Enthüllung
Auch den Nichteingeweihten war es sofort klar, dies ist keine gewöhnliche Feierstunde: „Großer Bahnhof“ für Max Horkheimer, anläßlich der Enthüllung seiner Büste in der Frankfurter Universitätsbibliothek. Sie waren alle gekommen, die Spitzen der Gesellschaft: der Ministerpräsident, der Oberbürgermeister, der Generalstaatsanwalt, der Prorektor der Universität der Bürgermeister und Gründezernent Die Kameras des Fernsehens surrten, als im gleißenden Scheinwerferlicht OB Brundert seine Laudatio anstimmte. Sie war ungewöhnlich plump und muß den Ehrenbürger Horkheimer peinlich berührt haben. Nach einem historischen Exkurs über Frankfurts Entwicklung (der natürlich bei den Römern begann und keine aus den Geschichtsbüchern bekannte Station aufzuzählen versäumte) drosch Brundert eine Phrase nach der anderen: Da war vom „jüdischen Mitbürger“ die Rede, von den „sittlichen Werten“, vom „mitmenschlichen Wirken“, die NS-Zeit wurde poetisch und schonend als „geprüftes Deutschland der hinter uns liegenden Jahrzehnte“ apostrophiert und schließlich war es „menschlich begreiflich“, daß „in dieser Stunde“ vom „Menschen Horkheimer“ nur die Rede war.
Es blieb Professor Adorno Vorbehalten, vom „Menschen Horkheimer" auf das für unsere gesellschaftliche Zukunft wesentlichere wissenschaftliche Werk des Gelehrten Horkheimer überzuleiten. Nur eine „Entprivatisierung des Festaktes" werde dem Soziologen, der stets kritisch zwischen privat und öffentlich zu unterscheiden wußte, gerecht. Adorno bezeichnete Horkheimers Werk als eine bedeutende produktive Gelehrtenleistung, deren Ausmaß heute noch nicht in vollem Umfange richtig eingeschätzt werden könne Adorno nahm auch zu den Gerüchten Stellung, er habe sich dagegen gewehrt, daß die von Knud Knudsen geschaffene Horkheimer-Büste im Institut für Sozialforschung aufgestellt werde. Dem Künstler war seine braune Vergangenheit vorgeworfen worden. Adorno bezeichnete Meldungen über seine Weigerung als „gemeine Lüge“. Vielmehr habe Horkheimer selbst den Wunsch geäußert, die Büste solle in der Bibliothek aufgestellt werden, um „Ehrung und Festakt zu entprivatisieren".
In den Dankesworten des Geehrten wurde die humane Gesinnung Horkheimers sichtbar. Er bezeichnet als Grundzug seines Schaffens die Erziehung des Menschen zu der Erkenntnis, daß der Haß in der Tat kein Recht hat, aber Haß gegen den Haß sein soll.
Horkheimers wahre Würdigung besteht in der Aufnahme seiner kritischen Gedanken. J. S.