Sozialistisches Büro „objektiv fiir Berufsverbote “oder: Ratet mal!

Im Folgenden drucken wir ein Dokument ab, das unter den Funktionären einer Partei, die allen Lesern bekannt sein wird, seit einigen Wochen im Umlauf ist. Wir sind gespannt, ob jeder erkennt, um welche Partei es sich handelt. Diese Partei ist — soviel als Hinweis — nicht im Bundestag vertreten. Die Vermutung liegt nahe, daß einige Funktionäre dieser Partei ihre politische Duldung durch die SPD und GeAusschlüsse aus den Grwerkschaften) dadurch erkaufen wollen, daß sie nur bis zu einer bestimmten Grenze die kepressionsmaßnahmen bekämpfen, die von der SPD und Teilen der Gewerkschaften ausgehen.

INFORMATION zur sog.

„Initiative für ein Russell-Komitee/ Tribunal über die Repression in der BRD“

I.

Auf dem sog. ,Anti-Repressions-Kongreß* des Sozialistischen Büros (SB), maoistischer und trotzkistischer Gruppierungen (Pfingsten 1976 in Frankfurt) veröffentlichte das nationale Sekretariat der PSU (= Vereinigte Sozialistische Partei, Frankreich) einen Aufruf zur Durchführung eines .Russell-Komitees über die Repression in der BRD. In Punkt 3 dieses Aufrufs (vom 22.6.76) heißt es:

„Die äußeren Streitigkeiten wurden vor allem über die Berufsverbote im öffentlichen Dienst ausgetragen. Aber diese Bewegung enthält Risiken korporatistischer Natur (dJi. daß die Bewegung begrenzt ist auf den Kampf gegen die Berufsverbote). Wir weisen nachdrücklich auf die Tatsache hin, daß die Berufsverbote Teil einer globalen Strategie der BRD-Regierung sind, die darauf ausgerichtet ist, von jetzt an alle Versuche der Arbeiterklasse auf politische Organisierung zu liquidieren. Diese repressive Strategie zeigt sich genauso im Verbot der Propagierung von Gewalt, in den Unvereinbarkeitsbeschlüssen der Gewerkschaften, in den Haftbedingungen und der Isolierhaft in den Gefängnissen usw. ... “

(Zitat nach der KB-Dokumentation ‚Berufsverbot‘)

Aus dieser ‚Analyse‘ leitet die PSU dann die Empfehlung ab, „das Niveau und die gegenwärtigen Foren der internationalen Mobilisierung zu überschreiten“, und die PSU macht somit klar, daß ihre Initiative zur Durchführung eines Russell-Komitees die demokratische Bürger- und Bündnisbewegung ,Weg mit den Berufsverboten‘ entweder vereinnahmen oder ‚überwinden‘ sollte.

Das hatten in der BRD in den Jahren 1975/ 76 bereits ohne Erfolg die Gruppierungen versucht, die den o.g. Pfmgstkongreß organisiert hatten und die jetzt den Aufruf der PSU aufgriffen:

Das Sozialistische Büro (SB), der Kommunistische Bund (KB) und die Gruppe Internationaler Marxisten (GIM). Sie fanden sich auf einem ersten Treffen Mitte ’76 zur Vorbereitung des ‚Russell-Tribunals‘ zusammen und wurden ‚gestärkt‘ durch weitere Gruppierungen, wie:

Das Westberliner Aktionskomitee gegen Berufsverbote, die Evangelische Studentengemeinde (ESG), der Frankfurter Informationsdienst (ID), mehrere Anwaltskollektive, ehemalige Sponti-Arbeitskreise (?) und das Westdeutsche-Irland-Solidaritätskomitee.

Vertreter der genannten Gruppierungen haben im Oktober und November in Paris mit Vertretern der Russell-Peace-Foundation Gespräche über die Durchführung eines Russell-Tribunals geführt.

II.

Die Russell-Peace-Foundation (RussellFriedens-Stiftung) ist eine zweckgebundene Stiftung aus dem Nachlaß oder mit dem Namen des englischen Philosophen Bertrand Russell. Die Russell-Foundation hat bisher zwei Tribunale durchgeführt: ein Vietnam-Tribunal (1967) und ein Südamerika-Tribunal. Auf diesen Tribunalen wurden die Greueltaten faschistischer Regimes und die sie stützenden imperialistischen Regierungen öffentlich angeklagt und verurteilt. Grundlage dieser Tribunale über Folter, KZ, imperialistische Kriegsführung und Mißachtung internationaler Konventionen waren das Völkerrecht, international anerkannte Rechtsnormen und die jeweiligen Verfassungen.

III.

