über die Geschichte, die Entstehung und Verfolgung des Sozialistischen Patientenkollektivs in Heidelberg orientiert der nachstehend abgedruckte Text, der dem demnächst erscheinenden Buch „SPK aus der Krankheit eine Waffe machen, Vorwort von J. P. Sartre", Trikont München 1972, entnommen ist. Gegen den „harten Kern" des SPK, unter der „Rädelsführerschaft" von Dr. med. Wolfgang Huber, hat die Bundesanwaltschaft Anklage wegen § 129 (im Zusammenhang mit der Roten Armee Fraktion) und einer Reihe anderer Paragraphen erhoben.

über die einzelnen Abläufe der beispiellosen Hetzkampagne einer konzertierten Aktion von Universitätsadministrationen, Professoren der Medizin, Lokalpresse, örtlicher Polizei und Bundessicherungsgruppe, die ihre jahrelangen Mißerfolge in Sachen Baader-Meinhof durch die spektakuläre Zerschlagung des SPK verdecken wollte, geben die beiden Dokumentationen zum SPK Auskunft. Bezug -. Polit-Buchvertrieb, 63 Gießen, Postfach 2969.

Ein anderes ist es mit der Theorie des SPK. Sie bedient sich sowohl der hegelschen Dialektik, so wie sie in dessen „Logik" ihren Niederschlag gefunden hat sowie der Kritik der politischen Ökonomie des „Kapital". Die umstandslose Anwendung solcher Kategorien hat in der Linken Kritik hervorgerufen, da die marxschen und hegelschen Begriffe zu ontologischen Entitäten depraviert wurden. „Krankheit als Produktivkraft" ist im Rahmen einer aktuellen Enffaltung einer materialistischen Dialektik nur als Ausdruck eines sich selbst nur allzu gewissen Geistes (der Moralität) zu interpretieren. So fruchtbar eine Fülle von Einsichen des SPK über die.Struktur des staatlichen Heilungsbetriebes, der Medizin und auch der Linken erscheinen, so gewaltsam sind sie zusammengebogen von einem unter der Gewalt repressiver Verhältnisse entstandenen Systemzwang. Die Provokation, welche die Theorie des SPK auch für nichtrevisionistische Linke darstellt, muß im Interesse aller Beteiligten fruchtbar gemacht werden Im jetzt ablaufenden Prozeß muß das SPK der Solidarität aller Linken gewiß sein.

Red

Die Poliklinik im Dienstder herrschenden Wissenschaft

Die Psychiatrische Universitätspoliklinik Heidelberg hat in den letzten Jahren durch die Initiative einiger Ärzte eine Veränderung ihrer Aufgaben und ihrer Arbeitsweise erfahren bis zum Rausschmiß von ca. 60 Patienten und dem behandelnden Arzt im Februar 1970. Diese Ärzte haben in ihrer täglichen Praxis erfahren, daß die herkömmliche Arbeitsweise der zunehmenden psychischen Massenverelendung weniger denn je gerecht werden kann. Die Hauptfunktion der Poliklinik war und ist die eines Umschlagplatzes, einer Verteilerstation für „Krankengut", verbunden mit ihrer Funktion als Ausbildungsstätte und Karriere-Etappe für Fachärzte. „Fälle", mit denen niedergelassene praktische Ärzte und Fachärzte nicht fertig werden, die sie aber auch nicht direkt in eine geschlossene „Heilanstalt" einweisen wollen, werden a# die Poliklinik zur Untersuchung überwiese« und von dort aus weitergeleitet an die stationären Abteilungen der Hauptklinik oder - weil dort selten Betten für Kassenpatienten frei sind - eben in die geschlossenen Anstalten überwiesen. Behandlungen werden nur bei entsprechend qualifizierten Patienten durchgeführt. Diese Qualifikationen sind bestimmt durch das Interesse, das der behandelnde Arzt am Geldbeutel oder an der „wissenschaftlichen" Verwertbarkeit der Krankheit des Patienten hat. Die Auswahlkriterien für eine Psychotherapie orientert sich am Lebensalter und am Bildungsstand des Patienten. Das geht so weit, daß Patienten über 35 Jahre oder ohne Abitur nicht in Behandlung genommen werden. Dia Arbeit der Poliklinik ist also keineswegs an den Bedürfnissen der weit überwiegenden Zahl der Kranken orientiert, sondern an den Profit- und Karriereinferessen der wenigen Ärzte und dem streng hierarchischen System des sogenannten Gesundheitswesens. Diese Patientenfeindlichkeit ist nicht spezifisch für die Poliklinik, sondern ein Merkmal des gesamten „Gesundheits"* apparats vom niedergelassenen Arzt bis zur Klapsmühle, ln der Poliklinik als Selektionsrampe für die verschiedenen Institutiosen dieses Apparats wird die Unmenschlichkeit dieses Systems brennpunktartig deutlich

