Vielleicht bedarf es keiner allzu großen Anstrengung, um zu dem Gedanken vorzudringen, dass der gegenwärtige Zustand der Welt eine einzige Farce, eine nicht enden wollende Aneinanderreihung schlechter Scherze ist. Dass etwa die meisten Menschen ihre persönliche Selbstverwirklichung darin suchen, die eigene Arbeitskraft zu möglichst günstigen Ausbeutungsbedingungen feilzubieten, dabei jeden noch so aufreibenden und ideologisch überformten Konkurrenzkampf mitzumachen, und notfalls auf die Güte staatlicher Behörden zu hoffen, kann doch eigentlich nur mit einem Lachen oder Kopfschütteln registriert werden.

Am eindrucksvollsten hat uns dies wohl Karl Marx vorgeführt, der in keiner seiner Schriften auf spöttische Kommentare, verschriftlichte Auslacher und vernichtende Polemiken verzichten wollte oder konnte. So beschreibt er die deutschen Zustände seiner Zeit als mehr denn lächerlich und unter aller Kritik. Die bürgerlichen Revolutionsschübe in Frankreich Mitte des 19. Jahrhunderts, die im bonapartistischen Umschlag mündeten, verspottete er als ein einziges, vorhersehbares Puppentheater. Und die bürgerliche Epoche im Ganzen gehörte für ihn zur »ganze[n] alte[n] Scheiße«Marx, Karl/Engels, Friedrich: Die Deutsche Ideologie, MEW 3, Dietz, Berlin 1978, S. 35 [1845/46]., deren Selbstverständnis als »wahres Eden der angebornen Menschenrechte«Marx, Karl: Das Kapital. Band 1, MEW 23, Dietz, Berlin 2008, S. 189 [1867]. er in nur allzu sarkastischem, zwiespältigem Ton zu beschreiben vermochte.

Dass spöttischer Humor hier zur Waffe der Kritik wird, ist mit Sicherheit einerseits dem rhetorischen Geschick der Person Marx zu verdanken. Vielleicht drückt sich darin aber auch der Umstand aus, dass der Humor in der Sache selbst begründet liegt: die Welt als Witz. Adorno hat diesen Gedanken einmal treffend auf den Punkt gebracht, als er schrieb, dass die Gesellschaft den Subjekten »allzu peinlich« sein müsste, sobald sie »als geschlossenes und darum den Subjekten unversöhntes System«Adorno, Theodor W.: Negative Dialektik, in ders.: Gesammelte Schriften. Band 6, Suhrkamp, Frankfurt/Main 2003, S. 34 [1966]. durchschaut würde. Und peinlich kann eine Sache nur sein, über die man lachen könnte, wäre man ihr nicht ausgeliefert und für sie verantwortlich. Das Schamgefühl, vor allem aber das später einsetzende Lachen über den reichlich dämlichen Zustand der Verhältnisse, wäre dann zumindest ein möglicher Ausgangspunkt für Selbstbesinnung, Kritik und die Hoffnung auf Verhältnisse, in denen dieses Schamgefühl obsolet wäre. Humor wäre in diesem Sinne als Teil einer emanzipativen Praxis zu verteidigen.

Das distanzierte Lachen über die »Absurdität der Verhältnisse« begibt sich aber in die große Gefahr, Humor im bloßen Zynismus aufgehen zu lassen und sich gegen Schamgefühl und Peinlichkeit abzudichten.

