Nochmals Korporationen
Das Thema Studentische Verbindungen liegt seit einiger Zeit in der Luft. Seit dem Artikel des Kommilitonen Spriestersbach in der „Volksstimme“ vom 26. Mai schlagen die Wellen höher denn je. Es ist in diesen Tagen sehr schwierig, mit Kommilitonen über dieses Thema sine ira et studio zu diskutieren Wenige Tage’ nach dem Erscheinen des Artikels fanden sich Vertreter von Verbindungen im alten Sinn und Vereinigungen neuer Art zu einer offenen Aussprache unter der vermittelnden Führung der beiden Studenteripfarrer zusammen. Das Thema des Abends war gegeben Die Korporationen verteidigten ihren Standpunkt. Sie Unterzeichneten als die Angegriffenen eine Resolution an Se. Magnifizenz, in der sie betonten, daß die Aufnahme ihrer Mitglieder „ohne Rücksicht auf nationale, soziale und rassische Gesichtspunkte erfolgt“. Die Vertreter der freien Vereinigungen an der Universität lehnten zwar die alten Formen ab, sie fühlten aber, daß ganz allgemein die Diskussion um studentische Fragen nicht auf diese aggressive Weise geführt werden durfte. Die Resolution wurde daher einstimmig angenommen.
Die Einstimmigkeit beweist, daß sich jeder als Student von dieser Art der Meinungsäußerung getroffen fühlte. Wir dürfen aber darüber grundlegende, berechtigte Fragen nicht vergessen, die auch bei der Rüdesheimer Tagung behandelt wurden. Wir möchten sie hier zur Diskussion stellen und zum Nachdenken darüber anregen. Sind nicht alle die alten, manchem so lieben Formen und Farben der Verbindungen überholt? Wäre es nicht an der Zeit, den Begriff einer besonderen studentischen Ehre und alle damit zusammenhängenden Probleme endgültig ad acta zu legen? Ist es nicht vQrzuziehen, durch Vorträge und Diskussionen Vertändnis und Freundschaft auf weniger äußerlicher, nämlich geistiger Basis herzustellen? Da immerhin etwa 1200 Studentinnen an der Universität die gleichen Rechte und Pflichten haben wir, liegt doch der Vorschlag nahe, sie als gleichberechtigte Mitglieder zuzulassen. Haben nicht viele Studenten zu viel mitgemacht, als daß es ihnen genügte, bei Unwesentlichem stehen zu bleiben? Zum Wesentlichen gehört aber heute die Hilfe für unsere Kommilitonen in Mitteldeutschland und Berlin Hier vor allem könnte man ein weites Betätigungsfeld finden Wir sind auf das Achselzucken der „normalen“ Studenten gefaßt: Was geht mich das alles an! Wir möchten darauf hin weisen, daß es jeden Angehörigen der Universität beschäftigen sollte, wie die Studentenschaft von der Allgemeinheit betrachtet wird. Wir glauben, daß jeder mithelfen muß, Ordnung und Klarheit in das studentische Leben zu bringen und das Ansehen der Studentenschaft zu heben Die alte und reiche Geschichte der Verbindungen zeigt, daß sie öfter aus der Starrheit ihrer Statuten herausgingen und sich neuen Problemen aufgeschlossen zeigten. Wir warten heute auf eine solche Umgestaltung und sehen keine andere Möglichkeit, eine Antwort auf die brennenden Fragen zu finden, die einer Lösung harren.
W. Rick, Collegium