sich selbst als Lohnabhängige verstehen, die prekären Beschäftigungsverhältnissen und institutionellen Zwängen ausgesetzt sind. Eine gewerkschaftliche Organisierung drängt sich auf. Die korporatistischen Organisationen wie ver.di und GEW richten aber (auch) an der Universität wenig aus. Sie haben es bisher nicht geschafft, die räumlich zergliederte, in verschiedenste Arbeitsverhältnisse gespaltene Universität gewerkschaftlich zu organisieren. Grund dafür ist der fehlende Druck von der Basis, der nicht durch die Aktivität eines hauptamtlichen Funktionärs für ganz Hessen kompensiert werden kann. Inhaltlich führt zudem eine Orientierung allein an Tarifverhandlungen und sozialpartnerschaftlichem Dialog dazu, dass grundlegende institutionelle Änderungen nicht in den Blick geraten. Vor diesem Hintergrund hat sich seit dem Sommersemester 2013 die Hilfskraft-Initiative als basisdemokratische Gewerkschaftsvernetzung an der Goethe-Universität etabliert. Die Initiative tagt einmal pro Woche als Basisplenum, in der Vollversammlung wählen alle Hilfskräfte Referent_innen mit imperativem Mandat, die zusammen mit den Aktiven aus der Basisgruppe konkrete Auseinandersetzungen führen und Beschlüsse umsetzen. Bislang konnte die Initiative, nach mehreren Streiks und anderen Aktionen, Lohnfortzahlungen im Krankheitsfall und eine Attestpflicht erst ab dem dritten Krankheitstag erstreiten sowie eine Lohnerhöhung um 50 Cent und die Verlängerung der Anstellungszeit von Hilfskräften von vier auf sechs Jahre durchsetzen. Darüber hinaus fordert sie einen Tarifvertrag für Hilfskräfte und eine Lohnerhöhung von drei Euro. Als Stiftungsuniversität könnte die Goethe-Uni beides umsetzen. Gleichzeitig ging es der Hilfskraft-Initiative aber um eine breitere Politisierung der Verhältnisse: Im März 2015 fanden landesweite Arbeitskämpfe von Beschäftigten im öffentlichen Dienst in Hessen statt. Die Hilfskräfte mobilisierten für zahlreiche Demonstrationen mit, um ihre Forderungen in die Tarifrunde zu tragen und zugleich andere Kolleg_innen zu unterstützen, Erfahrungen auszutauschen und Netzwerke aufzubauen. Darüber hinaus wurden bei jeder Kundgebung und Vollversammlung Streikende aus anderen Bereichen eingeladen, etwa die Gewerkschaftsmitglieder der GDL oder Lohnabhängige im Bereich Kita und Soziale Arbeit (»SUSE«-Streik). Leider wird solchen Allianzen durch die – von den DGB-Gewerkschaften unterstützte - Verabschiedung des Tarifeinheitsgesetzes entgegengewirkt. Die Zusammenarbeit in Alltagskämpfen auch über die eigenen unmittelbaren Interessen hinaus ist für grundlegende Veränderungen aber notwendig.

Ihre ersten Erfolge verdankt die Hilfskraft-Initiative also sowohl ihrer politischen Perspektive, als auch den von der Basis geführten direkten Auseinandersetzungen: Es gab zwei Warnstreiks der Hilfskräfte, das Präsidium wurde blockiert und mehrere Bibliotheken mussten aufgrund des Streiks schließen, auch einige Beratungszentren konnten bestreikt werden. Die studentischen Senator_innen beantragten im Senat der Goethe-Universität die Aufnahme der Hilfskräfte in einen Tarifvertrag. Der Antrag wurde von der Professor_innenschaft unabsichtlich, aufgrund eines Verfahrensfehlers und des Drucks zahlreicher anwesender Studierender, angenommen. Doch das Präsidium als Arbeitgeber parierte das unliebsame Ergebnis mit der Einführung einer »Task Force Hilfskräfte«, die dem Senat eine neue Stellungnahme zum Tarifvertrag vorlegen sollte. In der »Task Force« hatten die studentischen Vertreter_innen eine Stimme, die Hilfskräfte der Initiative durften den Sitzungen zwar beiwohnen, waren aber nicht stimmberechtigt. Zusätzlich zu zwei Hilfskräften der Initiative wurden zwei weitere Hilfskräfte aus den naturwissenschaftlichen Fachbereichen der Hochschule bestimmt. Dies wurde damit begründet, dass am Riedberg die Situation der Hilfskräfte eine vollkommene andere sei. Tatsächlich sind auch einige Hilfskräfte vom Riedberg selbst dieser Meinung: Sie wollen sich der Hilfskraftinitiative nicht anschließen, denn bei Problemen würden diese von Dekanaten geregelt und studentische Hilfskräfte bräuchten keine Organisierung außerhalb von Fachschaften. Auch gibt es reale Befürchtungen, dass die Forderungen am Ende doch nur zu Lasten der Studierenden gehen: Tutor_innen befürchten, dass durch Lohnerhöhungen Stellen wegfallen und so die Tutorien, ohne die Studierende kaum eine Chance hätten, Klausuren zu bestehen, voller werden. In diesen – nicht unbedingt unsolidarischen – Vorbehalten zeigen sich die Grenzen der Organisierung einer einzelnen Statusgruppe.

