Am 2. Mai wählte der neue AStA unserer Universität seine Referenten. Zur Wahl des zweiten Sozialreferenten waren zwei AStA-Mitglieder vorgeschlagen. Obwohl nicht vorgesehen war, über die Person der beiden Kandidaten zu diskutieren, bemerkte ein AStA-Vertreter: „Ich möchte darauf hinweisen daß der eine Kandidat Mitglied des SDS ist.“ Der Diskussionsleiter rügte diese Aeußerung sofort als unsachlich. Aber sie ist zu wichtig, als daß sie unwidersprochen hingenommen werden könnte.

Es ist nicht einzusehen, welchen Einfluß die Mitgliedschaft in einer an unserer Universität zugelassenen Vereinigung auf die Wahl eines Referenten im AStA haben könnte. Der Hinweis jenes AStA-Mitgliedes ist daher höchst erstaunlich. Ich habe auch noch niemals gehört, daß bei der Wahl der Vorstandsmitglieder des AStA und seiner Referenten es irgendjemand für nötig hielt, darauf hinzuweisen, daß dieser Kandidat Mitglied einer Burschenschaft und jener Mitglied des Liberalen Clubs sei.

An unserer Universität existieren studentische Vereinigungen, darunter auch politische. Es ist selbstverständlich, daß auch Mitglieder dieser Vereinigungen in den AStA gelangen. Und in diesem Semester befindet sich nun unter den AStA-Vertretem auch ein Mitglied des SDS.

Es hat einmal Zeiten gegeben, in denen gewisse Kreise des deutschen Volkes die Sozialisten als „gefährlichen Bürgerschreck“ abstempelten, die in „Hemdsärmeln oder Rollkragenpullovern“ in Revolution machten. Man sollte annehmen, daß solche Ansichten heute abgetan sind. Und gerade Akademiker müßten sich eigentlich daran gewöhnt haben, daß es jetzt auch an der Universität Sozialisten gibt. Karl-Heinz Liebe