S chon das Symbol der Kampagne - ein knallroter Boxhandschuh mit einer Perlenkette ums Handgelenk - ließ weitere Peinlichkeiten erwarten. Schirmfrau Hannelore Elsner brachte die Botschaft des Plakats während der Eröffnungsveranstaltung auf den Punkt. Sie würde der „brutalen Gewalt” gerne „mit einem Lächeln” begegnen, gab sie kund. - Emanzipiert soll sie schon sein, die Frau von heute, aber nicht auf Kosten ihrer Weiblichkeit! Keine Angst also. Soweit bekannt, wurde während der dreimonatigen „Frauenoffensive” kein Mann verprügelt.

Statt dessen hatten sich die Veranstalterinnen in Zusammenarbeit mit Frankfurter Frauenprojekten eine Menge phantasievoller Aktionen einfallen lassen, unter anderem: einen Frauengottesdienst zum Auftakt der Kampagne („Gott will, daß wir wollen!”); Picknicks in Parkanlagen, bei denen Frauen und Mädchen „feiern, spielen und trommeln” sollten; „symbolische Aktionen der Besetzung öffentlicher Räume” wie eine dreitägige Diaprojektion überdimensional großer „Frauen in kämpferischer Haltung” an Häuserwände in der Innenstadt und eine Abschlußveranstaltung mit dem mystischen Titel „Nächtliche Inspektion der Konstablerwache durch die Königinnen von Tara”. Mit Abstand wichtigstes Motiv der feministischen Animationsarbeit war jedoch die „nächtliche Faszination des Unheimlichen”, mit der die Frauen an die „düsteren Orte” der Stadt gelockt werden sollten. Etwa zur „Moonlight-Tour durch Frankfurt”, Treffpunkt 24Uhr, Konstablerwache, zum „Joggen bei Dämmerung durch das Buga-Gelände” oder zur informativen Bahnhofsviertelbegehung. Pressereferentin Gabriele Wibelitz brachte dieses Konzept im FrankfurterFrauenblatt auf die Formel: „Frauen zu ungewöhnlichen Zeiten an ungewöhnlichen Orten.” Die Stadt - das waren aus der Sicht der Veranstalterinnen vor allem „Angsträume” wie die Konstablerwache, die Flauptwache, das Bahnhofsviertel. Abgesehen davon, daß einer Frau im Bahnhofsviertel vermutlich weniger gewalttätige Übergriffe drohep als in den zur Nachtzeit verlassenen Vierteln der Stadt, wurde hier ein Bild der Stadt entworfen, das die vorhandenen Strukturen einfach voraussetzte und lediglich mehr ‘selbstbewußte Präsenz’ von den Frauen einforderte. Warum aber sollten die sich

unbedingt die Konstablerwache ‘nehmen’ wollen? Und noch dazu bei der Kälte und um Mitternacht? (Das hatte zur Folge, daß die meist nur spärlich teilnehmenden Frauen immer dann ‘Präsenz’ zeigten, wenn’s keiner mehr mitbekam.) Zugleich beteiligte frau sich damit an der Mythologisierung „gefährlicher Orte”, wie sie von der derzeitigen städtischen Sicherheitspolitik und der ihr sekundierenden Presse betrieben wird. Zwar war der Presseinformation des Frauenreferates vorab zu entnehmen: „Mit den Aktionsmonaten soll ein Signal gegen die ausschließlich ordnungspolitischen Lösungen des Problems der Gewalt im öffentlichen Raum gesetzt werden.” Dem Gegenkonzept aber, das eher nach der Devise ‘Frauen helfen Frauen’ gedacht war, und für das eigens ein Button angefertigt wurde (mit zwei F - für ‘Frauen’ und ‘Frankfurt’), der signalisieren sollte: Ich bin auch eine Frau und ansprechbar, diesem Gegenkonzept stand schon entgegen, daß die Kampagne in trauter Zusammenarbeit mit den Sicherheitskräften durchgezogen wurde. Wie will man ein solches Signal setzen, wenn bei manchen Veranstaltungen für jede Frau ein Ordnungshüter bereitsteht - so daß sogar die Frankfurter Rundschau spöttisch titelte: „Frauen eroberten mit Uniformierten die Konstablerwache”. Mit der Fixierung auf die „gefährlichen Orte” der Stadt stand das Thema der Kampagne fest, über das auch die Presse vorrangig berichtete.

