Der chilenische Prozeß ist wieder einmal Schlagzeilen wert. Wer immer auf sein Scheitern gehofft hat, bereitet schon den Jubelruf vor. Die Lastwagenfahrer streiken, über die meisten Provinzen ist der Ausnahmezustand verhängt, die mittleren und kleinen Händler haben sich der Streikbewegung angeschlossen, ebenso die Ärzte, die christdemokratische Partei hat der Volksfrontregierung den Krieg erklärt und die totale Mobilisierung ihrer Mitglieder in die Wege geleitet(l). Den Hintergrund bilden erhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten: eine sehr hohe Inflationsrate, Devisenmangel, Versorgungsschwierigkeiten, Engpässe vor allem in der Agrarproduktion^). Die Lage wird von den Beobachtern - je • nach ihrem Standpunkt- einmal für viel- • versprechend, häufig für verzweifelt gehalten. Ob das chilenische Experiment seine jetzige Krise überlebt, ist tatsächlich nicht ausgemacht. Jede Analyse hat den Ernst der Lage in Rechnung zu stellen und muß die Hintergründe des Geschehens aufhellen, damit sie über bloße Zahlen und Anekdoten hinausgehende Information vermiftelt(3).

Die Vorgeschichte des chilenischen Prozesses ist bekannt(4), seine tatsächliche Entwicklung weniger. Natürlich, man weiß von etlichen Maßnahmen der Regierung der Volkseinheit, kennt einige Statistiken über Produktionssteigerungen und Zunahme der Inflation, weiß vielleicht vom skandalösen Fall des Kupferpreises. Die hinter den Fakten liegende Problematik, von ihnen häufig mehr verhüllt als geklärt, wird nur selten angesprochen. Es läuft ein Prozeß von ungeheurer Komplexität ab, der nicht nur die revolutionäre Phantasie der in ihm Handelnden auf immer neue Proben stellt, sondern auch gar manchen Interpretationsversuch zum Scheitern verurteilt. Die Entwicklung ist im wesentlichen durch drei Widersprüche bestimmt worden. Da ist einmal der Versuch, neue Produktionsverhältnisse aufzubauen und die alten nicht völlig zu zerstören. Der zweite Widerspruch ist der zwischen dem Klassencharakter der politischen Institutionen und den Klassen, die an der Regierung sind und zur Macht drängen. Da ist drittens der Versuch, die Klassen zu versöhnen und dem Kampf zwischen ihnen den Stachel zu nehmen, der das ganze System gefährdet. Die Widersprüche liegen auf verschiedenen Ebenen und stehen in einer engen Interdependenz. Sie befruchten sich gegenseitig und verschärfen dadurch ihre Auswirkungen.

Von keinem kann man sagen, daß er die gesamte Entwicklung oder eine ihrer Phasen allein oder vorrangig bestimmt hätte; alle drei sind wichtig.

Aufbaudes Sozialismusim Kapitalismus?

Das Programm der Volkseinheit spricht immer nur davon, daß man „mit dem Aufbau des Sozialismus... beginnen" werde(5), nicht aber von der sofortigen Errichtung einer sozialistischen Gesellschaft. Damit ist eine Phasenverschiebung gesetzt, welche den ersten Widerspruch schon in sich birgt; die Wirklichkeit brauchte ihn dann nur noch zu entfalten. Denn diese programmatische Aussage impliziert den Versuch, bestimmte Produktionsverhältnisse aufzubauen, ohne das gesamte Prokrustes-Bett der bestehenden sozioökonomischen Struktur zu zerstören. Einen ersten Schritt stellen die Verstaatlichungen der Regierung der Volkseinheit dar. Es wurden ja nicht nur die im Besitz ausländischer Monopole befindlichen Kupferminen in Staatsbesitz überführt, sondern auch - teilweise sogar vor der Überführung des Kupfers in gesellschaftliches Eigentum — zahlreiche andere Unternehmen, einige davon rein chilenische, andere gemischte, andere rein ausländische^). Die Gesamtheit der verstaatlichten Betriebe sollte nach den Vorstellungen des Programms der Volkseinheit den vergesellschafteten Bereich der Wirtschaft ausmachen und diese in ihrer Dynamik wesentlich bestimmen. Gleichzeitig wurde das Agrarreform-Gesetz, das aus der vorherigen Administration Frei stammte, nicht nur radikaler, sondern zusätzlich dergestalt angewandt, daß die enteigneten Güter in Kooperativen umgewandelt wurden, in welchen die Arbeiter und Funktionäre der staatlichen Agrarbürokratie sich in die Leitung von Planung, Produktion und Distribution teilten. Der rasche Ankauf der Majorität der Bankaktien, d. h. der Erwerb der Kontrolle über das Bankwesen, durch den Staat war sozusagen ein drittes Element, das als stützendes die Schaffung des vergesellschafteten Sektors der Wirtschaft flankieren und diesem zu Hilfe sein sollte. Wichtig ist allerdings, daß vor allem in der Industrie, aber auch in der Landwirtschaft Unternehmen von Privatkapitalisten bestehenblieben und funktionsfähig erhalten werden sollten.