In den Gesprächen in Paris hat die RussellFoundation grundsätzliche* Bereitschaft (so SB und KB) gezeigt, die Initiative für ein Russell-Tribunal in der BRD zu prüfen. Die Russell-Foundation macht ihre Unterstützung und eine weitere Prüfung (so das SB) jedoch davon abhängig, daß „sie von gewichtigen Kräften in der BRD dazu aufgefordert werden würde“, (Zentrales Rundschreiben des SB). Es ist jedoch anzunehmen, daß die o.g. Gruppierungen die Russell-Foundation lediglich als Aushängeschild für ihre Bemühungen benutzen, die bestehende Bewegung gegen Berufsverbote zu schwächen.

SB, KB, GIM und deren sog. ‚Bündnis-‘ oder ‚Massen‘-Initiativen mobilisieren deshalb ihre Kräfte, um Einzelpersönlichkeiten, Komitees und Bürgerinitiativen für eine Anfrage an die Russell-Foundation zu gewinnen. Sie arbeiten dabei auf zwei Ebenen:

= nationales Unterstützungskomtee

= regionale Vorbereitungskomitees für das nationale Unterstützungskomitee

1. Nationales Unterstützungskomitee

Hauptsächlich zwischen dem SB (z.T. unterstützt von der GIM) und dem KB werden zwei, „Modelle der Unterstützung eines Russell-Tribunals“ diskutiert:

1.1. KB-Linie:

Bestehende ‚Komitees gegen Repression‘ (?) wählen ein nationales Unterstützungskomitee, das „über die Unterstützung des Tribunals hinaus eine gemeinsame Kampagne der Linken gegen die Repression zu organisieren“ hat. (SB-Organ ‚Links‘, Jan. 77). Der KB orientiert auf ein breites ‚Anti-Repressionsbündnis‘ zur ‚Überwindung der Vereinzelung linker Gruppen‘.

1.2. SB-Linie:

Da das SB wohl nicht viel von den KBKomitees gegen Repression hält und sich von einem Organisationskomitee keinen Erfolg (in seinem Sinne) verspricht, orientiert es auf ein Personen-Komitee aus 2o 3o Personen: „In ihm sollten Repräsentanten, also nicht formelle Delegierte, der anzusprechenden Kräfte sein von: Jugendorganisationen, kirchlichen Gruppierungen, von radikaldemokratischen und sozialistischen Kräften in Gewerkschaften und SPD und FDP, von BerufsverboteKomitees, Bürgerinitiativen und linken politischen Organisationen.“ (SB-Rundbrief).

In einem Artikel des SB-Organs ‚links‘ heißt es: das Personenkomitee soll aus Personen zusammengesetzt sein, die „bestimmte, gegen die Repression gerichtete Kräfte in den Organisationen repräsentieren“, - also SB-, KB- oder GIM-Sympathisanten (zumindest überwiegend) in den genannten Organisationen. Das spiegelt sich dann auch in den Namen wieder, die als Teilnehmer eines ersten Treffens der Unterstützungsgruppe genannt werden (u. a.: Jens Huhn (SB), Sybille Plogstedt, Otmar Schreiner (JUSO, als Beobachter!), Moneta (IGM). Winfrid Wolf (GIM), Detlev zum Winkel (KB), Walter Moßmann, Jüttner (JUSO, Antirevisionisten)u.a.

Die Aufgaben des Personen-Komitees sollen in folgendem liegen:

— Aufruf zur Unterstützung des Tribunals,

— Finanzierung, Öffentlichkeitsarbeit,

— Organisierung einer vorbereitenden Arbeitskonferenz und einer Abschlußveransteltung nach dem Tribunal.

Die z.T. heftig geführte Kontroverse um das ‚richtige‘ Modell ist offensichtlich noch nicht abgeschlossen, es scheint sich jedoch ein Kompromiß anzubahnen. Es wird ein Personen-Komitee gegründet, daß neben den auf die Durchführung des Tribunals bezogenen Aufgaben der KBKonzeption nicht entgegenarbeitet. Hier werden die beteiligten Gruppierungen nach der jeweiligen Konzeption verfahren.

Es ist klar: sowohl das SB-Modell wie das KB-Modell orientiert auf eine Zersplitterung bzw. Schwächung der seit 1973 wachsenden Bürgerinitiative ,Weg mit den Berufsverboten‘. Dabei zielt das SB direkt auf sozialdemokratische, liberale und auch gewerkschaftliche Kräfte, die den Arbeitsausschuß der Initiative ,Weg mit den Berufsverboten‘ mittragen, während der KB wohl stärker auf spontaneistische Bewegungen (neue APO) zielt, die sich in Fraueninitiativen, Bürgerinitiativen z.b. gegen den Bau von Kernkraftwerken oder im Bildungsbereich u.a. entwickeln.

