Prozess gegen Franco A.: Das Märchen vom friedlichen Patrioten geht weiter
Der zweite und dritte Prozesstag im Prozess gegen Oberleutnant Franco A. zeigen, dass die Befürchtung, der Angeklagte könnte den Prozess als seine Bühne nutzen, berechtigt waren. Beide Prozesstage sind geprägt von langen Monologen des Angeklagten, in denen er seine extrem rechte und verschwörungsideologische Gesinnung als harmlose Neugier und bürgerlichen Patriotismus zu verkaufen versucht. Alles in allem handele es sich um ein großes Missverständnis und der Vorwurf, aus „völkisch-nationalistischer Gesinnung heraus“ einen Anschlag geplant zu haben, sei bloß eine Legende.
Der Rassismus der bürgerlichen Mitte
Der zweite und dritte Prozesstermin sind geprägt von den ausführlichen und teilweise ins Belanglose ausufernden Einlassungen von Franco A. Seine erste Einlassung, am zweiten Prozesstag, beginnt zunächst mit einer Entschuldigung, die er im weiteren Verlauf des Vortrags wieder und wieder relativieren wird. Das Recht durch den falschen Antrag auf Asyl und den Besitz von „Dingen“ gebrochen zu haben, tue ihm leid, denn die Unterordnung unter geltendes Recht bedeute für ihn Freiheit. Doch, so führt er fort, wäre dieses Recht im Jahr 2015 zuerst durch die führenden Politiker_innen Deutschlands gebrochen worden, weshalb sein Rechtsbruch wiederum legitimiert sei.
Seine Einlassung stützt er unter anderem auf lange Passagen aus dem Parteiprogramm der CDU aus dem Jahr 2004. Die Stellen, die er vorträgt, bilden den rassistischen Nährboden, auf dem seine Ideologie des „großen Austausch“ aufbaut: Es geht um „Identitätsbildung“, zu vermeidende „Parallelgesellschaften“ und darum, dass „mehr Zuwanderung nicht zu verantworten ist“. Unter dem Titel „Identität bewahren“ wird im CDU-Programm genau die Vorstellung von Identität heraufbeschworen, in der eine Grenze zwischen „uns“ und „den anderen“ gezogen wird.
Die Süddeutsche Zeitung kritisiert in ihrem Kommentar seine Schuldverschiebung von ihm zur Bundesregierung, da sein Vertrauen in ihre Politik „erschüttert“ gewesen sei. Das ist allerdings nur die halbe Wahrheit, denn es zeigt sich vor allem, dass A. kaum eigene Worte für die politischen Motive seiner Tat finden musste, sondern diese wörtlich aus dem Parteiprogramm der CDU zitieren kann. Der rassistische Diskurs rund um eine deutsche Identität, die in Abgrenzung zu den „Zugewanderten“ ein festes Konzept bildet, findet auch in den bürgerlichen Parteien einen Nährboden.
Die Strategie der Selbstinszenierung
Sich selbst inszeniert Franco A. dabei als denjenigen, der das Unrecht der Bundesregierung ab einem gewissen Punkt nicht mehr ausgehalten habe. „Zivilcourage und soziales Verhalten“ hätten ihn dazu getrieben, unter falschem Namen einen Asylantrag zu stellen, um „sich ein eigenes Bild zu machen“. Alles Weitere, so schließt Franco A. die Schilderung seines Antrags auf Asyl, sei „Legende“. Dieses Narrativ schließt an die Darstellung durch seine Anwälte am ersten Prozesstag an und ist Teil seiner Medienstrategie: Er überhöht sein Handeln zu einer fast sagenhaften Geschichte, wie er das deutsche Asylsystem unterwanderte. Franco A. gibt vor sich zu entschuldigen und schiebt doch die Verantwortung anderen zu. Den Asylantrag versucht er als eine spontane Idee darzustellen, etwas, dass er einfach mal getan habe, weil er gerade zehn Tage Urlaub hatte. Auch hier beschreibt er den Hergang sowohl als intuitiv, als auch als „glückliche Fügung“: Als sei es etwas Höheres, dass ihn angetrieben habe.
Alles nur ein Missverständnis
Aufgrund der vagen Äußerungen in A.s Einlassung zu den eigentlichen Tatbeständen prophezeit Richter Koller vor dem dritten Verhandlungstag eine „sehr lange Hauptverhandlung“. Der Ankündigung, die Beweisaufnahme müsse ausführlich weitergeführt werden, kommt Franco A. jedoch mit einem unangekündigten Teilgeständnis zuvor. Er gibt den Besitz der Pistole, der Munition und der „Knallkörper“ - wie er die 51 Übungshandgranaten und Gas- und Nebelgranaten verharmlosend bezeichnet - zu, bestreitet jedoch die Absicht zur Verwendung im Sinne einer „schweren staatsgefährdenden Straftat“. Weiterhin räumt er die widerrechtliche Annahme von Geldmitteln während seiner Darstellung als Asylbewerber ein.
Neben allerlei belanglosen Plaudereien, berichtet er von Besuchen bei verschiedenen Autoren – unter anderem beim rechten Verschwörungsideologen David Icke auf der britischen Isle of Wight sowie einem „Völkerkundler aus dem Schwarzwald“, dessen Name er nicht nennen möchte. Indem er rechte Verschwörungstheoretiker wie Icke als interessant und diskussionswürdig darstellt, bedient A. zugleich die Erzählung eines unvoreingenommenen, neugierigen Bürgers, zeigt aber auch, wer in diesem Prozess auf der Anklagebank sitzt: Ein Rechtsextremist, der sich gezielt mit antisemitischen Verschwörungsideologien beschäftigt.