Die Koexistenz von vergesellschafteten und privatkapitalistischen Unternehmen, selbst wenn letzteren die Rolle des dynamisierenden Faktors zuerkannt wird, hat zumindest zwei gravierende Auswirkungen. Einerseits bedeutet sie die Koexistenz zweier Formen wirtschaftlicher Rationalität: die Kriterien für die Verwendung der erzielten Überschüsse, z. B., können in einen» privatkapitalistischen Unternehmen nicht dieselben sein wie in einem vergesellschafteten, das jene Kriterien zumindest tendenziell an einem gesamtgesellschaftlichen Kalkül ausrichten muß(7). Daraus folgen Fehlanpassungen innerhalb des Funktionierens der Wirtschaft, die noch dadurch verstärkt werden, daß die institutionelle Infrastruktur der Ökonomie für eine endgültige Durchsetzung gesamtgesellschaftlich orientierter Rationalität noch nicht ausgebaut war (was seinerseits eng mit dem zweiten Widerspruch zusammenhängt): die Planungs-, Koordinierungs- und Kontrollinstitutionen waren von der Regierung der Volkseinheit vorgefunden worden, entsprachen also den Bedürfnissen der vorherigen rein privatkapitalistischen Struktur(8) und konnten nicht so schnell transformiert werden.

Die zweite Auswirkung betrifft das mit jener Koexistenz mitgesetzte Nebeneinander entgegengesetzter gesellschaftlicher Organisationsformen der Arbeit. Nicht nur die Eigentums-, sondern auch die Formen der Teilhabe der Lohnarbeiter an den innerbetrieblichen Entscheidungs- und Willensbildungsprozessen im Hinblick auf die Gestaltung des Produktionsprozesses und die Verwendung der erwirtschafteten Überschüsse müssen in beiden Wirtschaftssektoren prinzipiell verschieden sein. Das zeigt sich in Chile allemal und allerorten. Die Vermutung ist nicht leichtfertig, daß viele spontane Streikbewegungen in den privatkapitalistischen und manche in den vergesellschafteten Unternehmen in eben diesem Sachverhalt ihren Ursprung haben(9).

Revolutionin der Legalität?

Der zweite Widerspruch ist leichter und kürzer zu erklären. Die Klassen- und Parteienkoalition der Volkseinheit übernimmt die Regierung in einem Staat, dessen bürgerlich-demokratische Struktur nicht nur vollkommen intakt ist, sondern die Übernahme der Regierungsgewalt erst ermöglicht hat. Damit ist ein Aktionsrahmen vorgegeben. Dieser beeinträchtigt die Durchsetzung der Interessen jener Klassenkoalition, besonders wenn das Proletariat tatsächlich das eigentliche Rückgrat derselben ausmacht(IO). Der Widerspruch ist an der Trennung der Gewalten besonders leicht festzumachen. Die Volkseinheit übernimmt die Exekutive, d. h. sie bemächtigt sich der politischen Kontrolle der staatlichen Bürokratie, und setzt diesen Apparat gemäß ihren Interessen-Zielen ein. Abgesehen davon, daß diese Bürokratie nur in den höchsten Rängen der Volkseinheit ergeben ist(ll), ergibt sich noch ein weiteres Problem: Die Ausübung der Exekutivgewalt setzt in einem bürgerlich-demokratischen System voraus, daß bestimmte Spielregeln eingehalten werden. Diese Spielregeln, als System, haben eine bestimmte interne Logik, deren Klassencharakter sich nicht nur

