MINISTER POSSER INFORMIERT
Nordrhein- Westfalen
Pressemitteilung
Düsseldorf, 31. Mai 77/11.00
Justizminister Dr. Diether Posser „Fall Zahl“
zum Das Justizministerium teilt mit:
Der Strafgefangene Peter-Paul Zahl wäre gewiss kein „Fall", über den eine Presseerklärung abzugeben sich lohnen würde,
und die vorliegende Presseerklärung des Dr, Diether Posser keinen Kommentar wert, wenn sie nicht doch am 31. Mai 1977 um 11 Uhr abgegeben worden wäre, weil nämlich der Fall
von Gesinnungsfreunden
was ja kein Wunder ist.
aber auch von allzu leichtgläubigen Demokraten dazu gemacht worden (war).
So wurde der Unfall also doch zu einem Fall und die namentlich nicht genannten Unterzeichner eines offenen Briefes an Minister Posser werden sich fragen, ob sie zu den Gesinnungsfreunden oder den leichtgläubigen Demokraten gehören, wobei letztere offenbar allzu leicht den Glauben an die Justiz verloren haben, weil sie Wesen und Erscheinung nicht auseinanderhalten können
Manchem mag es scheinen, als werde er von der Justiz schlecht behandelt - man liest sogar von Folter!
Was nun wirklich unerhört ist, wenn nicht gar verboten. Die ganze Angelegenheit wird aber noch zusätzlich dadurch kompliziert, daß nicht nur bei der Justiz, sondern auch bei Peter-Paul Zahl Wesen und Erscheinung erheblich auseinanderklaffen
Einige sehen in ihm vielleicht einen engagierten Kämpfer für die Freiheit. Tatsächlich ist Zahl ein gefährlicher Gewaltverbrecher, der als Strafgefangener seinen Kampf gegen die von ihm so gehasste Gesellschaftsordnung mit anderen Mitteln fortsetzt, namentlich mit Lüge und Intrige, mit Hetze und Aufforderung zum Widerstand
Womit grundsätzlich alles gesagt ist Trotzdem
erscheint es angebracht,
was wiederum die Frage aufwirft, ob es in Wirklichkeit gar nicht angebracht ist. Jedenfalls
einiges über Peter Paul Zahl, seine Taten und seine Haftbedingungen zu sagen Was seine Persönlichkeit und seine Straftaten betrifft, so sollte man sich an die gesicherten Erkenntnisse der Strafverfolgungsbehörden und namentlich an die Feststellungen in dem vom Bundesgerichtshof bestätigten Urteil des Schwurgerichts in Düsseldorf vom 12.März 1976 halten und nicht an die von Zahl und seinen Freunden verbreiteten falschen Versionen, die leider gelegentlich ungeprüft übernommen werden.
Da von Zahls Freunden in einer umfangreichen Dokumentation sowohl das erste wie das zweite Urteil samt ihren Begründungen verbreitet werden, ist davon auszugehen, daß die Justiz an dem falschen Schein, den sie erweckt zumindest nicht unbeteiligt ist. Dr. Posser sollte eiligst die wirklichen Urteile und ihre wirklichen Begründungen vorlegen.
Zum Prinzip des Rechtsstaates gehört es nicht nur, einen Angeklagten bis zur rechtskräftigen Verurteilung als unschuldig zu behandeln, sondern ein rechtskräftiges Urteil zu respektieren.
Da spätestens seit Stammheim jeder weiß, wie es um das erste der beiden Prinzipien bestellt ist, kommt es auf die Qualität von Verurteüungen auch nicht mehr so sehr an. Hauptsache sie sind - wie die 15 Jahre für Zahl - recht kräftig.
Peter Paul Zahl betrieb in Berlin unter dem Namen und mit den Mitteln seiner (inzwischen von ihm geschiedenen) Ehefrau eine Druckerei, in der Druckschriften und Plakate hergestellt wurden, die teilweise zu offenem Kampf gegen den Staat aufriefen.