Gesundheits- und Frauendezernentin Margarethe Nimsch stellte auf der Eröffnungsveranstaltung programmatisch fest: „Erst seitdem sich auch Männer nachts nicht mehr überall angstfrei bewegen können, wird das Problem der Gewalt im öffentlichen Raum mit größter Aufmerksamkeit behandelt.” In der aktuellen sicherheitspolitischen Debatte werde jedoch die besondere Gewalt gegen Frauen völlig „ausgeblendet”, so Nimsch weiter. Hier müsse das Frauenreferat eingreifen. Daß es sich eher umgekehrt verhält und gerade auch mit der Angst der Frauen argumentiert wird, um soziale Probleme in der Stadt ordnungspolitisch zu ,lösen’, ließ die Kampagne für viele Frauen in einem eigenartigen Licht erscheinen. Denn wer weiß noch nicht, daß es vor allem der ausländische, obdachlose Drogendealer ist, der ‘unsere’ Frauen und Kinder bedroht? „Man kann als Frau doch heutzutage nicht mehr auf die Straße gehen”, ließ BILD anläßlich der Kampagne die Frankfurterinnen verkünden.

Da half es nichts, daß auf einer der Veranstaltungen die Selbstverteidigungslehrerin Sunny Graf darauf hinwies, daß über 80% der sexuellen Gewalt gegen Frauen von Bekannten und Ehemännern ausgeht die Kampagne bestärkte in Konzept und Durchführung die ideologische Trennung von Öffentlichkeit’ und ,Privatsphäre’.

Wenn etwas von den Veranstalterinnen „ausgeblendet” wurde, dann war es die alltägliche sexistische Gewalt, die Frauen an gewöhnlichen’ Orten droht und die ihre gesellschaftliche Grundlage im privatisierten Gewaltmonopol der (Ehe-)Männer hat, das staatlicherseits geschützt ist, und das einmal - der bürgerlichen Familienideologie zufolge - den ,Schutz’ der Frauen garantieren sollte, so wie das staatliche Gewaltmonopol den ,Schutz’ der Bürger. Der Mann als Beschützer jedoch war immer schon zugleich der (potentielle) Vergewaltiger. Umso schlimmer, daß auch Feministinnen sich nun beschützen lassen und, wie die Leiterin des Frauenreferates Renate Krauß-Pötz während eines Vortrages an der Frankfurter Uni, den verstärkten Einsatz schwarzer Sheriffs auf der Hauptwache begrüßen, mit der Begründung, „daß die Vertreibung von Obdachlosen und die nun stetige Präsenz von Sicherheitskräften” eine „Verbesserung der Situation von Frauen” bedeute.

Mit der Verstaatlichung der Frauenpolitik verändern sich eben nicht nur die Formen feministischer Politik, sondern auch die Inhalte. An den Aktivitäten des Frauenreferates läßt sich diese Transformation feministischer Politik exemplarisch beobachten, die nun auf der Ebene staatlicher Institutionen versucht, feministische Anliegen administrativ handhabbar zu machen. Das Frauenreferat funktioniert als „Querschnittsamt”, d.h. es gibt acht Fachreferentinnen für die verschiedenen kommunalen Ressorts (Stadtplanung, Kultur und Bildung, Gesundheitspolitik etc.), die innerhalb dieser vorgegebenen Strukturen städtischer Politik mit „feministischem Sachverstand” die „Bedürfnisse” der Frauen erkunden und Maßnahmen zur „Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Frankfurter Bürgerinnen” entwickeln.