Beiden gemeinsam ist der Versuch, die Kommunistische Position aus dem demokratischen Bündnis gegen Berufsverbote herauszudrängen und die eigenen Organisation zu stärken. Dieses Vorgehen entspricht dem Versuch der rechten SPDFührung, die Berufsverbots-Bewegung durch sog. „Menschenrechts-Kampagnen“ zu liquidieren.

2. Die ‚Hamburger Vorbereitungsgruppe für ein Russell-Tribunal in der BRD‘

Das erste Treffen der Hamburger Vorbereitungsgruppe fand am 5.1.77 statt. An diesem Treffen nehmen Mitglieder folgender Organisationen und Gruppen teil:

SB, KB, GIM, ESG, Jungdemokraten, Projektgruppe ‚Gegen politische Unterdrückung in der BRD‘, Bürgerinitiative Umweltschutz Unterelbe-Elmshorn, Biermann-Solidaritätsinitiative, Hochschullehrerinitiative gegen Berufsverbote. Die Mitglieder der genannten Organisationen hatten in der Regel kein Mandat. Eingeladen, aber nicht erschienen waren DKP, VAN, JUSO, Initiative ,Weg mit den Berufsverboten‘, mit denen Gespräche geführt werden sollen. Weiter sollen noch ‚Frauengruppen‘ (?) und das Eppendorfer Komitee gegen Berufsverbote (GIM-orientiert) angesprochen werden.

IV.

Das Zauberwort der Russell-Tribunal-initiativen ist die ‚Repression in der BRD‘. Darunter wird jede Form politischer Repression verstanden, ebenso wie die psychologischen Reaktionen (Angst, Einschüchterung) darauf. So werden zentral (SB-Rundbrief) folgende Themen für die Vorbereitung vorgeschlagen:

a) Auswirkung des Radikalenerlasses im weitesten Sinne, also politisches Berufsverbot auf allen Ebenen einschließlich des Betriebsbereichs,

b) Gesetze zur Legalisierung verschärfter Repression,

c) Repressive Anwendung der Gesetze durch die Gerichte,

d) Repressiver Einsatz des Gewaltapparates einschließlich Werkschutz und seine Militarisierung,

e) Haftbedingungen und Beschränkung,

f) Die Unvereinbarkeitsbeschlüsse der Gewerkschaften unter dem Aspekt, daß in einem Lande mit einer Einheitsgewerkschaft dadurch einem Teil der politischen Kräfte in der BRD die gewerkschaftliche Vertretung genommen wird,

g) Politische Repression gegen Arbeitsemigranten in der BRD.

Unterthemen (im Hamburger Komitee) lauten dann: Behinderung von Anwälten, Unterdrückung der Frau, Repression gegen Ausländer usw. In der Hamburger Vorbereitungsgruppe haben sich bisher folgende Untergruppen gebildet:

— Behinderung der linken Öffentlichkeit

— Polizeiwillkür

— Behinderung der politischen Verteidigung (Treffpunkt: Groenewoldbüro)

— Zur Situation politischer Gefangener. Das Thema ‚Repression in Ost und West‘ (eingebracht vom SB) ist zunächst aus taktischen Gründen gestrichen worden, da

— so der KB - dadurch die DKP, die VAN und die Initiative ,Weg mit den Berufsverboten‘ abgeschreckt werden würde. In einer Vorlage für eine erste Arbeitstagung in Hamburg nimmt jedoch dieses Thema breiten Raum ein.

Es fällt auf, daß über die Verletzung und Außerkraftsetzung verfassungsmäßiger Grundrechte durch die Politik und Praxis der Berufsverbote kein Wort verloren wird. Hier hat sich offensichtlich die maoistische Position durchgesetzt. So wird deutlich, daß es nicht nur ein verbaler Trick ist, wenn das Motto der breiten Berufsverbots-Bewegung: ‚Verteidigt die demokratischen Grundrechte’ ersetzt wird durch die Losung: ‚Gegen die Repression in der BRD’, unter Einbeziehung innergewerkschaftlicher Fragestellungen.

In dieser inhaltlichen Konzeption drückt sich ebenso wie in der organisatorischen Anlage des Tribunals der Versuch aus, der breiten Bewegung gegen Berufsverbote eine neue Orientierung zu geben, die sie in ein antigewerkschaftliches, sektiererisches und uneinheitliches Fahrwasser treibt. Es wird deutlich, daß die Initiatoren der sog. Anti-Repressions- bzw. Russell-Tribunal-Kampagnen objektiv das Geschäft deijenigen betreiben, die Berufsverbote verhängen und das Anwachsen der demokratischen Protestbewegung im Inund Ausland fürchten.