Die Poliklinik im Dienstder Krankenversorgung

Diese Funktion der Poliklinik wurde deutlich für diejenigen, die bereit waren, sich dem Problem zu stellen, und die in

den Forschungsaufgaben des Universitätsarztes die tendenzielle und praktische Patientenfeindlichkeit, die Verletzung des ärztlichen Gebots „primum nil nocere" (»vor allem nicht schaden") erkannten. Im Verlauf der Auseinandersetzungen der Patienten mit der Klinikhierarchie wurde aber auch klar, daß die Verantwortlichen keineswegs blind und unwissend dieser Problematik gegenüberstehen, sondern ohne weiteres bereit sind, Patienten auf dem Altar ihrer „Wissenschaft“ zu opfern. So äußerte Oberarzt Blankenburg mit Billigung des Klinikdirektors v. Baeyer im Februar 1970 Patienten gegenüber unumwunden: „Wissenschaft fordert eben ihre Opfer. Wenn Forschung und Krankenversorgung miteinander in Kollision geraten, so müssen eben auch mal Köpfe rollen." „Die Köpfe der Patienten in diesem Fall!", wurde von uns eingewandt und von den Herren kaltlächelnd hingenommen.

Die Auseinandersetzung zwischen der Klinikleitung und einigen Ärzten, die sich nicht länger dem patientenfeindlichen Diktat ihrer Herren beugten, sondern die Bedürfnisse der Kranken zum Ausgangspunkt der Therapie machten, wurde von karrieresüchtigen „Kollegen" für deren egoistische Profitinteressen ausgenutzt. Die Ärzte aber., die sich für die Patienten und nicht für den Profit einsetzten, wurden gefeuert.

So wurde dem leitenden Arzt der Poliklinik im Mai 1969, Dr. Spazier, die bereits zugesagte Habilitationsmöglichkeit entzogen; Assistenzarzt Dr. Rauch wurde versetzt und Assistenzarzt Dr. Huber schließlich im Februar 1970 samt Patienten gefeuert und mit Hausverbot für die Psychiatrische Klinik und Poliklinik belegt.

Die Zusammenarbeit zwischen Arzt und Patient ist im herrschenden System nicht vorgesehen, vielmehr ist die ArztPatient-Beziehung bestimmt von der Distanz, der Mittelbarkeit. Der Arzt, der es gewohnt ist, seine Patienten als Fall, als Ding zu begreifen, muß lernen, Ausdrucksformen der kranken Bevölkerung nicht länger per Diagnose festzulegen, sondern als realitätsadäquate Lebensäußerung der Unterdrückten zu begreifen .Die Bildung eines proletarischen Bewußtseins als Voraussetzung und Instrument einer progressiven Therapie im Massenmaßstab ist nur möglich unter Preisgabe des Führungsanspruchs des Arztes als Person im therapeutischen Prozeß. Und dazu ist die Erkenntnis notwendig, daß das vermeintliche Subjekt Arzt selbst Objekt dieser Verhältnisse ist! Das Rüstzeug einer an den Bedürfnissen der Patienten orientierten Therapie erhält der Arzt nicht im Studium, nicht in Konferenzen, Seminaren, Tagungen, sondern nur in der täglichen Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit der Patienten, dem Elend von Ausbeutung und Unterdrückung. Dieser Realität steht gegenüber ein selbstgerechtes System versteinerter Hierarchie in Gestalt des Gesundheitswesens, das zwangsweise von den Patienten durch Sozialabgaben und Steuern bezahlt wird.

Akademische Konferenzen mit Kollegen, die die Kranken nur unter dem Etikett der Diagnose kennen und behandeln, nützen nichts und finden auf Kosten der Wartezeit der Patienten statt. So war es denn auch das Fernbleiben von diesen zeitraubenden'(die Zeit der Patienten) und ineffizienten, d. h. im Dienst der Selektionsfunktionen der Poliklinik stehenden Konferenzen, die zum Vorwand für die Entlassung Dr. Hubers genommen wurde. In Wirklichkeit aber wurde die therapeutische Arbeit mit den und für die Patienten zur praktischen Kritik an den Institutionen des Gesundheitsapparates und ihrer Krankheitsverwertung.

In den Universitätskliniken ist das Gesundheitswesen zumindest seiner mögliche« Tendenz nach im progressiven Sinne sozialisiert. Somit besteht hier die Möglichkeit und damit für die Ärzte das Gebot, diese Privilegien der Bevölkerung (die sie schließlich bezahlt) zugänglich zu machen.