Ein Beispiel: Um den „Mobilitätsbedürfnissen” von Frauen Rechnung zu tragen, hat das Dezernat eine Untersuchung zur „frauengerechten Umgestaltung des Öffentlichen Personennah-Verkehrs (ÖPNV)” in Auftrag gegeben. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, daß der ÖPNV „weder den Wegen, die Frauen mit Kindern, Kinderwagen und Einkauftstüten zurücklegen wollen und müssen, noch ihrem Sicherheitsbedürnis” gerecht wird. Ob sie nun wollen oder müssen, wird aus der Sicht der administrativen Frauenpolitik irrelevant, wissen die Expertinnen doch immer schon, wie Frauen sind. So wird aus dem unbestreitbaren Faktum, daß Kinderwägen geschoben und Einkaufstüten getragen werden müssen, ein spezifisch weibliches „Mobilitätsbedürfnis”.

Die institutionelle Interpretation und Bearbeitung solcher „Bedürfnisse” affirmiert nicht nur die herrschende sexistische Arbeitsteilung, sie konstruiert zugleich ein weibliches Subjekt, das Frauen als schutzbedürftige Empfängerinnen staatlicher Hilfsmaßnahmen repräsentiert. Angesichts der ca. 30 Frauenparkhausplätze in ganz Frankfurt - einer der wichtigsten Errungenschaften des Frauenreferates - drängt sich mir der Gedanke auf, daß Frauen eben doch eine bedrohte Minderheit sind, zumindest werden sie dazu gemacht. Die Politik des Frauenreferates bleibt inhaltlich beschränkt auf die Entwicklung solcher caritativer Hilfen, die meist nicht einmal durchgesetzt werden. In erster Linie betreiben die Referentinnen „symbolische” Politik, veranstalten Colloquien oder Vortragsreihen und produzieren ein Gutachten nach dem anderen. Wenn es dagegen zur Sache geht, halten sie sich vornehm zurück. So sah man etwa keine Notwendigkeit, sich zum Streit um den 218 zu äußern und lehnte gleich auch noch die Unterstützung einer Demonstration ab.

Wenn bisher Kritik an der städtischen Frauenpolitik laut wurde, so meist von seiten der Römer-CDU, die das Frauenreferat als ihr liebstes Angriffsziel ausgemacht hat und sich mit schöner Regelmäßigkeit über die sinnlose Verschwendung von Steuergeldern aufregt.Von den Frauen selbst kommt wenig Widerspruch - was sicher auch daran liegt, daß die Verstaatlichung der Frauenpolitik außerinstitutionelle Initiativen mehr und mehr lahmgelegt hat. Doch kamen auf einzelnen Veranstaltungen der nun zu Ende gegangenen Stadt-Kampagne, die ja teilweise von autonomen Frauenprojekten oder Stadtteilgruppen organisiert waren, Widersprüche zwischen der Öffentlichkeitsarbeit des Frauenreferates und den Anliegen der repräsentierten’ Frauen zum Ausdruck. Sei es, daß hier des öfteren darauf hingewiesen wurde, daß die Fixierung der Kampagne auf die „öffentlichen” Räume der Stadt die Realität sexistischer Gewalt eigentlich verfehlt; sei es, indem die rassistischen Spaltungen auch unter den Frauen thematisiert wurden - daß in Frankfurt auch Frauen leben, die derzeit verstärkt rassistischer Gewalt ausgesetzt sind, hatten die Veranstalterinnen weitgehend ignoriert. Die positiven Effekte der Kampagne sind auch eher auf dieser Ebene zu suchen. So haben z.B. ein paar Frauen mehr von der Möglichkeit erfahren, Selbstverteidigungskurse zu besuchen; neue Gruppen sind entstanden, die sich auch weiterhin treffen Einige Frauen demonstrierten ihre Kritik an der damenhaften Zurückhaltung der ,Aktionen’, indem sie ein Haus im Stadtteil Bockenheim besetzten - eine etwas entschlossenere Umsetzung des Mottos „Frauen nehmen sich die Stadt”, das im übrigen eher hätte lauten müssen: Die Stadt nimmt sich die Frauen. Sie hat es versucht. Sabine Grimm