Dezimierungen der Hiwis an der Naturwiss. Fakultät
Der Krug ging zu lange zum Brunnen ...
170 wissenschaftliche Hilfskräfte der Naturwissenschaftlichen Fakultät, kurz „Hiwis“, beschlossen in einer Versammlung am 10. März, nicht länger zuzusehen, daß # einer von der Landesregierung beschlossenen Gehaltserhöhung von sechs Prozent keine Erhöhung der zur Verfügung stehenden Mittel im neuen Haushaltsjahr gefolgt war # neue Hiwi-Stellen — dank Berufungszusagen — nicht besetzt werden können, da der Etat schon am 1. März mit 30 Prozent überlastet war 0 daher zum 31. Mai bereits 50 Prozent der Verträge vom Kuratorium nicht mehr verlängert werden können, es sei denn, man verzichtet zum Wintersemester ganz auf den Hiwi Das Kuratorium hatte zwar 250 000 DM mehr für das Jahr 1966 beantragt. Davon wurden jedoch nur 100 000 DM bewilligt. So verfaßten die wissenschaftlichen Hilfskräfte zusammen mit den Assistenten der naturwissenschaftlichen Fakultät, der naturwissenschaftlichen Fachschaft und den Vertretern der Studentenschaft eine Petition an den hessischen Landtag, in der darauf hingewiesen wurde, welche Folgen einer Nichtbewilligung von 350 000 DM erwachsen: Ab 1. Juni wird die naturwissenschaftliche Fakultät gezwungen sein, sämtliche von Hiwis durchgeführten Veranstaltungen zu kürzen bzw. ausfallen zu lassen, das heißt # 250 Mediziner körinen in Frankfurt ihre Vorprüfung nicht ablegen, da sowohl Physik- als auch Chemiepraktika ganz ausfallen werden # 30 Pharmazeuten, 40 Chemiker und 40 Physiker haben sich umsonst auf ihre Versuche vorbereitet # 80 Studenten der Hochschule für Erziehung müssen sich andere Wahlfächer suchen, die sie nicht zum Besuch von Veranstaltungen an der naturwissenschaftlichen Fakultät zwingen 0 Anfangssemestern der Fächer Mathematik, Geologie, Meteorologie wird jede Selbstkontrolle durch Übungen genommen Der Ausfall von Seminaren und das Anwachsen von Arbeitsgruppen wird die Gesamtausbildung erheblich verlängern und schon so den Staatssäckel etwas mehr als 350 000 DM kosten. Dem Drängen von Regierung, von Universität und von den Studenten selbst nach einer sinnvollen Verkürzung der Ausbildungszeit — siehe Überlegung zum hessischen Hochschulgesetz, Empfehlungen der Rektorenkonferenz, Stellungnahmen des VDS — antwortet nur ein Wiehern des Amtsschimmels, der über zu eng gefaßte Titelgrenzen und deren Dekkung wacht,'im Chore mit einem kurzsichtigen Landtag, der Sparmaßnahmen auf Kosten der Zukunft einleitet Was ist inzwischen geschehen?
Die Petition wurde begleitet von Artikeln in der Presse. So ist es gelungen, wenigstens die Aufmerksamkeit der zuständigen Stellen zu erwecken Die SPD-Fraktion berät über Schritte, die zu tun seien. MdL Borsche von der CDU hat eine kleine schriftliche Anfrage an die Landesregierung gerichtet — leider bleiben der Regierung vier Monate Zeit für eine Beantwortung. MdL Karry und die FDP-Fraktion werden eine große mündliche Anfrage an die Regierung in der nächsten Parlamentssitzung am 11. Mai richten. Die Fraktion GDP/BHE berät über die Petition Der Haushaltsausschuß erwägt eine Empfehlung an die Regierung.
Leider lassen sich keine Prognosen stellen über den Ausgang all dieser Bemühungen. Uns verwundert das nicht, kennen wir doch schon zur Genüge das Verhältnis von wortreichen Antworten auf bildungs- und kulturpolitische Bemühungen und den wirklich gefolgten Taten. Eines steht diesmal aber sicher fest: die Verfasser der Petition werden es nicht bei Worten bewenden lassen, sondern sich im Falle eines negativen oder hinausgezögerten Bescheides der Landesregierung mit den dann entlassenen wissenschaftlichen Hilfskräften solidarisieren und so die auftretenden Schwierigkeiten zu einem Eklat für Universität und Land werden zu lassen Sollten Sie zufällig ein neuimmatrikulierter Student der Medizin, der Physik, Biologie oder Pharmazie sein, dann setzen Sie sich umgehend mit Ihrem Landtagsabgeordneten in Verbindung und helfen Sie durch Ihre Stimme Oder beeilen Sie sich mit Ihrem Studium aber dann nicht in Frankfurt. Chr. B.