Lod, München etc.
Die letzten Aktionen der palästinensischen Organisationen weisen deutlich darauf hin, daß sie sich in einer Krise befunden, einer so tiefen Krise, die einem Todeskampf gleichkommt.
Deshalb kann man die Bedeutung dieser Aktionen gar nicht verstehen - und die bekanntesten unter ihnen in Lod und München wenn man nicht versteht wie tief die Resignation ihrer Organisatoren, wie stark die Frustration der Ausführenden ist. Die Führer der bekannten palästinensischen Organisation - und an erster Stelle „Al Fath“ - meinten und meinen immer noch, daß man das palästinensische Problem isoliert von der Lösung der gesellschaftlichen Fragen des ganzen arabischen Ostens lösen kann. Deshalb können sie sich die Möglichkeit eines bewaffneten Kampfes nur gegen Israel vorstellen, bei gleichzeitiger Einhaltung des Hausfriedens in der arabischen Welt, und sogar bis zur Verbündung mit einem oder mit einigen arabischen Regimes. Die Frage des anti-imperialistischen Kampfes wie auch die Frage der Mobilisierung des Proletariats und der Bauern im arabischen Osten zu einem allumfassenden revolutionären Kampf, war entweder in ihrem Bewußtsein gar nicht existent oder aber durch die „Linken“ unter ihnen auf eine spätere Phase hin aufgeschoben worden.
Die Sackgasse, in die die Träger dieser Vorstellung geraten sind, ist heute allen deutlich. Die Verzweiflung verbreitet sich spürbar überallhin, Verwirrung und Chaos dehnen sich gewaltig aus. So sind Aktionen wie Lod und München Ausdruck für Verzweiflung und Chaos. Prüfen wir die Angelegenheit näher: Was war das Ergebnis der Illusion, über die angebliche Notwendigkeit einer nationalen allarabischen Einheitsfront ab Juni 1967, mit der diese Führer das Volk genährt haben? Wie sah praktisch dieser Hausfrieden zwischen den palästinensischen Organisationen und den arabischen Regimes aus? Was wurde aus der besonderen Unterstützung der palästinensischen Bewegung durch die sogenannten fortschrittlichen Regimes in Ägypten, Syrien, Irak und Libyen?
Die Antwort findet sich in einer Kette von Ereignissen in den letzten Jahren: angefangen von dem brutalen Massaker Husseins an den Palästinensern, über das Einverständnis der „fortschrittlichen Regime“ mit politischen Lösungen, die in den „Küchen“ der Großmächte „gekocht“ werden und schließlich die geheimen und weniger geheimen Verhandlungen zwischen dem zionistischen Israel und den arabischen Nachbarstaaten über die verschiedenen angeblich möglichen Lösungen des Konflikts; dies alles unter dem umfassenden Ziel, die Rechte des arabischen palästinensischen Volkes endgültig zu begraben.
Und der Rahmen des Kräfteverhältnisses? Es wurde allen klar, daß die Front nicht zwischen allen Arabern, wo auch immer sie sind, und zwischen dem zionistischen Israel verläuft. Denn hinter und neben Israel stehen massive Kräfte, die besonders mächtig sind. An aller erster Stelle der amerikanische Imperialismus, wobei Israel als Wachhund für seine Interessen in diesem Teil der Welt fungiert. Und außerdem: die arabische Reaktion, wobei Hussein nur einer ihrer Protagonisten ist, die auf Leben und Tod mit dem amerikanischen Imperialismus verbunden sind. Verdeutlicht hat es während des Massakers gegen die Palästinenser durch Hussein - der General Se’evi (ein Israeli), als er sagte: „Ein Gerechter ist der, dessen Arbeit von anderen durchgeführt wird“ und in gleicher Stunde, wo diese „anderen“ seine Arbeit erledigt haben, stand er in einer Übereinstimmung mit den Amerikanern abwartend an der Spitze seines Militärs am Jordanufer. Er wartete auf den Moment, indem er genötigt ist, Schritte zu unternehmen, um diesen „anderen“ zu helfen, d. h., diese anderen sind die Söldner der Imperialisten aus dem haschemitischen Königshaus.
Und so sind die üblichen Ansichten, die die Führer der palästinensischen Organisationen praktisch, wenn auch nicht immer theoretisch, solche, die in sich schon die Saat von Verzweiflung, Verwirrung und Chaos bergen. Nach Jahren bewaffneten Kampfes stehen die Palästinenser gegenüber einem starken und gestärkten Israel, wobei die arabische Reaktion ihnen in den Rücken fällt, die sogenannten fortschrittlichen Regime sie im Stich lassen und wobei die arabischen ausgebeuteten Massen dem Schicksal des palästinensischen Volkes gleichgültig gegenüberstehen. Und von der Verzweiflung bis zum Verzweiflungsakt ist der Weg sehr kurz.
Diese Verzweiflungsaktionen drükken nicht nur die Tatsache des Abgetrenntseins von den Massen der Ausgebeuteten in der arabischen Welt aus, sie drücken auch das Fehlen jeglicher Perspektive zur Errichtung einer gemeinsamen arabisch-jüdischen Front gegen den Zionismus, gegen die arabische Reaktion und gegen den Imperialismus aus.