Die Universitätskliniken genießen gegenüber niedergelassenen Ärzten und kommunalen sowie staatlichen Krankenanstalten bestimmte Privilegien: 1) Die dort tätigen Ärzte sind nicht auf das Honorar oder die Krankenscheine der Patienten angewiesen; sie beziehen ein — wenn auch bescheidenes - Gehalt. Die Verwaltungsarbeit und die Ausrüstung mit ärztlichem Instrumentarium wird von der Klinikleitung besorgt, j 2) Die Rezeptur ist frei, d. h. sie unterliegt nicht der Kontrolle und den Restriktionen durch die Krankenkassen bzw. kaesenärztlichen Vereinigungen, denen sie bei niedergelassenen Ärzten unterworfen ist. Diese „Freiheit der Rezeptur" liegt in den Forschungsaufgaben einer Universitätsklinik begründet: Pharmakologische Forschung für die Profite der Arzneimittelindustrie wird staatlicherseits mit den Geldern der Patienten gefördert.

Die Selbstorganisierung der Patienten Die Patienten waren nicht mehr so ohne weiteres bereit, sich schlimmer als Vieh verwalten, verschieben und abspeisen zu lassen. Sie forderten ihr Recht auf Therapie, sie begannen sich zu organisieren.

So fand in der Psychiatrischen Universitätsklinik Heidelberg am 5. 2. 1970 die erste Patienten-Vollversammlung in der Geschichte der Medizin statt. Auf dieser Versammlung wurde der Rücktritt des neuen Poliklinikleiters, Dr. Kretz, gefordert, der seit seinem Amtsantritt im Oktober 1969 bereits die Auflösung mehrerer Therapiegruppen betrieben hatte; darunter eine Gruppe von älteren Patienten, die ihren Wohnsitz extra nach Heidelberg verlegt hatten, um an der für sie existenznotwendigen Behandlung teilzunehmen, die für sie an keinem anderen Ort möglich war. Weiter versuchte er die in der Poliklinik bis dahin tätigen Ärzte, insbesondere Dr. Huber, durch sein eigenes „Team" zu ersetzen. Eine statistische Untersuchung, die die Patienten im Wartezimmer der Poliklinik durchgeführt hatten, ergab ein Verhältnis von 12 Patienten bei Dr. Huber zu 1 Patient bei Dr.

Kretz. Die Patienten beschlossen weiter, eine Kommission zu bilden, die eine ihren Bedürfnissen gerecht werdende Verfassung für die Poliklinik ausarbeiten sollte. Im Flur wurde ein schwarzes Brett für Mitteilungen der Patienten angebracht, das ein paar Tage später von Poliklinikleiter Dr. Kretz vor den Augen einer Patientin, die einen Anschlag lesen wollte, von der Wand gerissen wurde, woraufhin die Patientin einen Weinkrampf erlitt.

Die Klinikleitung wollte die sich emanzipierenden und sich organisierenden Patienten nicht länger in der Klinik dulden. Patienten, mit denen man nicht mehr ohne weiteres machen konnte, was man wollte, waren unbrauchbar für die „Wissenschaft". Auf einem teach-in der Patienten im Hörsaal der Psychiatrischen Klinik in Anwesenheit der Klinikdirektoren v. Bayer, Prof. Bräutigam sowie der Oberärzte und Assistenzärzte der psychiatrischen und psychosomatischen Universitätskliniken forderten die Patienten noch einmal die Zurücknahme der Kündigung Dr. Hubers und den Rücktritt Dr. Kretz'. Einen halben Tag später folgte die fristlose Kündigung und das

Hausverbot Dr. Hubers.

Nach einem l’/ 2 tägigen Hungerstreik der Patienten im Dienstzimmer des Verwaltungsdirektors der Klinischen Universitätsanstalten sah sich der Universitätsrektor Rendtorff veranlaßt, die materiellen Voraussetzungen für die Weiterführung der Therapie und Selbstorganisation der Patienten zur Verfügung zu stellen: Universitätsräume, regelmäßige finanzielle Unterstützung und freie Rezeptur. Das war der Inhalt des sogenannten Kompromisses, der am 29. 2. 1970 unter Mitwirkung der Medizinischen Fakultät (Dekane Schnyder und Quadbeck) und Klinikdirektor v. Baeyer sowie Studenten der Projektgruppe Medizin zustandekam. Der Kompromiß wurde zwischen den Patienten und Rektor Rendtorff geschlossen. Die Annahme des Kompromisses durch die Patienten geschah ohne die Zustimmung Dr. Hubers, er erklärte sich lediglich den Patienten gegenüber bereit, mit ihnen weiter zusammenzuarbeiten.