Rassismus als eine Sache des Framings
Im Zuge seiner zweiten Einlassung stellt der Richter einige Rückfragen zur politischen Gesinnung des Angeklagten. So fragt er ihn, inwiefern er seine eigene Haltung als völkisch und rassistisch bezeichnen würde, da dies die Einschätzung der Gutachter_innen der Elitehochschule Saint-Cyr gewesen sei, mit der sie seine Masterarbeit abgelehnt hätten. Franco A. antwortet darauf, er könne zwar nachvollziehen, dass die Gutachter_innen auf Grund seiner einseitigen Darstellung zu diesem Urteil kommen, allerdings handele es sich dabei – wie so oft – um ein bedauerliches Missverständnis. Zwar hält er daran fest, dass es „abstammungstechnisch Unterschiede zwischen den Menschen“ geben würde, diese seien für ihn aber nicht entscheidend. Ein Rassist sei man dagegen erst, wenn man diesen Unterschieden eine zu hohe Bedeutung beimesse. Er vertrete also keine völkischen Einstellungen und auch ein Rassist sei er nicht, wobei er in seinen Ausführungen einfach den Begriff der „Rasse“ durch „Ethnie“ ersetzt und dadurch versucht, seine rassistische Gesinnung salonfähig zu machen. Damit bedient er wiederum den rassistisch-identitären Diskurs, den er bereits am Prozesstag zuvor dem CDU-Parteiprogramm entnommen hatte.
Die Hard Facts: Rassistische Chatverläufe, rechte Propaganda und Waffen
Neben den Einlassungen von Franco A ist in der zweiten Prozesswoche besonders die Zeugenaussage eines Beamten des Bundeskriminalamtes (BKA) interessant. Dieser war Leiter der durch die Staatsanwaltschaft in Auftrag gegebenen Ermittlungen gegen Franco A. und soll einen ersten Überblick in die Ermittlungsergebnisse liefern. Vieles von dem, was er berichtet ist der Öffentlichkeit bereits bekannt. Es geht zum Beispiel um den Inhalt des USB- Sticks, der bei der Festnahme am Wiener Flughafen in A.s Gepäck sichergestellt wurde. Darauf finden sich unter anderem das Mujahideen Explosives Handbook, ein Buch der Reihe Der totale Widerstand von Hans von Dach und zwei Video Clips mit rechter Propaganda.
Des Weiteren gewährt der Beamte Einblicke in diverse Chatverläufe von A.s persönlichem Smartphone, das nach der Festnahme im Februar 2017 durchsucht wurde. Eine Unterhaltung mit seinem engen Bekannten Mathias F. ist dabei besonders brisant. Nachdem A. ihm ein Video aus einer Geflüchtetenunterkunft schickt, äußert Mathias F. rassistische und menschenverachtende Gewaltvorstellungen. A. antwortet darauf, F. solle sich vorerst beruhigen und sich das „für später aufheben“. Darüber hinaus wird die Telegramchatgruppe „Süd“ erwähnt, in die A. über einen Waffenhändler aus München aufgenommen wurde. Sie ist Teil des rechten Prepper-Netzwerks rund um den KSK Soldaten André S. und den von ihm gegründeten Verein Uniter. Mit ebenjenem Waffenhändler hat sich Franco A. zum Schießen an einem Schießstand getroffen und sich bei ihm und diversen anderen Personen nach der Beschaffung von Waffen erkundigt. Ein weiterer Schwerpunkt der Ermittlungsergebnisse sind die Ergebnisse verschiedener Hausdurchsuchungen. Dabei ist besonders spannend, was nicht gefunden wurde: Laut Zeugenaussagen befinden sich noch drei Waffen im Besitz von Franco A., die bis heute nicht aufgefunden wurden.
Fazit: Fakten gegen die Legendenbildung
Über die zweite Prozesswoche hinweg hat Franco A. versucht, sich als neugierigen, rechtsschaffenden Staatsbürger zu inszenieren, der den Dingen investigativ auf den Grund gehen wolle. Seine extrem rechte Gesinnung formuliert er so, dass sie an den gesellschaftlichen Diskurs der Mitte anknüpfen kann. Er gibt sich verständnisvoll, kann sowohl das „Missverständnis“ um seine Masterarbeit, als auch die strafrechtlich relevanten Vorwürfe gegen ihn grundsätzlich nachvollziehen – die ursächliche Schuld liege jedoch bei der Bundesregierung.
Die Präsentation der Ermittlungsergebnisse macht jedoch den krassen Kontrast zwischen der von ihm erfundenen Erzählung, vom missverstandenen, pflichtbewussten und leicht naiven Oberleutnant, zu den handfesten und schwer belastenden Vorwürfen deutlich. Die Verteidigungsstrategie A.s wirkt ob der vorgebrachten Anschuldigungen aberwitzig. Sein Teilgeständnis berührt die gewichtigen Punkte der Anklage nicht. Einer Konfrontation mit den tatsächlichen Fakten weicht er mit ständigen Verweisen auf Metaebenen und auf die Schuld der Bundesregierung aus. Auch in der zweiten Woche zeigt sich, dass der Angeklagte den Prozess als Bühne für seine Selbstdarstellung und seine politischen Botschaften nutzt. Aufgabe des Gerichts wäre es, seine Erzählung zu kontextualisieren und diese Inszenierung zu verhindern.