Ansätze einer statusgruppenübergreifenden Solidarität an der Universität gab es beim letzten Hilfskräfte-Streik im Dezember 2015. Mit einem offenen Brief unterstützte das wissenschaftliche Personal die Forderungen der Hilfskräfte (vgl. https://hilfskrafthilfe.wordpress.com/). Am Tag des Streiks gab es nach Gesprächen auch einen Unterstützungsbrief von Mensa- und Pfortenmitarbeiter_innen. Solche spontane Zusammenarbeit will der unter_bau in eine kontinuierliche Arbeit und Organisation überführen. Eine statusgruppenübergreifende politische Gewerkschaft eröffnet die Möglichkeit, strukturelle Probleme der Studienorganisation und der Arbeitsbedingungen anzugehen. Das Interesse der Studierenden an guter Prüfungsvorbereitung etwa kann nur durch ausreichend finanzierte Lehre erfüllt werden.

Das Präsidium hingegen will diese Forderungen gegeneinander ausspielen, indem es sie mit dem Gemeinschaftslabel ›Goethe-Universität‹ verdeckt: Nach dieser Ideologie können Konflikte an der Universität nicht den antagonistischen Charakter aufweisen, den sie in anderen Lohnarbeitsverhältnissen haben mögen und können innerhalb der Community deliberativ und einvernehmlich gelöst werden. Die Arbeit der Hilfskräfte wird dabei negiert: Sie wird als reine Weiterbildungsmöglichkeit beschönigt, in der Annahme, dass Studierende diese Jobs auch nur aus diesem Grund antreten und nicht etwa aufgrund der Notwendigkeit Geld zu verdienen. Auf der anderen Seite werden Hilfskräfte dann aber als enormer Kostenfaktor dargestellt, wenn es heißt, dass eine Lohnerhöhung den Haushalt sprengen würde.

Die Hilfskraft-Initiative hatte zwar versucht, mit Informationsveranstaltungen am Campus Riedberg auf die Studierenden und Hilfskräfte zuzugehen, die disziplinäre und räumliche Trennung der Universität zieht aber Spaltungen nach sich, die sich nur langsam aufbrechen lassen. Die Fachschaften in den Naturwissenschaften verstehen sich selten als politische Organe, sondern mehr als Servicedienste für Studierende. Einige einzelne Fachschaftler_innen versuchen dies zu durchbrechen, befinden sich jedoch bisher in der Minderheit.

Dementsprechend fiel das Ergebnis enttäuschend aus: Die »Task Force« tagte insgesamt neun Monate lang und brachte außer einer Ablehnung des Tarifvertrags, einem_r Obmann_frau für Hilfskräfte und einer unverbindlich versprochenen Lohnerhöhung im Jahre 2017 keine weiteren Verbesserungen für die Hilfskräfte. »Die Universität möchte keinen Präzedenzfall schaffen, sondern das Land Hessen ist aufgerufen, das Problem zu lösen«, so der Kanzler der Universität, der danach die Verhandlungen ohne Vorlage eines Angebots abbrach.

 

(3)Der unter_bau will der vermeintlichen Interessenidentität eine solidarische Kollektivität von unten entgegensetzen. Der neoliberalen Logik kann nur begegnet werden, indem zugleich an den eigenen Subjektivierungsweisen und den Institutionen, die sie anregen, angesetzt wird. Dieses »Zusammenfallen des Ändern[s] der Umstände und der menschlichen Tätigkeit oder Selbstveränderung« hat Marx in den Feuerbach-Thesen als »revolutionäre Praxis« bezeichnet(Marx [1845]: 5f.). Der unter_bau schlägt eine basisgewerkschaftliche Organisation vor, die die konkreten Arbeitsbedingungen mit der allgemeinen Arbeitsorganisation, der Hochschulpolitik und emanzipatorischer Bildungsarbeit verknüpft. Dies soll eine radikale Transformation hin zu einer Universität ermöglichen, an der Forscher_innen selbstbestimmt und jenseits der Erfordernisse des Marktes inhaltlich arbeiten können. Ohne konkrete Kämpfe um Verbesserungen und alternative Strukturen wird die Lage nicht nur prekär bleiben, sondern werden Land und Präsidium weiter an (Personal-)Kosten sparen und den an der Universität Tätigen ihre Arbeit als Selbstverwirklichungsprogramm verkaufen.