aus der Definition derer ergibt, die sie erlassen haben, sondern in der Essenz des bürgerlichen Staatsapparates selbst angelegt ist. Hinzu kommt, daß die Legislative von der Opposition kontrolliert wird. Die Opposition (die ja nicht bloß politische Opposition, sondern der Klassenfeind ist) kann also durch parlamentarische Intervention die Regierung der Volkseinheit in ihrer Aktion ständig bremsen und zurückpfeifen - davon macht sie reichlich Gebrauch. überdies verzerrt die Fortdauer der Existenz des Parlaments die internen politischen Perspektiven der Parteien der Volkseinheit ständig: Man konzentriert sich darauf, wie man bei den nächsten Wahlen die parlamentarische Mehrheit bekommt, glaubt, daß man damit dann endlich „schrittweise" die Macht übernehmen könne, und verzichtet auf die Ausarbeitung anderer Strategien für die Machtübernahmen2). Die rechtsprechende Gewalt schließlich enthüllt ihren Klassencharakter täglich eindeutiger, ihre Urteile wollen der Regierung schaden, die von ihr ausgehenden Gesetzesinterpretationen sind eng und lassen keinen Spielraum. Das alles bedeutet, daß die Regierung auf die Zusammenarbeit mit den anderen beiden Gewalten angewiesen ist, weil es so die Verfassung (noch immer) vorsieht. Diese Zusammenarbeit aber hindert sie daran, das zu verwirklichen, was sie ihren Wählern versprochen hat und was zu tun sie für notwendig hält. Den vorgegebenen Aktionsrahmen zu sprengen, wird unter diesen Umständen gerade wegen der Fixierung führender Politiker der Volkseinheit auf ihn fast unmöglich, denn es setzte die parteiinterne und persönliche Zerstörung des „demokratischen Mythos"(13) der chilenischen Gesellschaft voraus. Solange also das gegenwärtige bourgeois-demokratische System besteht, wird der Widerspruch zu den Klassen, die an die Macht drängen, nicht verschwinden können, wird die chilenische Revolution weiter ihren gefährlichen Zick-Zack-Tanz auf dem Seil der ererbten Legalität weiterführen müssen(14).

Der dritte Widerspruch schließlich hat eine seiner Wurzeln in einer theoretischen Ansicht von der Unterentwicklung, welche gerade von der chilenischen Wirklichkeit in ihrer strukturellen Entfaltung tagtäglich widerlegt wird. Es wird angenommen, daß in dieser Phase des Kampfes gegen den Imperialismus und die ihm verbündeten einheimischen herrschenden Klassen eine Koinzidenz der Interessen zwischen (Industrie-, Land- und „Marginal"-) Proletariat und den klein- und mittelbürgerlichen Mittelschichten besteht. Objektiv mag diese Koinzidenz durchaus vorhanden sein, mögen die Mittelschichten vom Imperialismus und von den bisher herrschenden Klassen ähnlich, wenn auch unter Gewährung größerer Privilegien ausgebeutet werden wie das Proletariat. Im Klassenbewußtsein jener Schichten hat sich das gleichwohl nicht niedergeschlagen, ja: sie scheinen immer mehr den'Herrschenden auf den Leim zu gehen. Ihr politisches Verhalten wird aber von ihrem Klassenbewußtsein bestimmt Damit wird die subjektive Interessenverschiedenheit zu einem objektiven Faktor des chilenischen Prozesses und der Versuch, die Mittelklassen mit dem Proletariat zu versöhnen, zum Versuch, das Unversöhnbare in Einklang zu bringen. Die Konfrontation mit den Mittelschichten findet nicht statt, weil sie das Ererbte wie das Geschaffene in Frage stellen, weil zerstören könnte. Sie wird aber in dem Maße notwendig, in dem nur die klare Definition darüber, welche Klasse das Rückgrat der chilenischen Revolution wie konkret ausmacht, das überleben derselben als solcher garantieren kann.