Durch die faktische Institutionalisierung als autonome Arbeitsgruppe in Universitätsräumen hatten die Patienten erreicht, daß die Gesamtuniversität in Gestalt des Rektors die Inkompetenz der Medizinischen Fakultät für die Krankenversorgung bestätigt hatte. Die Durchführung des Kompromisses scheiterte allerdings von Anfang an-.

1) Die Arbeitsräume, die (auf Kosten der Steuerzahler) seit über einem halben Jahr leergestanden hatten, mußten von den Patienten erst renoviert werden.

2) Die zugesicherte freie Rezeptur wurde von Klinikdirektor v. Baeyer und Oberarzt Oesterreich in krimineller Weise sabotiert (Oesterreich: „Man kann Huber keine Rezepte verschreiben lassen. Er könnte ja Dynamit verschreiben!"): Patienten, die mit v. Baeyer über die technische Durchführung der Rezeptur sprechen wollten, wurden gewaltsam durch die von v. Baeyer herbeigerufene Polizei aus der Klinik entfernt und nunmehr auch formell mit Hausverbot für das Klinikgelände belegt. Oberarzt Oesterreich verhängte über die Selbstorganisation eine Rezeptblockade in den Heidelberger Apotheken, d. b: Rezepte, die von Dr. Huber ausgestellt waren, wurden nicht mehr entgegengenommen. Ein schwer kriegsbeschädigter Rentner, der ein Rezept in einer Apotheke einlösen wollte, wurde von Oberarzt Oesterreich - der inzwischen über Alterskrankheiten habilitiert hat - per Telefon zur Gegenzeichnung seines Rezepts zu Prorektor Podlech (einem Juristen, der mit der Durchführung der Kompromißvereinbarungen befaßt war) geschickt. Dieser schwer kriegsbeschädigte Rentner wurde bei einer öffentlichen Veranstaltung von Oesterreich so beschimpft: „Sehen Sie, das ist Ihr Werk, Herr Dr. Huber." 3) Die zugesicherte Monatspauschale wurde seitens des Rektorats von März bis Juli nicht ausbezahlt. Vielmehr wurde die Räumung der Arbeitsräume und die Sperrung des Telefons angedroht. Das Rektorat versuchte, die Patienten durch ein Vertragsdiktat völlig willkürlich zum 30. September 1970 aus den Universitätsräumen hinauszukatapultieren. Dr. Huber sollte unterschriftlich bestätigen, daß die Patienten ab 30. September keine qualifizierte Therapie mehr nötig hätten. Als Druckmittel benutzte das Rektorat die Hungerblockade gegen die Selbstorganisation: Die Universität verweigerte die Auszahlung der im „Kompromiß" zugesagten Gelder. Es stellte sich bald heraus, daß der „Kompromiß" ein Diktat gegen die Patientenselbstorganisation war; daß Krankenversorgung als Kompromiß sich als weiterer Schritt in der Vernichtungsstrategie gegen Patienten entlarvte Das sozialistische Patientenkollektiv Nach 4 Monaten fortgesetzter Erpressung und Aushungerung durch das Rektorat hatten es die Patienten schließlich satt und sie besetzten am 6. Juli 1970 das Dienstzimmer des Rektors Rendtorff. Die Forderungen des Sozialistischen Patientenkollektivs an das Rektorat: 1) Kontrolle der Krankenversorgung durch die Patienten; Abschaffung der Fremdbestimmung des Gesundheitswesens beispielsweise durch Industrie und Bundeswehr etc.

2) Kontrolle des Hausrechts in den Kliniken durch die Patienten. Als Übergangsregelung wird das Hausrecht an den Rektor delegiert 3) Inbesitznahme der Klinikgelder durch die organisierten Patienten. Als Übergangslösung fließen alle Klinikgelder in die allgemeine Universitätskasse.

Erste Maßnahme zur Realisierung dieser Forderungen ist: a) Unbefristete und kostenlose überassung eines Hauses, in dem die Patienten vor Übergriffen Außenstehender geschützt sind. Das Haus hat mindestens 10 Zimmer Alle therapeutisch notwendigen Ausrüstungsgegenstände sowie die laufenden Kosten übernimmt die Universität. Zwei Träger ärztlicher Funktionen des Patientenkollektivs übernehmen die Krankenversorgung und werden von der Universität bezahlt. Für Büroarbeiten und sozialpflegerische Tätigkeiten werden Mittel zur Verfügung gestellt.

b) Sofortige, unbefristete und kostenlose Überlassung eines Hauses mit mindestens 10 Zimmern für die Unterbringung von Patienten, die durch die herrschenden Verhältnisse in spezifischer Weise gefährdet sind. Dies ist notwendig, um sie vor einer weiteren Gefährdung durch die etablierte Psychiatrie zu schützen.

c) Bis zur Übernahme der neuen Räumlichkeiten verbleibt das Sozialistische Patientenkollektiv in der Rohrbacher Str. 12.