In festen Basisstrukturen, die Entscheidungen auf Grundlage gemeinsamer inhaltlicher Auseinandersetzungen treffen und die Inhalte selbst umsetzen, sieht der unter_bau nicht nur den Ansatzpunkt für eine andere Gewerkschaft, sondern den Keim für eine Universität in Selbstverwaltung, in der kein Platz mehr ist für Repräsentativstrukturen mit ihrer (profitorientierten) Eigenlogik. Durch eine solche Organisation sollen Hochschulmitglieder aller Statusgruppen am Puls der konkreten Probleme selbst aktiv werden, ohne alsbald vom Präsidium als Innovationsprojekt vereinnahmt zu werden, wie es etwa bei der Gründung einer Promovierendeninitiative im Sommersemester 2015 der Fall war: Das Präsidium versuchte diese gleich mit der Etablierung einer ›Early Researcher AG‹ an sich zu binden, die die »Entwicklung des eigenen Karriereprofils« (GoetheSpektrum 4/2015: 2) ins Zentrum stellt.

Um tatsächlich grundlegende Veränderungen zu erreichen, bietet der unter_bau einerseits den Statusgruppen Strukturen, mit denen sie ihre spezifischen Interessen durchsetzen können, – dies ist die primär gewerkschaftliche Arbeit. Andererseits bildet er die institutionelle Gliederung der Hochschule ab, um sie reorganisieren zu können, – dies ist die primär politische Komponente. So entsteht ein föderales Geflecht, durch das gemeinsame Interessen artikuliert werden können und das der Trennung von Politik und Ökonomie entgegenwirkt. Dies ermöglicht einen Austausch der sonst vereinzelten Mitglieder des Großbetriebs Goethe-Universität, in dem vermeintlich persönliche Probleme zu den strukturellen Zwängen wie Leistungsdruck in Bezug gesetzt und ein gemeinsames Vorgehen erarbeitet werden können. Auch die hochschulspezifischen Erscheinungsformen von Spaltungen wie Rassismus und Sexismus können auf diesem Wege thematisiert und gemeinsam angegangen werden. Dies eröffnet eine Perspektive der eigenen gesellschaftlichen Position und die Möglichkeit, eine reflektierte Distanz zum Universitätsalltag zu erlangen, die grundlegende Veränderungen denkbar und wünschenswert macht. Gemeinsame Ziele und Aktionen werden dann wie bei der Hilfskraft-Initiative basisdemokratisch beschlossen und koordiniert. Zwischen den Versammlungen setzen an imperative Mandate gebundene Personen, die der Basis gegenüber rechenschaftspflichtig sind, die konkreten Beschlüsse um.

Als politische Hochschulgewerkschaft soll der unter_bau ein gemeinsames Nachdenken über die Funktion der Hochschule in der Gesellschaft, ihre Kritik und alternative Forschungs- und Lernansätze anregen. Eine stärkere Teilhabe an der Bildungsinstitution Hochschule für alle könnte durch eine offene Alternativuniversität ermöglicht werden. Wenn die Verbindung zwischen der Hochschule als Ausbildungsstätte und den Bereichen der Gesellschaft, in denen das produzierte Wissen genutzt wird, erkannt wird, lassen sich Verknüpfungen zu anderen politischen Kämpfen herstellen. Auch aufgrund der prekären Beschäftigungsverhältnisse ist die Universität für viele nur eine Zwischenstation. Sie arbeiten nach dem Studium, der Promotion oder dem Ende ihrer Anstellung in einem anderen Kontext. Die Organisierung soll damit aber nicht enden. Die Gewerkschaft soll Verbindungen mit anderen Arbeitsbereichen pflegen. Auch die Tatsache, dass ein Großteil der Studierenden nicht an der Hochschule, sondern parallel an anderen Stellen beschäftigt ist, kann es ermöglichen, eng mit Aktivist_innen und Gewerkschaften in anderen Bereich zu kooperieren und dem Druck, sich in der Konkurrenz zu vereinzeln, auf breiterer Basis entgegenzuwirken. Somit wird ein solidarisches Miteinander erahnbar, in dem sich die Aktiven gegenseitig inspirieren und unterstützen, statt sich zu bremsen – und damit ein konkretes Gegenbild von Wissenschaft jenseits der identitären scientific community.

 

unter_bau – basisdemokratische Hilfskraftsinititiative an der Goethe-Universität

 

*.lit

Boltanski, Luc /Chiapello, Eve (2003 [1999]): Der neue Geist des Kapitalismus. Konstanz [Paris].

Demirović, Alex (2015): Wissenschaft oder Dummheit? Über die Zerstörung der Rationalität in den Bildungsinstitutionen, Hamburg.

Fach, Wolfgang (2012): Staatskörperkultur. Ein Traktat über den ›schlanken Staat‹, in: Bröckling, Ulrich et al. (Hg.): Gouvernementalität der Gegenwart. Studien zur Ökonomisierung des Sozialen. Frankfurt am Main.

GoetheSpektrum (2015): Mitarbeitermagazin der Goethe-Universität 4.

Marx, Karl (1969 [1845]): Thesen über Feuerbach, in: MEW 3, Berlin.

Rose, Nikolas (2012): Tod des Sozialen. Eine Neubestimmung der Grenzen des Regierens, in: Bröckling et al.(Hg.): Gouvernementalität der Gegenwart. Studien zur Ökonomisierung des Sozialen. Frankfurt am Main.

 

*.notes