Damit soll deutlich werden, um was für ein Früchtchen es sich handelt. Lügt, hetzt, intrigiert, wie wir schon wissen und hat seine Frau schamlos ausgenutzt, um zum offenen Kampf aufzurufen. Kein Wunder, daß sie sich scheiden ließ. Allerdings könnte den allzu leichtgläubigen Demokraten inzwischen bekannt sein, mit welchen Mitteln die Berliner Polizei gegen Zahls Druckerei und seine schwangere Frau vorging, die infolge des als Terror erlebten Agierens der Staatsgewalt in die Nervenklinik kam.
Im Laufe des Jahres 1971 verließ er Frau und Kinder und ging in den Untergrund.
Aus welchem er am 17. April 1972 vor dem Landgericht Berlin wieder auftauchte, um sich zu sechs Monaten mit Bewährung verurteilen zu lassen, weil er ein Plakat mit den Namen von Befreiungsbewegungen gedruckt hatte. Aber das hatten wir schon beim Urteil, welches rechtskräftig ist. Genauso wie die von Posser zitierte Passage aus der Urteilsbegründung, in der von Zahls tiefgreifendem Haß auf „unser“ Staatswesen die Rede ist, genauso wie die amtliche Version über die Schießerei. Was den bis dahin dokumentierten und kommentierten Fall Zahl angeht, hat die Presseerklärung Possers nichts Neues zu bieten. Der Minister scheint allerdings, da er der Kritik der Gesinnungsfreunde und leichtgläubigen Demokraten nichts entgegenzusetzen hat, als das bereits Kritisierte, von der genauen Kenntnis des Falls so weit entfernt, daß er ihn folgerichtig nicht für einen solchen hält
Bis zum 29. April saß Peter Paul Zahl in der Justizvollzugsanstalt Werl ein. Dort kam es im Verlaufe des Monats April zu einer bedrohlich erscheinenden Situation: Am 24. April erschien vor der Justizvollzugsanstalt Werl in 13 Personenwagen und einem Lastkraftwagen eine Gruppe von Demonstranten mit Fahnen und Spruchbändern, unter anderem mit dem Text: „Reißt die Mauern ein! Holt die Menschen raus!" Und: „Weg mit der Sonderstation B 1!“
Der an Erscheinendem reichen Presseerklärung wird hier ein weiteres hinzugefügt. Doch unterläuft dem Minister hier wider Willen, daß mit dem Erscheinen einer Demonstrantengruppe auch ein Stück Wahrheit ans Licht kommt: Da auf den Mauern der Justizvollzugsanstalten in aller Regel nicht zu lesen steht, was hinter ihnen vorgeht, begründen ein paar Demonstranten mit Transparenten natürlich eine „gefährliche Situation“.
Diese „Sonderstation B 1“ kehrt auf einem Plakat wieder, das Geschäftsleuten in Werl und Journalisten zugesandt wurde. Darin wird behauptet, die „psychiatrische Abteilung des Zuchthauses Werl“ diene als Isolier- und Straf Station für Querulanten, Fluchtverdächtige und Geisteskranke, die nur deshalb nicht in ein Landeskrankenhaus verlegt würden, um Geld zu sparen. Die dort untergebrachten Gefangenen würden "abgespritzt", aus gesunden Menschen würden Wracks, aus Leichtgestörten Wahnsinnige gemacht; an einem türkischen Gefangenen werde die Langzeitwirkung eines Mittels erprobt. Um die Abschaffung dieser Jsolier- und Strafstation“ zu erzwingen, würden über 50 Gefangene vom 1. bis 3. Mai in den Hungerstreik treten. Unter den Streikbereiten war auch Zahl genannt. Innerhalb der Anstalt kursierte ein Aufruf zum Hungerstreik mit denselben Namen
Abgesehen davon, daß der Herr Minister vergißt, wenn er von denselben Namen redet, dieselben vorher zu nennen, sind das ja wohl keine Vorwürfe, die der Justizminister eines demokratischen Bundeslandes so einfach übergehen dürfte. Immerhin hatten ihn zuvor schon Abgeordnete des Landtags in einem Bericht darauf hingewiesen, daß die Anstaltsleitung in Werl „mit äußerster Härte“ durchgreife und sieben Arrestzellen beim Besuch der Parlamentarier mit Gefangenen belegt gewesen seien. Doch zunächst ist, wie immer in heiklen Situationen, erst mal Gefahr im Verzuge.