Natürlich spielen andere Faktoren in der Entwicklung des chilenischen Prozesses eine Rolle. Besonders wichtig ist der totale Krieg, den der Imperialismus der Revolution erklärt hat. Er treibt nicht nur, durch die Hand seiner chilenischen Verbündeten, dauernd aktive Wirtschaftssabotage und kürzt die Kredite in den von ihm beherrschten internationalen Finanz- und Entwicklungsorganisationen, sondern setzt auch ständig seine eigenen legalen Mechanismen und die anderer kapitalistischer Staaten gegen die Revolution ein. überdies gibt es Hinweise darauf, daß er in seinen Konspirationsversuchen, von denen einer in der sogenannten ITT-Affaire so spektakulär geplatzt ist, munter weitermacht und sich dabei der Militärregime etwa Brasiliens und Boliviens bedient. Großen Einfluß hat auch die sich verschärfende Ungleichheit der „terms of trade", haben auch die wiederholten Währungskrisen, welche eine Wirtschaft, deren unumstrittene Leitwährung bisher der Dollar war (und ist) und deren Devisen- und Währungsreserven fast nur aus US-Dollars bestehen, wesentlich härter treffen als die entwickelten Gesellschaften.

Die interne Dynamik des chilenischen Prozesses scheint mir aber wesentlich durch jene drei Widersprüche gekennzeichnet, ja fast: bestimmt zu sein(15). Sie haben den Klassenkampf so verschärft, daß er zu einer immer größeren Polarisierung der Gesellschaft in politischen Termini geführt hat, also eine Wiederherstellung des prekären Gleichgewichts des ersten halben Jahres der Regierung der Volkseinheit unmöglich macht. Sogar die Faschisierung eines großen Teils der Bourgeoisie und ihrer politischen Organisationen, vor allem der Nationalen Partei und der Bewegung PATRIA Y LIBERTAD (Vaterland und Freiheit), hängen, wenn auch nicht unmittelbar kausal, mit diesen Widersprüchen zusammen. Die großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten sind, zumindest zu einem erheblichen Teil, eine direkte Folge von ihnen. Den Reformismus der Christdemokraten haben sie als verbalen entlarvt, indem sie seine Angst vor tatsächlich strukturellen Veränderungen aufgedeckt haben, und diese Partei immer mehr in die rechte Ecke getrieben(16). Für einige der Fehler der Parteien und der Regierung der Volkseinheit scheinen sie direkt mitverantwortlich zu sein, vor allem für den, der darin besteht, daß die Organisierung der bisher beherrschten Klasse als Voraussetzung ihrer politisch effektiven Bewußtmachung weitgehend unterlassen worden ist; für andere Fehler - das sollte man der Ehrlichkeit halber hinzufügen - steht dagegen die Tatsache, daß Chile sich in einer einmaligen Situation befand (und noch immer befindet), die gegebenen Modelle zu kopieren nicht erlaubt(e).

Die Perspektiven, vor denen Chile steht, *ind heute schwerer auszumachen denn je. Eines scheint sicher: der Bruch der historischen Kontinuität, d. h. ein qualitativ neuer Sprung innerhalb der Entwicklung, ist unabdingbar geworden(17); das wird von einigen Politikern der Volkseinheit offensichtlich auch klar gesehen(18). Das Problem besteht darin, daß das auch ein Sprung zurück werden kann, wenn die Rechte zur Konterrevolution und zum Bürgerkrieg losschlägt. Für die Volkseinheit muß es also wahrscheinlich darum gehen, solchen in der Situation durchaus angelegten Versuchen zuvorzukommen; das könnte etwa durch die Etablierung eines proletarischen Notstandsstaates(19) erreicht werden, der mit der Diktatur des Proletariats nicht identisch ist, weil er bestimmte Institutionen des bourgeoisdemokratischen Staates bewahrt und für sich nutzbar macht (in Chile vor allem die Streitkräfte). Ob das gelingt, werden die nächsten Zeiten zeigen(20).

Heinz Rudolf Sonntag

(*) Der folgende Versuch einer kurzen Analyse ist das Ergebnis zweier Reisen des Verfassers nach Chile im Juni/Juli 1971 und im August 1972. Die zweite wurde mit Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert.

(1) Le Monde v. 17/10/1972, S. 1.

(2) Vgl, DER SPIEGEL v. 16/10/1972, S. 128 ff.

(3) Der gerade zitierte Chile-Report des SPIEGEL besorgt das Faktisch-Anekdotische hinreichend.

(4) Vgl. Boris, Dieter, Elisabeth Boris und Wolfgang Ehrhardt, Chile auf dem Weg zum Sozialismus, Köln 1971; Klaus Eßer, Durch freie Wahlen zum Sozialismus oder Chiles Weg aus der Armut, Reinbek bei Hamburg 1972, und Heinz Rudolf Sonntag, Revolution in Chile. Der schwierige Weg zum Sozialismus, Frankfurt 1972.

