Das Frankfurter Studentenhaus wird gebaut. In wenigen Wochen werden die Fundamente zu sehen sein und die Grundmauern in die Höhe wachsen. Jede Studentengeneration wird sich mit diesem Haus auseinanderzusetzen haben. Es liegt vor der Universität wie eine Aufforderung, es ist nicht zu viel behauptet, wenn man sagt: wie ein Problem. Mit dem Gebäude selbst haben wir schon viel gewonnen, doch alles wird davon abhängen, welcher Geist in ihm wohnen wird. Hier sollte jetzt die Diskussion einsetzen, sie ist wichtiger als die Freude über die wachsenden Mauern. Als Anregung zu solchen Ueberlegungen wollen diese Zeilen aufgefaßt werden, nicht als Vorschläge zu einer späteren Gestaltung.

Studentenhäuser gibt es in vielen Universitätsstädten, angefangen von der mehrstöckigen Mensa bis zum Heim einer Korporation von wenigen Mitgliedern. Wir wollen aus dieser interessanten und anregenden Vielfalt drei Typen herausgreifen, die einer besonderen Aufmerksamkeit wert sind

International in Göttingen

Zuerst das Fridtjof-Nansen-Haus in Göttingen. Es wurde nicht von der Universität gebaut und gehört ihr auch nicht. Der norwegische Pastor Olav Brennhovd bildete eine Gesellschaft für „Internationale Studienfreunde e. V.“ und von dieser wurde das Haus im Jahre 1948 gegründet. Von dem Geiste dieser Gesellschaft lebt das Studentenhaus. Es ist international; es legt Wert darauf, alle Nationen zu beherbergen, alle Religionen in seinen Mauern zu haben, verschiedene Rassen, verschiedene soziale Schichten junger Menschen zusammenzuführen. Dabei soll der einzelne keinesfalls auf eine bestimmte Lebensform oder Weltanschauung festgelegt werden, man erwartet nur seine Bemühungen um alle anderen, die mit ihm leben Die junge Gemeinschaft ist fast nur auf sich selbst gestellt, sie hat keine Satzung, keine Tradition, kein Vermögen. Sie hat Freunde zur Verfügung, die ihr raten, und in gewissem Maße das Wohlwollen der Oeffentlichkeit. Sie bemüht sich um die Oeffentlichkeit auch in Diskussionen Veranstaltungen, Vorträgen und internationalen Ferienkursen. Aber das eigentliche Leben in diesem Hause liegt bei jedem einzelnen, in seinen Bemühungen um den anderen Menschen, der ihm in der vielfältigsten Weise gegenübertritt

Arbeiter und Studenten in München

Noch gewagter ist der Versuch, der in München in der Wohnheimsiedlung am Maßmannplatz unternommen wird Hier werden Arbeiter und Studenten zusammengeführt, alle im gleichen Alter von 18 bis 25 Jahren. Der eine Teil geht in die Universität der andere in die Fabrik, nur die Freizeit bleibt gemeinsam. Es stehen bisher etwa 100 Plätze zur Verfügung. Bis Ende 1951 soll das Projekt auf 300 erweitert werden, da die Anfänge einen Erfolg versprachen. Auch hier liegt — in besonders starkem Maße — die Absicht vor, das exklusive Moment zu durchbrechen das dem Studenten jedenfalls bis zum ersten Weltkriege noch anhaftete. Dazu ist eine Arbeit von Jahren oder gar Jahrzehnten nötig, die leicht verhindert oder zerstört werden kann. Hier wird, wohl zum ersten Male, der praktische Versuch gemacht, von unten her das soziale Verständnis aufzubauen. Es scheint dies um so berechtigter, als der heute auf die Universität kommende Student wohl kaum noch Gelegenheit hat, mit Menschen anderer sozialer Schichten in engem Kontakt zu leben, wie es für die Kriegsgeneration eine Selbstverständlichkeit war.

In Tübingen Bildungsmoment

Ganz andere Absichten verfolgt das Leibniz-Kolleg in Tübingen. Hier wird versucht, den 60 Studenten und Studentinnen das “Studium generale“ näherzubringen, wie die ganze Zeit im Kolleg in der Hauptsache eine Vorbereitung auf das Studium sein soll. Es werden nur Oberschüler oder erste Semester aufgenommen. Die geistige Gemeinschaft ist das Anliegen dieses Kollegs, von der Bildung her gesehen und vom Zusammenleben.

So verschieden die Ansätze sind, alle drei Formen des Studentenhauses suchen die „Gemeinschaft“, jedes in seiner Weise, und wir glauben auch, daß ein Studentenhaus ohne solchen Geist nicht fruchtbar werden kann. Es wird sich kaum oder nur in seltenen Fällen eine Lebensgemeinschaft entwickeln, und es kommt auch nicht darauf an. Es soll niemandem Konkurrenz gemacht werden, aus dieser negativen Haltung wächst keine Frucht. Was aber erreicht werden muß, ist das Verständnis für ein Gemeinsames, das Gefühl, in einer Welt zu leben, die ohne den Sinn für ihre Zusammenhänge nicht mehr bestehen kann.

Vielleicht findet sich auch ein Band, das um unser Frankfurter Studentenhaus geschlungen werden kann. Diskutieren wir darüber! Gerhard Kath