Was gibt es schon zu lachen in einer Welt, die über ein unerschöpfliches Repertoire an Zwang, Herrschaft, Gewalt, Wahn, Unterdrückung und Elend verfügt und das Leben so vieler Menschen zur Hölle, in vielen Fällen sogar zunichtemacht? Die Grenzen einer humorvollen, satirischen, ironischen Kritik treten allzu deutlich hervor, wenn es etwa um staatliche Abschiebepraktiken, Nazis, rassistische und antisemitische Mordlüste, sexualisierte Gewalttaten oder die Situation wohnungsloser Menschen geht. Allzu leicht kann sich der Spott über diese Zustände in eine Verharmlosung des Leids der Opfer verwandeln. Sofern gut gemeinter Humor dazu beiträgt, das menschliche Elend nur noch schlimmer, weil für einen selbst ertragbarer zu machen, sofern er mit der Abwehr des Unaushaltbaren eher die Bewältigung und Bejahung desselben betreibt, wäre er selbst zum Gegenstand der Kritik zu machen.

Doch das Problem des Humors stellt sich nicht nur auf diese Weise, nicht nur als Frage nach seiner gesellschaftskritischen Aneignung. Was ebenso ins Auge springt, ist die Frage, wie mit der gesellschaftlich vorherrschenden Gestalt des Humors, mit den ganzen Lachkonzerten von Stammtisch bis Comedy-Show umzugehen sei. Denn abgesehen davon, dass die unzähligen Absurditäten des gesellschaftlichen Alltags von den meisten Menschen vollkommen affirmiert, für todernst genommen werden, klopft man sich ja trotzdem überall fröhlich auf die Schenkel. Und in der Art und Weise wie dies geschieht, worauf und wogegen das Gelächter gerichtet ist, zeigt sich die ganze Brutalität des Bestehenden. Man muss wohl nicht erst die zahlreichen, sich im Umlauf befindenden homophoben Witze nennen, um diesen Gedanken plausibel zu machen. Wenn man dementsprechend davon ausgeht, dass sich im Alltagsphänomen Humor die ganzen bestehenden Gesellschaftsverhältnisse einschreiben, widerspiegeln und verdoppeln, dann ist nicht nur diese Welt nicht zum Lachen, sondern ebenso wenig ihr Humor.

Man kann hier vielleicht sagen, dass dem modernen Humor eine Dialektik innewohnt, die ihrerseits auf das Verhältnis von Selbsterhaltung und Autonomie verweist. Drückt Humor den beschränkten Drang der bürgerlichen Subjekte nach (Selbst-)Zufriedenstellung aus, so schlägt er dort in Schadenfreude, Abwertung und Menschenverachtung um, wo die systematische Unerfüllbarkeit dieses Drangs nicht reflektiert, sondern regressiv verarbeitet wird. Wenn die gesellschaftlichen Verhältnisse den Humor und die sich seiner bedienenden Subjekte derart »verderben«, dann stellt sich also wiederum die Frage nach dem Verhältnis von Humor und Gesellschaftskritik.

Das Hin- und Herschwanken des Humors zwischen Kritik und Affirmation, zwischen Subversion und Regression, der Beitrag des Humors entweder zur Unterwanderung oder zur Verdopplung gesellschaftlicher Herrschaft, die Gratwanderung zwischen den Potentialen und Grenzen des Humors als emanzipativer Strategie – all dies sind wesentliche Fragen und Probleme, mit denen wir uns im Rahmen der Vorbereitung und Ausarbeitung dieses Heftes konfrontiert sahen. Dabei war uns im Vorfeld klar, dass das Ergebnis alles andere als vollständig sein wird, insofern ein Heft in diesem Umfang schließlich lediglich einige Schlaglichter auf den Gegenstand werfen kann. Dies hat aber auch damit zu tun, dass wir auch diesmal wieder mit den alltäglichen Problemen und Kompromissen und den sich hieraus ergebenden Missverhältnissen zwischen Anspruch und Resultat zu kämpfen hatten, die sich im Rahmen einer nichtentlohnten und nichtentlohnenden redaktionellen Arbeit ergeben. Nichtsdestotrotz hoffen wir, mit diesem Heft ein paar anregende Überlegungen unserer Autor_innen zum Verhältnis von Humor und Gesellschaftskritik zur Diskussion stellen zu können.