Nimm als Beispiel die Schießerei in die Menge auf dem Flughafen von Lod. Die Schießerei in eine- zufällige Menschenansammlung zeigt, daß sowohl die Organisatoren als auch die Ausführenden keine Unterscheidung hinsichtlich der israelischen Bevölkerung machen. Sie legen keinen Wert auf eine Unterscheidung zwischen Ausbeuter und Ausgebeuteten, zwischen Unterdrücker und Unterdrückten, zwischen Diskriminierer und Diskriminierten. In Kürze: Jeder, der sich in Israel befindet und jeder, der unter der zionistischen Herrschaft lebt gilt ihnen als Feind, auch wenn er ein Ausgebeuteter Arbeiter am Flughafen ist, den man im Interesse der sozialistischen Revolution gewinnen muß.
Dieses Beispiel und solche Taten dienen dem Zionismus, und wenn sie unter revolutionären Sprüchen geführt werden, dienen sie der Reaktion der ganzen Welt. Und so geht die moralische Beurteilung mit der politischen Einschätzung einher, das Ziel und die Mittel bedingen sich gegenseitig und lassen sich nicht voneinander trennen und isolieren.
Die Stellungnahme, die hier abgegeben wird, ist nicht alleine von Mazpen, es gibt für sie auch Partner: revolutionäre Sozialisten sowohl in der arabischen Welt als auch in Israel - eine Tatsache, die uns eine Unterstützung für unsere Stellung gibt und uns sehr wohl und deutlich von allen „Kritikern“ aus dem zionistischen Lager unterscheidet. Diese Worte müssen ausdrücklich ausgesprochen werden, vor allem, weil sie in Israel gesagt werden, da wir einen Kampf gegen den Zionismus führen (inklusiv gegen diejenigen, die sich links gebärden).
Die Zionisten, die das palästinensische Volk berauben und unterdrücken, die schon seit Jahrzehnten Massaker durchgeführt haben, befehlen, während diese Zeilen geschrieben werden, Bombenangriffe auf Syrien und den Libanon. Der Platz ist zu eng, um alle ihre Taten aufzuführen, - nicht nur die bekannten unter ihnen wie das Massaker in Dir Jassin und K’far Kassem, nicht nur die weniger bekannten wie Chanzawia und AbuSabel, sondern auch die Massaker, die überhaupt nicht bekannt sind, wie die während der Eroberung von K’far EiTlabum im Galilei oder während der Eroberung von Lod im Jahre 1948.
Selbstverständlich ist unsere Ablehnung des Zionismus nicht von dieser oder jener Tat, die oben aufgeführt wurden, abhängig. Wir lehnen den Zionismus ab, wegen seines grundsätzlichen Charakters: d. h., weil er eine kolonisatorische Bewegung ist, die von ihrem Anbeginn unter der Schirmherrschaff des Imperialismus stand und sein Bündnispartner ist.
Im ähnlichen Sinne: Unsere Solidarität mit dem Kampf des arabisch-palästinensischen Volkes ist nicht durch die eine oder andere Tat bedingt. Da es sich um eine Solidarität von Revolutionären mit dem Kampf eines beraubten, unterdrückten und ausgebeuteten Volk gegen den Weltimperialismus, seine Bündnispartner und seine hiesigen Agenten handelt. Die Solidarität bleibt bestehen, auch wenn wir diese oder jene Organisation, diese oder jene Aktion, die im Namen des palästinensischen Volkes durchgeführt wird, ablehnen. Auch hierin erhalten wir Unterstützung durch ähnliche Positionen, die Revolutionäre im arabischen Raum beziehen.
Die Bedeutung, die wir den Positionen von revolutionären Sozialisten im arabischen Raum messen, ergibt sich nicht nur daraus, daß sie für uns eine Ermutigung bedeuten, vor allem auf dem Hintergrund der Isolierung, in der wir uns in Israel befinden. Diese Positionen revolutionärer Sozialisten aus dem arabischen Raum haben eine besondere Bedeutung, gerade auf dem Hintergrund des trostlosen Zustandes der bekannten palästinensischen Organisation. Unserer Ansicht nach ist das palästinensische Problem nicht tot und noch nicht von der Tagesordnung des arabischen Ostens gestrichen. Das palästinensische Problem wird weiterhin jeden anti-revolutionären Status quo erschüttern, wie z. B. den heutigen Status quo: es bedeutet eine dauernde Bedrohung für die heute existierende gesellschaftliche Ordnung; es ist eine Zeitbombe, die an der Basis von jedem Vertrag und jeden internationalen (Großmächte) Abkommen, wie sie z. B. in den letzten Jahren ausgebrütet worden sind, liegt.
In Kürze: Es ist eines der Probleme, die ihre gewissenhafte und volle Lösung nur durch eine sozialistische Revolution erhalten wird, die alle existierende Regime in diesem Gebiet - einschließlich des zionistischen — vernichten und die auf ihren Trümmern einen sozialistischarabischen Osten errichten wird, in dem allen nicht-arabischen Nationalitäten in diesem Gebiet, das Recht auf Selbstbestimmung gegeben wird.
Alle Anzeichen weisen darauf hin, daß die bekannten palästinensischen Organisationen am Ende ihres Weges gelandet sind, aber das Palästina-Problem bleibt weiterhin existent und auch der Kampf ist nicht am Ende. Der Kampf wird sich erneuern, nicht auf der politischen und organisatorischen Basis, der heute existiert, sondern auf einer neuen Basis, nicht durch Abtrennung der nationalen Frage von der allgemeinen Frage des arabischen Ostens, nicht auf der Basis eines all-arabischen Hausfriedens und nicht in Phasen, nur durch die Einbeziehung, die sich nicht von dem Kampf und für eine sozialistische Revolution im ganzen Gebiet trennen läßt.
Wir sagen es nicht als stille Beobachter, sondern als Partner in einen solchem Kampf.
Die Redaktion von Matzpen