Nach kontinuierlichem Erscheinen von elf Jahrgängen der Akzente führten die Begründer und Herausgeber, Walter Hollerer und Hans Bender, für Jahrgang 1965 eine neue Konzeption vor: jeweils eines der (ungefähr) zweimonatlich erscheinenden Hefte wurde unter ein Oberthema gestellt. Früher pflegten die Akzente, (die) Zeitschrift für Dichtung, aus der schönen Welt der Literatur Texte mehr oder minder unverbunden zu repräsentieren. Daneben gab es feste, wenn auch zwanglos erscheinende Rubriken, Vorstufen kleineren Umfangs zu den Themenheften: das Symposion etwa, oder Ak-zente stellen vor Die mit Jahrgang 1965 eintretende Veränderung der Zeitschrift für Dichtung äußerte sich in einer zunehmenden Aktualität der Thematik unter Einbeziehung auch un- bis antiliterarischer Aspekte. Das erste Themenheft bringt Beiträge zur Pop-, Ob- und Ob-überhaupt-Art und zum Happening. Das Titelschlagwort von Nr. 3/65 Pornographie?, spricht für die Einstellung der Herausgeber, erledigt sich aber dadurch von selbst. Seit Kant lohnt es nicht mehr, über Moral in der Kunst zu diskutieren. Doch die Leute wollen das, und das pornographische Heft war auch prompt vergriffen. Ähnlich lohnenswert ist Nr. 5/65, PolitischesDrama, politische Lyrik, wo ein paar Themen für besonders literaturfähig gehalten werden. Ohne programmatischen Charakter sind jene Zitate moderner Lyriker, die innerhalb des Themas Lange Gedichte (Nr. 2/65) unter dem vorsichtigen Titel Überlegungen, die für lange Ge-dichte gelten könnten, versammelt sind, aber Höllerers Thesen zum langen Gedicht deuten doch die Gefahr einer intendierten allgemeinen Verbindlichkeit an. Nr. 4/65, Der Essay, berücksichtigt in Beispielen antiker und klassischer Essayistik wie auch in Aufsätzen zu Geschichte, Wesen und Form den Essay nur als selbständige Gattung und negieren seine Möglichkeit als Strukturelement des Romans. Nr. 6/65 will unter dem Motto Zeitadäquates Be-wußtsein statt Vorurteil und Ideologiebefan-genheit mit stark soziologischem Tenor den Gemeinsamkeiten der fünf vorangegangenen Themen nachspüren.

Mit dem ersten Heft des neuen Jahrgangs 1966 lenken die Akzente ihre Konzeption wieder in gewohntere Bahnen zurück. Das Ergebnis ist eine gehaltvolle Doppelnummer, thematisch frei, dafür umfassend und vielschichtig. Abgedruckt ist zunächst das Resumöe des Ende Oktober in Wien stattgefundenen Rundgespräches zum Thema, ob der moderne Roman leben oder sterben soll, kann und will. Während Ernst Schnabel durch Abhängigkeit von der Wirklichkeit ein erneutes Opfer von Schwierigkeiten mit der Fiktion wird, verstehen es andere Prosaisten, ohne dabei naiv zu sein, zu erzählen. Das demonstrieren Romankapitel von Peter Handke, Wolfgang Weyrauch, Günter Seuren u. a. Zwar bringen auch hier die Ak-zente wieder einmal kurzfristige und damit wenig sinnvolle Vorabdrucke, doch erinnert das Heft insgesamt nicht mehr, wie oft im letzten Jahrgang, an ein erweitertes Hanser-Verlagsprogramm mit viel Leseproben. Heinrich Vornweg nimmt die vorhin erwähnten Denk- und Schreibschwierigkeiten zum Thema seines Essays Die Wörter und die Welt, der ein Gesamtbild der derzeitigen Literatur in der Bundesrepublik entwirft, vor der Kulisse des Literaturbetriebs und nach ihrer Weltanschauung und Struktur. Seine Aussagen können überprüft werden anhand einiger, bisher noch nicht zugänglicher Texte, die auf der letzten Tagung der Gruppe 47, gelesen wurden oder in den Umkreis hineinpassen. Die Beiträge Jakov Linds und Peter Bichels unterrichten über die Schwierigkeiten bei der Wahl des letzten Gruppen-Preisträgers, bis man sich schließlich für Schweizer Käse und gegen Afterprobe entschied. Hubert Fichtes gutgeschriebenes Romankapitel Palette bietet, zusammen mit der anderweitig erschienenen Schlamm-Polemik gegen „besexte Literatur“, die ihn indirekt zum Hauptschuldigen am heutigen Elend der Lite-ratur ernennt, die allerneueste Ergänzung zur reichlich strapazierten Pornographie. Der mancherorts anzutreffende Optimismus über thematische und formale Gemeinsamkeiten von ost- und westdeutscher Literatur herrschte auch bei der Berliner Tagung und wird bestätigt durch die hier abgedruckten Gedichte von Günter Herburger, Karl Mickel, Friedemann Berger u. a., zumeist lang, aber die Forderungen nach Politik trotzdem kühn verachtend. Solches Ignorieren impliziert die Machtlosigkeit der verschiedenartigsten „Ämter für Literatur“ (Brecht, Nr. 5/65), was dann zu einem Optimismus ganz anderer Art veranlassen könnte. Andreas Berg