Alle seit März entstandenen bzw. bis zur Übernahme der neuen Räumlichkeiten noch entstehenden Kosten — abzüglich der unter Wahrung der beim Kompromiß getroffenen Vereinbarungen durch die Universität getätigten Teilzahlungen - übernimmt die Universität. Die noch ausstehenden Gelder werden sofort überwiesen. Die Patienten forderten die Verfügungsgewalt der Produzenten über die Produktionsmittel, sie forderten die materiellen Voraussetzungen zur Umwandlung der Universität des Kapitals in die Volksuniversität. Diese Forderung war übrigens im Einklang mit der Grundordnung dieser Universität, die in ihrem § 2 die Universität als Produktionsstätte von „Wissenschaft für den Menschen" deklariert. Als erste Maßnahme im Rahmen dieser umfassenden Forderung wurde die formalrechtliche Institutionalisierung des SPK als Universitätseinrichtung, die Bereitstellung bedürfnisadäquater Universitätsräume und eines realistischen Etats für die Patientenselbstorganisation gefordert.

Am 9. Juli 1970 beschloß der Verwaltungsrat der Universität, die Institutionalisierung des SPK als Universitätseinrichtung zu betreiben und beauftragte 3 anerkannte Wissenschaftler mit der Erstellung von Gutachten über Arbeit und Funktion des SPK. Diese Wissenschaftler setzten sich für die Institutionalisierung des SPK an der Universität ein.

Die Diffamierung der Patienten und die Aufhetzung der Öffentlichkeit gegen die Patienten in Presse und Rundfunk, die bis zum Verwaltungsratsbeschluß allein von der Medizinischen Fakultät (Prodekan Dr.

Kretz) und der Fachgruppe Psychiatrie/ Psychosomatik (stellvertretender Fachgruppenleiter Dr. Kretz) in Presseerklärungen, offenen Briefen und Leserbriefen betrieben worden war, wurde jetzt verstärkt durch die Stimme des Kultusministers von BadenWürttemberg, Prof. Wilhelm Hahn vom christlich-demokratischen Underground (CDU). Die reaktionäre bürgerliche Presse öffnete ihre Spalten für die Hetzartikel derer, die sich Kompetenzen für die Sache der Patienten anmaßten, während Ausführungen oder Gegendarstellungen der Patienten entweder sinnentstellend verstümmelt oder überhaupt nicht veröffentlicht wurden. Der Kultusminister bezeichnete den

Verwaltungsratsbeschluß bereits am 20. Juli 1970 pressekundig als „in höchstem Maß rechtswidrig", er erklärte im Rundfunk, die Patienten des SPK müßten „schleunigst der Behandlung zugeführt werden, die sie verdienen und die sie brauchen", er verbot schließlich in seinem Erlaß vom 18. 9. 1970 der Universität, den Beschluß ihres Verwaltungsrats durchzuführen. Diese öffentlichkeitskundigen Hetztiraden der Mediziner, begünstigt und unterstützt durch den Kultusminister, wirkten sich auf die Arbeit der Patienten aus: Einerseits zeigten sie klar die grundsätzliche Patientenfeindlichkeit der medizinischen und akademischen Institutionen; andererseits versuchten nun - teilweise mit Erfolg - Familienangehörige und Arbeitgeber von Patienten, die das SPK lediglich durch die Hetzartikel der Gegenseite kannten, die ohnehin unbequemen Kranken unter Druck zu setzen und von der Mitarbeit im SPK abzubringen.

Diese Erfahrung zeigte sinnlich konkret den Zusammenhang, der zwischen dem bürgerlichen Bewußtsein, dem sogenannten gesunden Menschenverstand, und der Rationalität des Kapitals wirksam ist.

Das Räumungsurteilund der Senatsbeschluß Das erste Räumungsurteil gegen die Patienten (formal gegen Dr. Huber) am 14. November 1970 war ein weiterer Versuch/das SPK zu liquidieren. Postwendend erklärte Kultusminister Hahn am 9. 11. 1970 (das Räumungsurteil in der Tasche) die Patienten des SPK zu einem „Wildwuchs, der nicht länger geduldet werden kann und der schleunigst mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln beseitigt werden muß".

Am gleichen Abend verpflichtete sich der Universitätsrektor Rendtorff schriftlich gegenüber dem SPK, die Räumungsklage, die die Universität auf Veranlassung Hahns eingeleitet hatte, zurückzunehmen und den Erlaß des Kultusministeriums vom 18. 9. 1970, auf dem sie basierte, vor dem Verwaltungsgericht anzufechten. Ebenso erklärte Rendtorff mit seiner Unterschrift, er werde den Antrag auf formale Institutionalisierung des SPK dem Senat als dem dafür zuständigen Universitätsorgan unter Hinzuziehung der Rektoratsgutachter Richter, Brückner und Spazier vorlegen.

