Sprödes Parlando
Mit Delius stellt Klaus Wagenbach seinen ersten Debütanten vor. Zu erwarten war, wie be allen von Wagenbach vorgestellten Lyrikern, handwerkliche Sauberkeit, Präzision und Vertrauen in die Sprache. Das ist auch der erste Eindruck, nach summarischer Lektüre: hier traut einer seinen Augen und dann noch seiner Sprache: Dörfer sind Klöster, / Städte Wirtshäuser. / Zwischen beiden / trägt eine Eselin / Botschaften hin und her.
Das Kerbholz weist fünf Kerben auf: Sprüche -Nationales — Lesarten - Ortschaften - In-terna. Summarisch, beliebig, jedesmal acht bis elf Gedichte. Hier ist ein Temperament in Perspektiven. Seine Wahrnehmungsbereiche: Umwelt, Alltag, Landschaft, etwas Unbehagen und was sonst so daherkommt zu dem Dichter. Bücher zum Beispiel: Dekadenz: „Heut nacht / stürzte / mein Bücherregal ein. / — / Die leichten Verse / wogen die trüben / nicht auf.“ So lebt das vom sprachlichen Einfall, nicht immer glücklich, wie hier bei leicht und trübe, manchmal witz, manchmal elegisch. In Richtung auf ihn hin werden Bilder blockartig in sprödem Parlando zusammengestellt. Kein Reim, kaum Rhythmus, Alliteration und Wiederholung, dafür Chiffre, Symbol und surrealistische Anthropomorphisierung. Die Semantik soll zum alleinigen Träger der Sprachmagie werden. Man könnte also sagen, ein Erwarteter, ein Kenner von Eich bis Bachmann oder Grass, wie man will, eine nette Begabung, ein Talent, das sich spezialisieren will. Doch unter Nationales finden sich vier Gedichte — Nacheiner Panzerfahrt - Im Fadenkreuz - Hym-ne (!) — Nach dem Manöver, die mehrmalige Lektüre verlangen und rechtfertigen: Fragen verschleudert unter dem HammerFragen unter Adlers Klauen.
Was hilfts. In den Sekunden des Friedens:Denk die Motoren weg, es bleiben die Raupen.
Denk das Geschütz weg, es bleibt die Zielscheibe Luke.Halt dir die Ohren zu,du hörst deine Mörder trotzdem Hier ist Delius ein Betroffener und antwortet und hält durch, wo man durchhalten muß. Unter Anfängern sucht man nicht mehr nach solchen Gebilden und ist überrascht, sie zu finden. Man wird also genau hinhorchen auf was von dorten kommt. Was man vermißt, auch nur in Spuren nicht vorfindet, ist Brutalität, bodenose Trauer und Untröstlichkeit, Befindlichkeiten also, ja nun, ohne diese schenkt der Gott keine Verse, die nach ihresgleichen verlangen.
Klaus Vorpahl