[FIXME] Ohne Titel
Den diskus zum Schweigen zu bringen, war das Ziel einer langen Kette von Angriffen in den letzten Jahren. Bisher war es allerdings der Kultus- und Universitätsadministration sowie der studentischen Rechten Vorbehalten, eine mißliebige, weil kritische Zeitung zu attackieren. Die Kumpanei des KSV eben mit ADS und RCDS auf der letzten Studentenparlamentssitzung im Sommersemester setzt nun allerdings i* der Tradition der Angriffe auf den diskus einen makabren Höhepunkt. Die Herausgeber, Mitglieder des Sozialistischen Hochschulbundes (SHB/SF), sollten von einer Koalition abgewählt werden, die sich inhaltlich nicht darüber einig ist, ob wir ein kommunistisches (RCDS) oder antikommunistisches (KSV) Hetzblatt sind, die aber beide ein politisches Interesse an der Liquidierung des diskus haben.
Als „Mitteilungsblatt der Freunde und Förderer der J. W. Goethe-Universität", 1951 gegründet .beschränkte sich der diskus anfangs im wesentlichen darauf, über hochschulinterne Vorgänge wie Ehrungen von Professoren, hochgeistige Antrittsvorlesungen, den Besuch des Hochkommissars für die amerikanische Zone Clay u. ä. zu berichten. Doch schon bald profilierte sich der diskus auf einem Gebiet, das eine traditionelle „Spielwiese der Intellektuellen" darstellt: der diskus hatte, so sagt man, das beste Feuilleton Deutschlands. Der Beginn der Studentenbewegung wirkte sich auch im diskus aus. Da die Herausgeber bis heute vom Studentenparlament gewählt werden, lassen sich die politischen Veränderungen in der Studentenschaft auch analog an den Inhalten des diskus verfolgen. Schon bald bezichtigte ein Politiker auf dem langen Marsch an die Macht den diskus prokommunistischer Tendenz und gar der Unterstützung aus „östlichen Quellen". Dr. Rainer Barzel, an der Spitze des Kommitees „Rettet die Freiheit", versuchte vor Gericht vergeblich seine Behauptungen zu beweisen und durfte sie nicht wiederholen Der erste Niederschlag gegen den diskus gelang dem „liberalen" Rektor Rüegg nach dem Höhepunkt der Studentenbewegung: weil der diskus sich zum politischen Mandat der Studenten bekannte, weil er versuchte, statt feuilletonistischer Schönhuberei durch Informierung über Vietnam und den Imperialismus, über Springer, über Funktion und Charakter kapitalistisch bestimmter Ausbildung den politischen Kampf der Studenten zu unterstützen, wurden dem diskus durch rektorale Verfügung Ende 1968 die Mittel entzogen. Der diskus mußte sein Erscheinen einstellen.
Erst unter dem Interims-Rektor Denninger wurde der diskus Anfang 1970 von Mitgliedern des früheren SHB wieder in veränderter Form neu etabliert. Seitdem kläfft die CDU, wie gehabt, fortan in Abständen von etwa 3 Monaten im Hessischen Landtag und in den bürgerlichen Zeitungen über das „öffentlich finanzierte linksradikale Blatt*.
Inzwischen ist es offensichtlich schon üblich geworden, daß darüber hinaus die Universitätsleitung auch auf Ersuchen des Kultusministeriums Interpretationen von Artikeln von den Herausgebern erbittet.
Da möglicherweise im Landtag das ewige Drängeln der CDU nach Maßnahmen gegen den diskus Früchte zu tragen beginnt, machen wir uns keine großen Illusionen, sondern halten das faktische Verbot des diskus durch Mittelentzug in absehbarer Zeit für eine reale Möglichkeit.
Die CDU, und in abgeschwächter Form gilt das auch für die Kultusbürokratie und FDP, sollte allerdings zur Kenntnis nehmen, daß die Herausgeber durch das Studentenparlament demokratisch legitimiert sind, was heißt, daß sich Mehrheiten bei Wahlen politisch auf die Publikationsstrategie niederschlagen. Die mangelnde Potenz rechter Studentengruppen kann man nicht durch administrative Kraftakte kompensieren wolwollen. Richtig ist, daß die Herausgeber mehrheitlich dem SHB/SF angehören, ebenso richtig ist, und das weiß jeder, der den diskus über das Inhaltsverzeichnis hinaus liest, daß der diskus deswegen nie zu einem Organ des SHB/SF umfunktioniert wurde. Dennoch sind wir durch das Mehrheitsvotum der Studentenschaft legitimiert, im diskus politische Akzente zu setzen, ob das der CDU oder wem auch immer paßt oder nicht paßt. So ist es dann auch nur verständlich, wenn wir die inhaltliche Zensur durch das Präsidialamt ignorieren.
Kurz: die Landesregierung und die Universitätsleitung haben sich zu entscheiden, ob sie eine von legitimierten Mehrheiten getragene Studentenzeitung tolerieren oder nicht; eine Zwischenlösung, die inhaltliche Loyalität mit demokratischer Fassade verbinden will, kann es nicht geben.
Wie nun in dieser Situation der KSV es fertigbringt, die Herausgeber, ohne personelle und inhaltliche Alternative, wegen (so wörtlich S. Raobe) „antikommunistischer Hetze* abzuwählen, dürfte den meisten Studenten unerklärlich sein. Uns scheint e» mit dem richtigen Verweis auf das schon theologische Sendungsbewußtsein der studentischen „Arbeiterführer“ im KSV ollein nicht getan zu sein.
In einer Phase des inhaltlichen Zerfalls und der organisatorischen Auffaserung der Studentenbewegung in dogmatisierte Kleingruppen, die in ständiger Abgrenzungs- und Fraktionierungspatologie introvertierter Liniendiskussionen einerseits sowohl an gruppenübergreifender Diskussionsfähigkeit verloren haben und andererseits die Studenten als direkte Adressaten ihrer Politik weitgehend verloren haben und so in Wirkungslosigkeit hindämmern, hätte eine Zeitung wie der diskus, der aufgrund seiner rechtlichen Struktur keiner Gruppe unmittelbar verpflichtet ist, eine wichtige Funktion. Die progressive Funktion bestände darin, ein überregional verbreitetes Publikationsinstrument zu sein für die Konfrontation und Verbreitung verschiedener theoretischer und praktischer Ansätze zur Weiterentwicklung der Theorie und Strategie fortschrittlicher Gruppen.
Es ist klar, daß ein solcher diskus für eine Gruppe wie den KSV, der jeweils über die richtige und fortschrittlichste Linie verfügt, eine Bedrohung darstellen muß.
Vor diesem Hintergrund wird der Versuch der Liquidierung des diskus zumindest in der gegenwärtigen Form vom Standpunkt des KSV verständlich.
Da der vom ADS und RCDS unterstützte Abwahlantrag des KSV, im Studentenparlament nicht die satzungsgemäße Mehrheit gefunden hat, arbeitet das gegenwärtige diskus-Kollektiv weiter. Die Amtszeit der amtierenden Herausgeber läuft Anfang des Semesters aus. Wir meinen, daß unter Berücksichtigung der Ausschreibungsfristen bereits das neue Studentenparlament die Herausgeber mehrheitlich wählen sollte.
Somit hätte die Studentenschaft die Möglichkeit, in der kommenden Parlamentswahl gleichzeitig über die Zusammensetzung des nachfolgenden diskus-Kollektivs zu entscheiden. Dies scheint uns die politisch sinnvollste Lösung zu sein. diskus-Kollektiv