Der erste Schritt des Rektors nach seiner Erklärung war der, daß er sich vom Senat, dessen Vorsitzender er ist, die Ungültigkeit seiner Unterschrift bescheinigen ließ (Selbstentmündigung). Daraufhin stellten die Patienten am 16. 11. 1970 beim Verwaltungsgericht Antrag auf eine einstweilige Verfügung gegen die Progromhetze des Kultusministers Hahn und erhoben Klage gegen den Erlaß vom 18. 9.1970, beides unter Berufung auf Grundrechte wie das der Unverletzlichkeit der Person und das der Freiheit von Forschung und Lehre. Die Klage wurde dank der Verschleppungstaktik der Gerichte erst im Januar 1972 „verhandelt". Die Klage ist inzwischen kostenpflichtig abgewiesen worden.

Am 24.11.1970 beschloß der Senat schließlich in einer Geheimsitzung, zu der zwar nicht die oben genannten Gutachter, wohl aber Herr Professor Dr. Dr. Heinz Häfner als Experte in Sachen Profitmaximierung bei der Krankenverwertung hinzugezogen wurde, auf Antrag der Medizinischen Fakultät (Schnyder, Kretz), „daß das SPK keine Einrichtung in und an der Universität werden kann". Dieser Beschluß sollte auf sachkundige Anweisung des Dekans der Juristischen Fakultät, Professor Dr. Leferenz, und auf Anregung der Mitglieder der Naturwissenschaftlich-Mathematischen Fakultät vom Kanzler der Universität „auf dem Verwaltungsweg unter Anwendung staatlicher Hilfsmittel" unverzüglich vollstreckt werden. In dem offenbar wohnhaften Glauben an die Verbindlichkeit der Unterschrift des Theologen Rendtorff hat Dr. Huber zusammen mit den Patienten des SPK durch einen Rechtsanwalt Berufung gegen das vollstreckbare Räumungsurteil vom 4. 11. 1970 eingelegt. Am 13. 5. 1971 erging erneut ein vollstreckbares Räumungsurteil gegen das SPK (bzw. Dr. Huber). Der daraufhin vom SPK beim Gericht beantragte Vollstreckungsschutz wurde von diesem gar nicht erst behandelt.

Die Räumung Vielmehr erfolgten am 24., 25. und 26. Juni 1971 die willkürliche Festnahme von SPK-Patienten, verbunden mit Verhören, Anwendung von physischer Gewalt, Hausdurchsuchungen (ohne richterlichen Durchsuchungsbefehl, versteht sich), Bedrohung und Geiselnahme mit Waffengewalt. Diese Polizeiaktion, bei der Hubschrauber, Hunde, Maschinenpistolen und mehrere Hundertschaften Polizeibeamte in Uniform und Zivil zum Einsatz kamen, wurde durchgeführt im Zusammenhang mit einer in der Psychopathologie von Wahnsystemen als „Beziehungsetzung ohne Anlaß" höchst relevanten Konstruktion von Staatsanwaltschaft und Polizei. Diese Konstruktion brachte unter Einschaltung der juristischen Krücke „Gefahr im Verzug" das SPK in Verbindung mit einer Schießerei zwischen der Polizei und zwei bis heute unbekannten Autofahrern, die am 24. 6. 1971 in der Nähe der Wohnung eines SPK-Patienten stattgefunden hatte.

