Ordnung muß sein. Also verabschiedet man ein kleines Gesetz, ein Studentenwerksgesetz zum Beispiel. Früher waren die Studentenwerke Privatvereine des bürgerlichen Rechts, doch das ging nicht in Ordnung. Wohin so viele Steuergelder fließen, dort muß Staatsrecht ordnen, gesetzliche Ermächtigung, Aufsicht des Ministers — könnte doch jeder Student kommen und mitbestimmen wollen. Darum sind die Studentenwerke jetzt Anstalten des öffentlichen Rechts Aber was ein rechter Landtag ist, der sorgt nicht nur für Ordnung, der weiß von sozialem Verantwortungsbewußtsein sich durchdrungen. Besonders in Hessen, besonders wenns um Studenten geht. Um ihre Gesundheit zum Beispiel. Und so steht dann im Studentenwerkgesetz: Die Studentenwerke sorgen für die Gesundheit der Studenten Zur Krankenversicherung: Weil Konzentration Geschäftsrisiken vermindert, gibt es eine „DSKV (Deutsche Studentische Krankenversorgung), Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit“. Die meisten Studentenwerke gehören ihr an, auch Frankfurt. Mit guten Gründen: Studenten kränkeln seltener als der statistische Normalverbraucher, ergo bietet die DSKV konkurrenzlos niedrige Beitragssätze für die Versicherten, zur Zeit 3,50 DM monatlich. Um die Leistungen anderer Krankenkassen zu erreichen, wären freilich sechs Mark erforderlich; acht Mark Prämie im Monat benötigte man, würde jeder Versicherte die DSKV dann voll in Anspruch nehmen. Das aber tun die wenigsten: die meisten Studenten sind bei ihren Eltern mitversichert. Da deren Kassen mehr zu bieten hatten als die schwächliche der Studenten, blieb diese weitgehend von Rechnungen verschont. Wohl aber mußte jeder Student — mit den Sozialbeiträgen — sein Scherflein der DKSV entrichten, ob er wollte oder nicht. Fazit: Die Geschäftsstelle Frankfurt lieferte Jahr für Jahr Zigtausende als Überschuß an die Zentrale ab Das leuchtete den Darmstädter Studenten überhaupt nicht ein, als sie vor Jahresfrist der DSKV beitreten wollten. Sie insistierten darauf, Studenten, die anderswo versichert sind, vom Beitrag zu befreien. Das Kultusministerium, oberste Genehmigungsinstanz für alle Studentenwerksbeiträge, hatte nichts dagegen.

Der DSKV-Hauptversammlung erschien das Darmstädter Modell schießlich so plausibel, daß sie es für alle Geschäftsstellen übernahm, freilich mit der notwendigen Anhebung der Monatsprämie auf acht Mark bei gleichzeitiger Leistungsverbesserung auf Ersatzkassenniveau Die Studenten waren es zufrieden. In Frankfurt beschloß der Vorstand des Studentenwerks alsbald, so zu verfahren.

Mit den Anstalten des öffentlichen Rechts ist das aber so eine Sache: Damit sie ihren gesetzlichen Auftrag ordentlich erfüllen können, erheben sie Gebühren. Und im Fall des sozialen Auftrags des Studentenwerks, sagt das Ministerium, müssen die gezahlt werden ob man die Krankenkasse in Anspruch nehmen möchte oder nicht, eine andere Interpretation asse das öffentliche Recht nicht zu. In Darmstadt habe man noch beide Augen zugedrückt aber wenn jetzt alle kämen, wo komme man da hin. Da könne eines Tages ja auch einer kommen und seine Mensabeiträge verweigern, weil er nicht in der Mensa esse Also werden £lle Studenten in Frankfurt weiterhin zahlen müssen, im Sommersemester noch einmal 3,50 DM, im Wintersemester mehr. Die DSKV-Hauptversammlung hat acht Mark pro Monat festgesetzt, und wenn Frankfurt sich nicht daran hält, läuft es Gefahr, aus dem Versicherungsverein zu fliegen. Die Studentenwerke außerhalb Hessens werden sich bestimmt daran halten. Die befreien nämlich auch. Das können sie, weil sie keinen im Gesetz verankerten Sozialauftrag zu erfüllen haben Natürlich wollte der Gesetzgeber das nicht vielmehr genau das Gegenteil. Die Praxis, formaljuristisch angeleitet, realisiert sich wieder einmal gegen die eigene Intention, das Gesetz auf Kosten derer, die von ihm betroffen sind. Sinnvolle juristische Kautelen, absolut gesetzt, verkehren sich ins Gegenteil. Minister Schütte ist sich der sozialen Härte wohl bewußt. Als die erbosten Darmstädter, die nach dem Gleichheitsgrundsatz jetzt auch nicht mehr befreien dürfen (Motto: „Gerechtigkeit, Gerechtigkeit, das andere Bein muß auch kürzer werden“), Unterschriften sammelten und durch ihren AStA-Vorsitzenden überreichen ließen, ließ der Minister es jedenfalls durchblicken. Notfalls müsse man halt das Gesetz ändern, aber doch nicht mehr in dieser Legislaturperiode ... Merke: Summum ius, summa iniuria (Alter Sinnspruch). twf.