ein bericht vom siepert-doemelandprozeß berlin 10. märz

Donnerstag, der 10.3.; kein besonderer Tag in der Geschichte der Rechtsverdrehung. Wir erinnern uns; im großen Schauspielhaus von Moabit inszeniert das Bundeskriminalamt unter Regie von Buback und Herold die Kriminalgroteske mit dem Titel “Prozeß gegen mutmaßliche Unterstützung einer kriminellen Vereinigung nach § 129 StGB”,

In der Rolle eines Vorsitzenden Richters erleben wir den Schauspieler Kupsch, der schon öfter auffiel, weil er mangelnde Rollenkenntnis mit übertriebener Mimik zu überspielen suchte. Großartig jedoch die tänzerischen Leistungen Rzytarski’s als Anwalt des Staates. Vollkommen in Nebenrollen abgedrängt leider die Angeklagten, und vor allem ihre Verteidigerinnen, die sich selbst ihrer bescheidenen Rollen nicht immer gewachsen sehen. Waltraud Siepert — zunächst im Programm vorgesehen, hatte zu Recht abgelehnt, in diesem schlechten Stück aufzutreten, weil — wie sie sagte - die Inhalte der Inszenierung völlig verdreht worden seien. Aus einer Groteske mit unhaltbarer Beweislage sei unversehens ein Horrorstreifen, eine Geistergeschichte entstanden, bei denen die Mitwirkenden hinter der Bühne bleiben müßten. In Wahrheit sei der Text geklaut aus einem ganz anderen Stück mit dem Arbeitstitel “Lorenzentführung und andere spannende Geschichten aus dem Archiv des BKA”.

Recht hat sie, meinen wir, zumal das Stück keinerlei Spannung enthält. Durch Indiskretion gewöhnlich gut unterrichteter Kreise der linken Bewegung wurde inzwischen auch der Ausgang des Stückes bekannt: Es endet mit Paukenschlag und Vorverurteilung der Bewegung 2. Juni, nur um die Gagen für die Hauptdarsteller zu sparen und eine längst fällige Inszenierung mit grosser Besetzung zu umgehen.

Am Donnerstag war das Haus dennoch gut besucht. Wohl in Erwartung eines kurzen Gastspiels von Fritz Teufel, Andreas Vogel und Till Meyer, die sich ja bekanntlich in verschiedenen Engagements der letzten Zeit einen Namen gemacht hatten. Zunächst aber der Auftritt zweier Zeugen aus dem Volke: Die Angestellte einer Maklerfirma und einer Hauswartsfrau, beide sollen aussagen zu einer Garage in der Otto Suhr Allee, einem Szenenausschnitt, der wieder nicht in dieses Stück gehört. Eine Frau habe mit ihr telefoniert, den Vertrag gemacht und auch später die Schlüssel sagte die junge Angestellte; sie könne sich aber nicht an das Gesicht erinnern. Vor den vorgelegten Bildern kenne sie nur einige aus der Zeitung.

Einen Frau habe sich nach der Garage erkundigt, die Frau Nr. 14 in dem Bilderbuch, ja bei der Polizei habe man ihr auch diese Bilder gezeigt, es sei die gleiche Frau, wie auf den Litfaßsäulen. Aber ein Mann habe die Schlüssel abgeholt, das wisse sie genau — von ihrer Tochter. Ein Wiederspruch, in der Regie nicht vorgesehen, man läßts dabei bewenden — Vereidigung — das Publikum muß aufstehen — Theaterpause.

2. Akt: Die Bühne besetzt. Die Zuschauer nehmen Platz. In der Sonderkulisse links von dem Podium zwischen zwei hünenhaften Vollzugsstatisten der Mann, dem nach der zwangsweisen Rasur zwecks Gegenüberstellung der Bart inzwischen wieder gewachsen ist. Feststellung der Personalien: Ob er der geladene Fritz Teufel sei, der hier auf Antrag der Verteidigung als Zeuge sei.

“Wie kommen sie denn darauf?” sagt dieser, “ich bin der Landesbischof Kruse, geboren am 2. Juni 1867 und dachte ich soll hier in der Rudi Carell Show auftreten!” Und ans Publikum gewandt: “ist das etwa der Richter Kubsch?” Das Publikum geht großartig mit, “ja, det isser”, tönts überall. Und der Richter nickt zustimmend. “Aha”, sagt der Landesbischof, “der ist mir schon bekannt von seinen kleinkarierten Beschlüssen!” und der Richter “ja, ja, das kann schon sein”.

Heiterkeit im Saal. Ein Anlaß für Staatsanwalt Möllenbrock, der unter den Zuschauern im ersten Rang sitzt, sofort vermeintliche Stöerer zu ermitteln. Er erntet aber nur Spott für den mißglückten Auftritt. “Sie haben hier gar keine Erklärungen abzugeben” brüllt nun Kubsch von oben, der sich offenbar auf seine Rolle besinnt.

“Erklärungen für das, was hier geschieht, erwarte ich eigentlich von Ihnen”, entgegnet der Bischof, dann zieht sich das Gericht mit wallenden Kostümen zur Beratung zurück.

Nach eingehender Beratung und intensiver Erforschung des Gewissens — darf man vermuten — überrascht die Regie mit einem neuen Einfall: 6 Monate Beugehaft für Landesbischof Kruse in der meisterhaften Rolle des Fritz Teufe. Damit ist auch das schon schlechte Stück völlig zur Schmiere heruntergekommen.