(5) Ein Zitat aus dem Programm der Volkseinheit, das in Auszügen bei Sonntag, op. cit., S. 239 ff. abgedruckt ist.

(6) Daß dies mit einem wenn auch bisher selten benutzten - legalen Instrument aus der Zeit vor der Volkseinheit durchgeführt wurde, beleuchtet den Charakter der Widersprüche in ihrer Gesamtheit und ihr Zusammenwirken.

(7) Eine sehr prinzipielle Diskussion dieser Problematik bietet Charles Bettelheim, ökonomischer Kalkül und Eigentumsformen. Zur Theorie der Ubergangsgesellschaft, Berlin 1970.

(8) Die Tatsache, daß der chilenische Staat auch scnon vor der Regierung der Volkseinheit eine wichtige Funktion für das wirtschaftliche Leben besaß.

(vgl. Sonntag, Interview mit Gonzalo Martner, op. cit., S. 137 ff.), spricht natürlich nicht dagegen, daß es sich um eine „rein" privatkapitalistische Struktur gehandelt hat. Der Staat erfüllte vielmehr gerade die Funktionen, welche für die Aufrechterhaltung der „Reinheit" des Privatkapitalismus notwendig waren.

(9) Aus Platzgründen kann diese Diskussion hier nicht weiter fortgesetzt werden. Die Bedeutung der nur gerade angedeuteten Zusammenhänge liegt auf der Hand.

(10) Das behaupten die Politiker aller wichtiger Parteien der Volkseinheit; vgl. Sonntag, op. cit., Zehn Fragen und die Antworten, S. 206 ff.

(11) Die höheren und mittleren Chargen des Staatsapparates sind noch fest in den Händen der Angehörigen von Oppositionsparteien, die auf jede mögliche Weise Obstruktion betreiben - ein Erbe der spezifisch chilenischen Situation und ein enormes Problem für die Regierung der Volkseinheit.

(12) Verschiedene der Volkseinheit nahestehende (zudem wohlwollende) Kritiker haben diesen Sachverhalt auf die Formel gebracht, daß die Parteien der Regierungskoalition sich noch immer politisch als Oppositionsparteien verhielten. Das verkürzt das Problem zwar etwas, ist aber als Formel nützlich.

(13) Vgl. zu diesem Begriff Sonntag, op. cit.., 9. 93.

(14) Daß sie diesen bisher mitunter meisterlich durchgestanden hat, kann das Gesagte nicht vom Tisch bringen. Es läßt vielmehr darauf schließen, daß die immer tiefergehende Verschärfung des Klassenkampfes den Tanz unterbricht oder das Seil reißen läßt.

(15) Was selbstverständlich nicht ausschließt, daß sich entweder aus ihnen noch weitere ergeben oder . ganz neue herausbilden.

(16) Daß DER SPIEGEL (op. cit., S.^W8) die chilenischen Christdemokraten mit der SPD vergleicht, sagt in diesem Sinne allerhand über sein eigenes Selbstverständnis und gar manches über die SPD bzw. ihr Image im SPIEGEL aus.

(17) In diesem Sinne habe ich mich auch selbst zu kritisieren: In meinem Chile-Buch (vgl. Sonntag, op. cit., S. 95 ff.) habe ich noch angenommen, eine Entwicklung ohne Bruch der Kontinuität sei möglich, weil ich die Stabilität und Flexibilität der bestehenden Institutionen überschätzt habe.

(18) Allende selbst spricht ständig davon, daß es in dieser Phase notwendig ist, eine neue politische Verfassung, nämlich die „des Übergangs zum Sozialismus", dem Volk zur Diskussion vorzulegen.

Er hat darüber auch schon etliche Andeutungen gemacht. Er scheint sich also bewußt zu sein, daß das überschreiten des Programms der Volkseinheit nötig werden kann.

(19) Ich benutze diesen Begriff hier ähnlich wie Nicos Poulantzas, Fascisme et Dictature, Paris 1970, S. 13 ff., der ihn allerdings auf den bürgerlichen Staat anwendet, also von „bürgerlichem Nofstandsstaat" spricht.

(20) Ich möchte noch einmal darauf bestehen, daß dies ein Versuch ist und der Diskussion dienen will, überdies wird angenommen, daß die enormen Leistungen der Regierung der Volkseinheit dem Leser bekannt sind.