 

Mit Thomas Ebermann haben wir über die Möglichkeiten und vor allem die Grenzen von Satire als Mittel der Gesellschaftskritik gesprochen. Der Titel des Interviews, Die Zerstreuung ist der Feind, deutet auch eine zentrale These an, die dabei thematisiert wird: dass gute Satire auch bedeuten muss, die Satire nicht in rein affirmative Zerstreuung kippen zu lassen.

Charly Außerhalb begibt sich in einem weniger naheliegenden Feld auf die Suche nach den Spuren des Humors: in der Architektur Ferdinand Kramers. Am Beispiel einiger, einst durch die Goethe-Universität Frankfurt genutzter Gebäude, zeigt er auf, wie Kramer im Rahmen seiner Auftragsarbeiten Spuren des funktionalistischen Humors hinterließ.

Einer der problematischen Seiten des Humors widmet sich Aylin Kortel in ihrem Artikel Rassismus mit Humor nehmen?: dem Humor, der sein »Vergnügen« aus der Verknüpfung von Witztechnik und Alltagsrassismus zieht. Dabei macht sie deutlich, dass es durch Humor möglich wird, abwertende und ausgrenzende Formulierungen zu äußern, die in einem ernsten Rahmen sanktioniert oder zumindest mit einer hochgezogenen Augenbraue kommentiert würden.

Stefan Wedermann wiederum stellt in Auseinandersetzung mit der Veranstaltung Queer Prom die Frage nach dem emanzipativen Potential des Humors, das sich im Austesten von Grenzen und der Erweiterungen von Möglichkeitsräumen zeigen kann. Dabei interessiert ihn, inwiefern mittels Parodie und Wiederholung gesellschaftlich tradierte Geschlechterrollen aufgebrochen und neuverhandelt werden können.

Im Interview mit Benjamin Ortmeyer steht zunächst der Begriff des Humors zur Debatte. Ortmeyer argumentiert für eine Trennung in Witztechnik und »echten Humor« – mit dieser Unterscheidung analysiert er die Verwendung von Karikaturen und Witzen im Nationalsozialismus ausgehend von der aufklärerischen, emanzipatorischen Funktion, die er dem Humor sowohl in der Politik als auch in der Pädagogik mit Rückgriff aus Freud beimisst. Nazis, so Ortmeyers These, »haben keinen Humor«.

Christiane Voss fragt nach dem spezifischen kritischen Gehalt des Humors. Weder Sinn noch Unsinn sei Humor, stattdessen eine Art Eigen-Sinn, der normative Raster und Erwartungen durchbricht und einen unabschließbaren Prozess des Perspektivwechsels in Gang bringt. Gegen kognitive Formen der Kritik macht sie die affektive Grundierung und ästhetische Kraft des Humors als Meta-Medium der Kritik stark.

Wie sich heutzutage eine Kultur des Unernstes, in dem Lachen geboten und Aufklärung zur Belästigung wird, zur geschichtlichen Bewegung verhält, diskutiert Georg Seeßlen in seinem Artikel. Ausgehend von der Diagnose, dass das Lachen über die Welt selten mehr ist als ein Einrichten in ihr, lotet er das Feld von kritischem Humor und Lachindustrie aus.

Abschließend wollen wir uns bei Oli Schupp bedanken. In den letzten Jahren war er für die Gestaltung des Heftes zuständig. Sowohl die Gestaltung als auch seine Arbeitsweise und Empathie gegenüber der Redaktion haben jedes Mal maßgeblich zum Gelingen des Heftes beigetragen. Vielen Dank, Oli!

Ebenso danken wir allen Autor_innen ganz herzlich für ihr Engagement und wünschen bei der Lektüre dieses Heftes viel Erkenntnis – und insbesondere etwas, das uns selbst auf den vielen Durststrecken in der Heftausarbeitung bei Laune gehalten hat: »Geduld und Ironie« (Agnoli).

 

Eure Redaktion