Einweihen, Bewältigen, Wohlfühlen
»Es ist mir eine große Freude und Ehre, daß wir das Ereignis der Einweihung des IG Farben-Gebäudes mit einer so großen Zahl bedeutender Persönlichkeiten aus nah und fern feiern können.« (Rudolf Steinberg) Zu diesen für den Universitätspräsidenten bedeutenden Persönlichkeiten zählten die Überlebenden des Zwangsarbeiterlagers der IG Farben in Buna-Monowitz nicht, dabei ging es am 26. Oktober doch um die Eröffnung des ehemaligen Hauptsitzes der IG Farben als neuem Gebäude der Universität Frankfurt.
Bei der vorangegangenen Einweihung einer Gedenktafel am Eingang des Gebäudes begrüßte Steinberg noch die wenigen Überlebenden, die zur Zeremonie erschienen waren. Er räumte ihnen jedoch keine Möglichkeit ein, an diesem Orte zu reden, weshalb viele nicht kamen.
An das IG-Farben Gebäude als amerikanisches Hauptquartier erinnerte General a. D. Joulwan; den Grund amerikanischer Anwesenheit in Deutschland gab Roland Koch der nationalen Verdrängung anheim. Er sprang von der Universitätsgründung im Kaiserreich in die Nachkriegszeit. Gut, dass der Großteil seiner Rede durch studentische Proteste unhörbar gemacht wurde. Ruth Wagner, hessische Ministerin für Wissenschaft und Kunst, hingegen verschweigt nicht die Vergangenheit, sondern findet den Anschluss:
»Gerade in Zeiten, in denen die gesellschaftlichen und politischen Umbrüche uns zu überwältigen scheinen, ist es gut, sich unserer Geschichte, unserer Herkunft, unseres kulturellen Erbes, unseres geistigen und emotionalen Hintergrunds zu versichern. Dieser Ort ist in besonderer Weise dafür geeignet«
Wie gut der Ort sich auf das Erinnerungsvermögen von Frau Wagner auswirkt, zeigt sich u. a. darin, dass sie sich nur an das Versprechen für eine Gedenktafel erinnert (was durch Druck von Überlebenden und Studierenden eingelöst werden musste), aber das andere Versprechen, noch einmal die Überlebenden von Buna-Monowitz nach Frankfurt einzuladen nicht mehr erwähnt. Gerade ein solches Treffen der Überlebenden in Frankfurt, das u. a. für Zeitzeugengespräche mit SchülerInnen und Studierenden dienen könnte, bleibt eine uneingelöste Forderung, für die sich die ›Initiative Studierender im IG Farben Gebäude‹ weiter einsetzen wird.
Schon bisher ging die Initiative, sich mit der Geschichte des IG Farben Gebäudes auseinanderzusetzen, nur von Studierenden aus – meist gegen den Widerstand der Universitätsleitung. Die Einrichtung der von der Universitätsleitung nun so gefeierten Dauerausstellung im IG Farben Gebäude geht auf einen studentischen Konventsantrag vom Januar 1999 zurück, ebenso wie die Festlegung auf den Namen »IG Farben Gebäude« – wobei letzteren Beschluss zu unterlaufen sich auch die neue Unileitung und ihr Presseorgan UniReport alle Mühe gibt: Das »Poelzig-Ensemble« auf dem »Campus Westend«.
Es kann nicht darum gehen, Geschichte als einmal Festgeschriebene zu erfahren, sie durch Fensterchen, als Plexiglastafeln einer Ausstellung materialisiert, zu betrachten. Nur immer erneute Begegnung mit der Geschichte kann der von Koch u. a. vollzogenen Verdrängung der Geschichte entgegenstehen.
»Der Widerstand kann nur vorangebracht werden, indem man sich eine historische Quelle nicht als ein Fenster, durch das die Vergangenheit, so ›wie sie wirklich war‹, gesehen werden kann, sondern vielmehr als eine Mauer vorstellt, die durchbrochen werden muss, wenn dem ›Schrecken der Geschichte‹ direkt begegnet und die Angst, die sie einflößt, zerstreut werden soll.«
Nur durch Auseinandersetzung und nicht Verdrängung, kann dem Schrecken vor dem, was geschah und damit geschehen kann, begegnet werden.
Wir werden in den kommenden Monaten Veranstaltungen zu der Geschichte der IG Farben organisieren. Doch ebenso werden wir uns damit auseinandersetzen, dass es IG Farben immer noch gibt, seit mehr als 50 Jahren in Abwicklung. Dieser Überrest des einstigen Konzerns – nachdem BASF, Bayer und Höchst ausgegliedert worden waren –, macht immer noch Versuche ehemaliges Firmenvermögen zurückzuerhalten und sorgt sich um das finanzielle Wohlergehen der IG Aktionäre. Das ›bundesweite Bündnis gegen IG Farben‹ arbeitet schon seit Jahren für die wirkliche Auflösung der IG Farben, ein Protest, dem wir uns anschließen. So sprach auf der alternativen Eröffnungsveranstaltung am 26.10. 2001 Peter Gingold als Vertreter des ›Bündnisses gegen IG Farben‹. Wir fordern die sofortige Auflösung von IG Farben in Abwicklung und eine Verwendung des verbliebenen Geldes zur Entschädigung der ehemaligen Zwangsarbeiter und zum Erhalt der Gedenkstätte Auschwitz.
Zum Abschluss sei Micha Brumliks Vorschlag der Benennung des Uni-Vorplatzes nach dem Mann, der Anfang der 50er Jahre als Überlebender von Buna-Monowitz einen Prozess gegen verantwortliche IG Manager anstrengte, unterstützt: »Wir hätten es dann künftig mit dem geisteswissenschaftlichen Campus der Johann Wolfgang Goethe Universität im IG Farben Gebäude, Norbert-Wollheim-Platz 1 zu tun.«
Initiative Studierender im IG Farben Gebäude
Erstmals erschienen in: diskus. Frankfurter Studierendenzeitschrift, (03/2001).