Bis auf zwei wurden alle Verhafteten nach maximal 47 Stunden wieder „auf freien Fuß" gesetzt. Für die beiden festgehaltenen SPK-Patienten wurden schließlich mit Hilfe der Beschuldigung, sie seien Mitglieder einer kriminellen Vereinigung, zwei Haftbefehle gebastelt. Besuchserlaubnisse (zunächst auch für Ehegatten) wurden wegen SPK-Zugehörigkeit der Antragsteller abgelehnt. Ebenso blieb ein fachärztliches Gutachten, das die dringende Notwendigkeit von Besuchserlaubnissen für mindestens 40 Patienten des SPK bescheinigt, die mit den beiden gefangen gehaltenen SPK-Patienten in Einzel- und Gruppenagitation zusammengearbeitet hatten, von der Staatsanwaltschaft und den Haftrichtern bis heute unberücksichtigt. In den frühen Morgenstunden des 21. Juli 1971, einen Tag vor der gerichtlieherseits angekündigten Vollstreckung des Räumungsurteils schließlich überfielen mehrere Hundertschaften Polizei mit Maschinenpistolen und Hunden in einer erneuten Dämtneratta'cke die SPKArbeitsräume, die von uns bereits am 13. Juli öffentlichkeitskundig als Arbeitsräume für Patienten wegen der nicht mehr zu verantwortenden Gefährdung der Patienten durch Polizeispitzel-Terror geschlossen worden waren. Gleichzeitig wurden weitere 10 Wohnungen von Patienten, von denen die meisten bereits im Juni von der Polizei durchsucht worden waren, erneut heimgesucht und auf den Kopf gestellt. 9 SPK-Patienten wurden inhaftiert und in 8 verschiedenen Gefängnissen, über ganz Baden-Württemberg verstreut, in strenger Einzelhaft untergebracht und ständigen Repressalien und Verhören ausgesetzt. Die Staatsanwaltschaft hat auch dafür gesorgt, daß 9 von den 11 Gefangenen keine anwaltliche Vertretung (Verteidigung) mehr hatten: Der Anwalt der inhaftierten SPKPatienten wurde kurzerhand der Begünstigung seiner Mandanten, gegen die noch nicht einmal Anklage erhoben war, beschuldigt und erhielt Verteidigungsverbot. Das Verteidigungsverbot mußte nach über einem Monat wieder aufgehoben werden.

9 der 11 Inhaftierten sind mittlerweile gegen Auflagen und teilweise gegen Kaution wieder auf „freiem Fuß". Bezeichnenderweise werden zwei zu Rädelsführern gestempelte Ärzte immer noch festgehalten.

Die herrschende Rechtlosigkeitund die Patienten In der Geschichte des SPK zeigte sich die Gewaltförmigkeit des herrschenden Rechts folgendermaßen: Um die Selbstorganisation der Patienten zu vernichten, wurden mit dem Rechtsmittel „Fristlose Entlassung des Assistenzarztes Dr. Huber aus dem Beamtenverhältnis und Hausverbot" folgende Zwänge und Gewalten - vor allem von den Sachwaltern des Gesundheitswesens - gegen Kranke eingesetzt: 1) Verdummung und Ausbeutung rechtloser Menschen-Wracks des kapitalistischen Produktionsprozesses durch „freie" - d. h. mit den Möglichkeiten der allgemeinen Profitmaximierung in eigener Sache versehene - Arztpraxis; die von den Patienten verteidigten und in Anspruch genommenen Privilegien der Poliklinik: freie Rezeptur, kein Liquidationszwang, Inanspruchnahme der klinischen Universitätseinrichtung (Röntgen, Elektro-Encephalogramm, Labor etc.) - sollten den Patienten wieder entzogen werden, und diese Maßnahme durch das „Angebot" einer „freien" Arztpraxis schmackhaft gemacht werden. Um uns die „freie" Arztpraxis noch schmackhafter zu mächen, sollte sie - nach den Vorstellungen von Rektor Rendtorff - einem „Kuratorium" aus Universitätsangehörigen unterstellt werden; das nie zu einer konstituierenden Sitzung zusammentrat, und das juristisch - weil in der Grundordnung der Universität überhaupt nicht vorgesehen ohnehin ein Unding ist.

Es war von Anfang an das Ziel der Universitätsbürokratie, den Störfaktor Patientenselbstorganisation aus der Universität hinauszudrängen, um sie damit direkt dem Zugriff v.on Gesundheitsamt (Gesundheitspolizei), Vormundschaftsgericht und Polizei auszuliefern. Diese Maßnahmen der Unibürokratie wurden sekundiert durch Diffamierungen seitens der niedergelasse-

nen Nervenärzte, die einerseits versuchten, das Gesundheitsamt zum Einschreiten gegen das SPK zu bewegen, und andererseits gezielte Maßnahmen ergriffen, um einzelne Patienten wieder ihrer „privaten" Verfügungsgewalt zu unterstellen.

Fristlose Entlassung und Hausverbot sollten somit die Patienten in eine Lage bringen, in der sie zwischen den Mühlsteinen der „freien" Arztpraxis und der Universitätspsychiatrie zermahlen werden sollten.

2) Durch plötzlichen Abbruch der nach den herrschenden Verhältnissen einwandfreien Vergiftungsbehandlung mit Psychopharmaka etc. wurden dem Tod die wichtigsten Eintrittspforten weit geöffnet, denn Blutkreislauf und Atmung sind seit alters her in der Physiologie als „atria mortis” (Vorhallen des Todes) definiert, und der plötzliche Entzug von Medikamenten ist immer in Form des sogenannten Entzugsdelirs mit der Gefahr eines tödlichen Zusammenbruchs von Kreislauf und Atmung verbunden 3) v. Baeyer, Häfner usw., die sich zu Richtern über die von Ärzten im Nazi-Regime begangenen Verbrechen aufgespielt haben, „bewältigen" diese Vergangenheit praktisch so, daß sie schwerkranke und kriegsbeschädigte Patienten wegen eines Rezeptes von Institution zu Institution schickten und sie somit schwersten körperlichen Strapazen aussetzen.

