editorial
Das vorliegende Heft ist die letzte Ausgabe des diskus, die von dieser, nun seit drei Jahren tätigen Redaktion zusammengestellt wurde. Die Herausgeberinnen und Herausgeber bewerben sich im neuen Jahr nicht mehr. Das hat weder mit den Machtverhältnissen im derzeitigen AStA der Frankfurter Universität noch mit Trübsal zu tun. Der Entschluß speist sich vielmehr aus der Abneigung aller Redaktionsmitglieder gegen sogenannte Dinosaurier-Bands, die bis zum Umfallen ihr Yesterday Wiederkäuen. Abgehalfterte Fußballspieler eröffnen in dem Fall vorzugsweise Toto/ Lotto-Annahmestellen, werden Vertreter eines bekannten Sportartikelherstellers oder gehen ihren Hobbys Video, Tennis und Rennfelgen nach. Keine Angst, die Redaktionsmitglieder drängen nicht ins Kräuter-, Fahrrad- oder PRBusiness.
Also Schluß mit dem diskus? Nein. Deshalb fordern wir hiermit alle Interessierten auf, sich für die Herausgabe zu bewerben, auch falls ein im Frühjahr neu gewählter AStA dem diskus den Garaus machen will. So kommt ein letztes Mal die Rede auf ein oft an dieser Stelle verhandeltes Thema: Die Probleme der Herausgabe. Da der diskus institutionell dem Allgemeinen Studentenausschuß der Frankfurter Universität angegliedert ist, kann die Herausgabe kein unabhängiges Geschäft sein. Vielmehr hängt es ab von den Mehrheitsverhältnissen im Studentinnenparlament, den Launen von in die „politische Klasse” strebenden Rucksackträgem und dem Geiz eifriger Wertmüllsortierer. Deswegen findet sich in gut der Hälfte der in den letzten drei Jahren produzierten Hefte ein fast schon gebetsmühlenartiges Lamento nach dem Motto: Herausgabe gefährdet! Es blieb stets beim „gefährdet”, und so konnten trotz finanzieller Probleme seit Herbst '89 regelmäßig, zweimal im Semester Hefte erscheinen. Wenn man bedenkt, daß es zwischen 1985 und 1989 gerade deren drei waren, ein braves Ergebnis, aber auch Ausdruck des Wissens darum, daß es für eine politische Zeitschrift notwendig ist, kontinuierlich publiziert zu werden. Allerdings darf dabei nicht unterschlagen werden, daß der von 1987 bis 1989 amtierende rechte AStA den diskus einstellte; ein Novum in der Geschichte des heute seit über 40 Jahren existierenden Blattes.
Im Fall eines Wahlsieges der rechten Hochschulgruppen wird sich dieses Vorgehen mit Sicherheit wiederholen, da der RCDS und ähnliche Vereine wenig Interesse haben dürften, ein Organ kritischer Öffentlichkeit zu unterstützen. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, aus dem diskus ein Traineeprojekt für Karrieristen zu machen. Und da einzig die Geschichte, vornehmlich die der letzten zwanzig Jahre den diskus als Organ der Neuen Linken ausweist, ist auch die Umwandlung in ein Organ der Neuen Rechten ä la „Junge Freiheit” denkbar. Dies hängt letztlich von den politischen Kräfteverhältnissen und davon ab, ob sich eine neue Herausgeberlnnen-Gruppe findet, die den Namen Frankfurter Studentinnenzeitung diskus mit linken Inhalten belegt.
Bisher galt ein ungeschriebenes Gesetz, ein Sponti-Mythos, das besagte, die studentische Öffentlichkeit an der Frankfurter Universität steht als Teil der Neuen Linken für antikapitalistische und antiautoritäre Positionen. Über Nationalismus, Rassismus und Antisemitismus überhaupt ein Wort zu verlieren, erübrigte sich anscheinend von selbst.
Für die diskus-Redaktion kristallisierten sich diese Themen daher zwingend heraus, während die institutionalisierte Uni-Linke von der sozialen Lage der Studierenden über Möglichkeiten der konstruktiven Kritik am Asylrecht bis hin zur Forderung nach militärischer Intervention in Sarajevo nachdachte. Als Antwort darauf verließ die diskus-Redaktion den Rahmen der universitären Diskussionen und suchte an bundesweite Debatten anzuknüpfen, die sich dem gängigen Multikulti- und Zivilgesellschaftsgeschwätz nicht anbiederten. Außerdem vertritt die Redaktion die Auffassung, keiner Pluralismuskonzeption zu folgen. Denn in den Institutionen der bürgerlichen Demokratien regelt lediglich der Proporz die politischen Differenzen, mit der Folge, daß die Konsensbildung formell gewahrt bleibt und sich im Rahmen der jeweils herrschenden Auffassung der freiheitlichdemokratischen Grundordnung bewegt. Die Inschrift „Man hat sich bemüht” auf Willy Brandts Grabstein meint genau dies. Und alle, die sich nicht auf diese Verfaßtheit verpflichten lassen, werden unterschiedslos als Feinde der Demokratie behandelt und des Rechts-gleich-Links-Totalitarismus überführt.
Auch in der redaktionellen Arbeit kann kein verwischender Pluralismus gelten, auch kein falsch verstandener der Linken, wie er sich etwa in den siebziger Jahren aus dem Versuch .„authentisch” aus dem Bauch der Betroffenen zu berichten, ableitete. Der Vorwurf der Zensur, mit dem wir konfrontiert wurden, klagt aber gerade solche Verwischungen ein. Eine unleugbare Schwierigkeit, die als Zensur gedeutet werden kann, resultierte freilich aus der teils in Codes abgehaltenen Selbstverständigung innerhalb der Redaktion, die in Diskussionen häufig als geballte Ladung auf mögliche Autorinnen niederging.
Die inhaltliche Ausgestaltung einer Zeitschrift für radikale Kritik und politische Auseinandersetzungen erfordert eine redaktionell bestimmte Themensetzung, die den Widersprüchen innerhalb der bestehenden Gesellschaft nachspürt. Dazu gibt es eine Bandbreite, die von literarischen, feuilletonistischen, journalistischen bis zu theoretischen Texten reicht. Allerdings ist uns die richtige Gewichtung in den Heften nur selten gelungen. Einem Überhang an theoretischen und teils journalistischen Artikeln steht ein Mangel an literarischen und feuilletonistischen Beiträgen gegenüber. Damit waren wir nie zufrieden.
Künftig wollen wir außerhalb der Universität ein neues publizistisches Projekt angehen, das diesen Mangel zu beheben versucht, ohne auf die politische und theoretische Arbeit zu verzichten. Dazu orientieren wir uns bundesweit und streben eine Erweiterung der Redaktion an. Interessierte Leserinnen und Leser, Autoren und Autorinnen können uns bis Januar 1993 über das diskus-Büro erreichen, danach gilt als vorläufige Kontaktadresse die Edition ID-Archiv in Berlin.
Die Redaktion