Wer sich einmal die Mühe macht, Kommilitonen nach ihrer Meinung über unsere Studentenzeitung zu fragen, wird in den weitaus meisten Fällen eine recht kritische Stellungnahme zu hören bekommen. Stellungnahmen, deren Berechtigung im einzelnen hier nicht diskutiert werden soll —die aber eins zeigen: die Erwartungen, die man an das Erscheinen der Frankfurter Studentenzeitung geknüpft hat, haben sich weitgehend nicht erfüllt.

„Verordnungsblatt“ oder Zeitung?

„Unlebendig“ — „Trocken“ — „AStA-Verordnungsblatt“ — das sind einige der häufig zu hörenden Urteile von Kommilitonen, die doch an den wesentlichen Punkt rühren: die mangelnde Lebendigkeit unserer Zeitung, sowohl in formaler als auch inhaltlicher Hinsicht. Da stehen Artikel, deren gutgemeinte Gründlichkeit — mit Verlaub gesagt — von Langweiligkeit nicht mehr allzuweit entfernt ist. Dann die formale einförmige Gestaltung: Ueberschriften wie „Im Hause Schwalbach“ — „Konsequenzen des Christ-Seins“ — „Ja, mein Liebling“, kaum variierte Schriftgrößen und -stärken und vor allem die wenig ansprechende zweispaltige Aufmachung. Es fehlen: ein aufgelockerter, lebendiger Stil, Bilder, Zeichnungen, gute Kurzgeschichten und Reportagen und vor allem — Karikaturen.

Natürlich gibt es Einwände: die Mittel seien beschränkt, die Kosten für die Zeitung sind so niedrig wie möglich zu halten. Aber: eine bessere Zeitung spricht mehr Leser an, eine größere Verbreitung wiederum bringt höhere Einnahmen. Vor allem durch vermehrte Inserate.

Drei-Mann-Redaktion war überlastet

Natürlich: viele der oben kritisierten Mängel sind „Kinderkrankheiten“. Zurückzuführen auf die Ueberlastung der Redaktion in der Anfangszeit, als ein Redakteur, unterstützt von zwei Mitgliedern des AStA, nicht nur die Zeitung redigieren, umbrechen, sondern auch einen großen Teil der Artikel selber schreiben mußte. Nebenbei ist diese Tatsache ein Beweis mehr für die fehlende Resonanz in der Studentenschaft, vor allem aber für die bedauerliche Passivität der Arbeitsgemeinschaft für Publizistik Ende Mai beschloß der AStA die notwendig gewordene Reorganisation des Redaktionsstabes. Wir kommen hier zum Kernpunkt der Kritik. Es ist ohne Zweifel eine vernünftige Forderung, die Redaktion mit Kommilitonen zu besetzen, die praktische Erfahrung in der publizistischen Arbeit besitzen. So selbstverständlich diese Ansicht sein mag, so zeigt die Zusammensetzung des neugewählten Redaktionsstabes jedoch, daß man sich von dieser Forderung weitgehend freigemackt hat. Denn wie sieht diese Redaktion aus? Sie zählt insgesamt fünf Mitglieder, zwei davon gehören dem AStA an, die anderen drei, einschließlich des Chefredakteurs, sind aus der Studentenschaft — ebenfalls vom AStA bestimmt

Redaktion oder Verwaltung?

Daß ein solcher Redaktionsstab zwar nach rein theoretischen Gesichtspunkten arbeitsfähig ist, kaum aber nach journalistischen, bedarf keiner langen Erörterung. Ganze zwei Mitglieder der Redaktion (von denen der zweite beinahe nicht einmal gewählt worden wäre) verfügen durch ihre Tätigkeit als Mitarbeiter von Tageszeitungen über publizistische Erfahrung. Die anderen sind Laien, deren unbestreitbar guter Wille die fehlenden Erfahrungen und Maßstäbe journalistischer Arbeit schwerlich ersetzen kann. Auch die Vorrangstellung des AStA fällt auf, der nicht nur die ganze Redaktion ernennt, sondern darüber hinaus zwei Mitglieder in der Redaktion hat.

Mehrheitsbeschlüsse und Vetorecht

Die schwerfällige und umständliche Struktur der Redaktion wird besonders deutlich, wenn man sich ihre’ Arbeitsweise vergegenwärtigt: über die Annahme bzw. Ablehnung von Manuskripten wird durch Abstimmung entschieden, der Vertreter des AStA besitzt dabei ein Vetorecht. Daß die Arbeitsweise eines solchen „Apparates“ die für die journalistische Arbeit dringend notwendige Entschlußfreiheit und Wendigkeit hemmt, bedarf wohl kaum einer Erörterung. Abstimmungen und Mehrheitsbeschlüsse mögen innerhalb der studentischen Selbstverwaltung sinnvoll sein, ob man auf diese Weise aber eine gute und interessante Zeitung machen kann, scheint uns mehr als fraglich. Um nicht mißverstanden zu werden: Wir sind nicht gegen jede Kontrolle der Redaktion durch den AStA überhaupt. Wir sind nur der Ansicht, daß ein kleinliches „Hineinreden“ die Initiative der Redaktion beeinträchtigt.

AStA-Beschluß nur in grundsätzlichen Fragen

Wie soll aber eine auch nach journalistischen Gesichtspunkten arbeitsfähige Redaktion aussehen? Die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft für Publizistik dürften wohl am ehesten einige Voraussetzungen mitbringen, die einzelnen Ressorts (Chefredaktion, politisch-wirtschaftliche Fragen, Feuilleton und Universitätsnachrichten) zu besetzen. Zu diesem Arbeitsstab treten zwei Mitglieder des AStA, die eine direkte kaufmännische und finanzielle Kontrolle ausüben, sich aber jeder Einwirkung auf die redaktionelle Gestaltung enthalten. Die Weisungen des Chefredakteurs sind bindend und nicht von der Zustimmung der übrigen Redaktionsmitglider abhängig. Ausgenommen sind Stellungnahmen zu politischen und anderen bedeutsamen Ereignissen des öffentlichen Lebens, die durch die gesamte Redaktion bestimmt werden. Der AStA kann weiterhin mit Zweidrittel-Mehrheit der Redaktion das Vertrauen entziehen und einen neuen Redaktionsstab wählen Dies sei noch einmal betont: Es wird nicht bezweifelt, daß die Reorganisation der redaktionellen Arbeit an unserer Frankfurter Studentenzeitung mit dem Ziel erfolgte, der Redaktion Grundlage und Möglichkeit für eine erfolgreiche Arbeit zu geben. Wir sind nur der Ansicht, daß man dabei von falschen Voraussetzungen ausgegangen ist, Voraussetzungen, die journalistischer Erfahrung und Praxis nicht entsprechen und dem Ziel, eine gute und lebendige Studentenzeitung zu machen, im Wege stehen.

, stud. phil. Paul Schrage