4 ) Aushungerung (März bis Juli 1970 und Dezember 1970 bis Juli 1971 wurden die notwendigen Gelder vorenthalten) und jahrelang (1970 bis 1971 ) ständig wiederholte Androhung der gewaltsamen Aussperrung.

5) Selbstmord = Mord: Innere Verblutung durch Herabstürzen von einem Turm. Der „humanere" Mord durch Vergiftung mit Tabletten war durch die infolge fristloser Entlassung und Hausverbot von der Gegenseite geschaffenen Situation blockiert.

Am Gründonnerstag des Jahres 1971 wurde im Wald bei Heidelberg, am Fuß eines Turms die Leiche einer SPK-Patientin gefunden. Der Obduktionsbefund ergab: Tod durch innere Verblutung. Laut Polizeibericht fanden sich am Tatort verstreut Tabletten in großer Menge. Bei der Obduktion und gezielter forensischer Untersuchung wurden jedoch nicht einmal Spuren einer Tabletteneinnahme festgestellt. Die Tabletten wurden nicht geschluckt, sondern verworfen. Die Ware Arbeitskraft nicht verkauft, sondern zerschmettert. (Laut Abschlußbericht der Kriminalpolizei lag ein Verschulden Dritter am Tod des Mädchens nicht vor.) 6) Schwerste Belastung der organisierten Patienten durch Übergriffe der Gegenseite in Form von Terrormaßnahmen, Patientenhetze, Spitzelaktivitäten, Unterstützung von Morddrohung - die Strafanzeige wegen einer telefonischen Morddrohung der Eltern einer Patientin an den ärztlichen Funktionsträger des SPK wurde von Polizei und Justiz nur äußerst schleppend und oberflächlich bearbeitet und schließlich „zu den Akten gelegt", auch deren gezielte Vorbereitung durch Pogromhetze unter zusätzlicher Einschaltung von Ministerien, korrupten Medizinmännern und so weiter.

Zusammenfassend bleibt auf Grund dieser Zergliederung der Kräfteverhältnisse folgendes festzuhalten: Die Wirklichkeit der ökonomisch und juristisch geradezu als unangreifbar erscheinenden Fassade unserer Gegner ist die in Volt, toxischen Einheiten, Meterkilopond und Kalorien meßbare Zerstörung menschlicher Gewebe und Formen menschlichen Zusammenhalts. Diese Wirklichkeit von Ökonomie und Recht ist in doppelter Hinsicht praktisch belegt. Einmal durch ihre Wirkungen, wie sie im letzten Abschnitt Punkt für Punkt, wenn auch ohne Anspruch auf Vollständigkeit, aufgezählt wurden.

Zum anderen dadurch, daß wir unseren Anspruch auf eine Minimalbasis für unsere wissenschaftlich abgesicherte, eminent notwendige und nützliche Arbeit und unseren Anspruch auf Recht allen in Betracht kommenden Adressaten gegenüber nachdrücklich und immer wieder geltend gemacht haben. Der gegen uns gerichtete Gewaltapparat hat sich dadurch nicht im mindesten anders gezeigt, als eine in Volt, Vergiftungseinheiten, Meterkilopond und Kalorien meßbare Zerstörungsgewalt menschlichen Lebens. Als wir der Gewalt nicht mehr unter dem Vorzeichen Recht sondern mit dem Anspruch auf Leben zu Leibe rückten, z. B. beim Hungerstreik im Februar 1970 und bei der Rektoratsbesetzung im Juli 1970, bekamen wir nahezu mühelos nicht nur Recht, sondern auch das uns vorenthaltene Geld.

Es gibt also weder ein Recht für noch ein Recht gegen Kranke. Vielmehr gibt es nur Gewalt gegen, ebensosehr aber auch Gewalt für Kranke. Das Recht ist die dem Gegner überlassene Zerstörungsgewalt.

Die revolutionäre Gewalt ist das Recht auf Schutz des Lebens gegen die Zerstörung. Kranke haben keine Rechte. Das Recht kann es daher nicht dulden, daß sie sich in Vollversammlungen organisieren, als Betroffene eine Kontrolle des gebremsten Mordes (Krankheit) durchführen, oder gar eine Massenorganisation bilden mit dem Ziel, Krankheit als Produktivkraft für das Kapital abzuschaffen, denn diese allein hält das Produzieren und Konsumieren in den Wohlstandsinseln und damit auch das Profitgeschäft mit dem Massenmord in der Welt in Schwung.