Als Ende April konkrete Anhaltspunkte dafür auftauchten, daß der Hungerstreik nur der Ablenkung von einem Gefangenenaufstand und einer beabsichtigten Entführung eines Anstaltsbediensteten dienen sollte, mußte sofort eingegriffen werden. Zwölf Gefangene, darunter Zahl, wurden in andere Anstalten verlegt. Von der Staatsanwaltschaft Arnsberg ist wegen des Verdachts der Beteiligung an der Geiselnahme ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden.
Das die bekannte Eigenschaft eines Volkswagens hat. Es läuft und läuft und läuft; und aus der Presseerklärung entnehmen wir nicht einmal genau, gegen wen. Immerhin ist auch dem Herrn Minister Posser aufgefallen, daß das sofortige Eingreifen nicht nur die mutmaßliche Geiselnahme, sondern auch den tatsächlich beabsichtigten Hungerstreik verhinderte.
Zu dem geplanten Hungerstreik in der Justizvollzugsanstalt Werl kam es nicht. Lediglich sieben Gefangene verweigerten vorübergehend die Nahrungsaufnahme, drei davon nahmen bereits am selben Tag das Mittagessen wieder ein; die übrigen geben den Streik in den nächsten Tagen wieder auf
Dem Zynismus dieses lediglich sieben fehlt zur vollständigen Abrundung eigentlich nur noch das Wort freiwillig vor aufgeben ; aber das scheint selbst dem Justizminister des Guten zuviel.
Die Verhältnisse in der Abteilung B 1 sind sorgfältig geprüft worden. Von den Vorwürfen ist nichts wahr. Es handelt sich nicht um eine psychiatrische Abteilung Die Abteilung B 1, die ihren Namen daher hat, daß sie im Erdgeschoss des Flügels B liegt, ist eingerichtet worden, um verhaltensauffällige Gefangene intensiv ärztlich und psychologisch betreuen zu können. Alle Gefangenen, die in der Abteilung waren und sind, sind vorsorglich Fachärzten für Psychiatrie vorgestellt worden. Bei keinem ist eine Geisteskrankheit festgestellt worden. Zur Kennzeichnung der Vorwürfe mag es genügen, daß von den namentlich genannten in B 1 angeblich isolierten Gefangenen einer überhaupt nicht und einer einen einzigen Tag dort war
Ach, Herr Posser. Es genügt wohl doch nicht. Abgesehen davon, daß wir immer noch nicht wissen, wer da namentlich genannt wird, also nichts überprüfen können, gesetzt aber auch, es wurde irrtümlich ein Gefangener genannt, der nicht in B 1 war, wir wundern uns doch. Denn man muß doch sehr leichtgläubig sein um zu schlukken, da da von einer Abteilung die Rede ist, in der Psychiater vorsorglich überprüfen, ob die, die dorthin kommen, geisteskrank sind oder nicht, wenn bei der bekannten finanziellen Ausstattung des Strafvollzuges hierzulande ausgerechnet in Werl eine intensive ärztliche und psychologische Betreueung stattfindet, in welchem Erdgeschoß auch immer.
Selbstverständlich wurden und werden keine Versuche mit Medikamenten angestellt. Psychopharmaka werden nur selten und auch dann nur kurze Zeit verabreicht. Bei dem namentlich erwähnten türkischen Gefangenen handelt es sich um einen Mann, der einen Landsmann ermordet hat und seine Abschiebung in die Türkei fürchtet
Was das wohl heißen soll ? Die erste Information wird durch die zweite kommentiert. Soll der Türke abgeschoben werden? Hat er reale Angst oder Paranoia ? Oder ist die Information, daß er einen Landsmann umgebracht hat die Legitimation, daß er ausnahmsweise längere Zeit Psychopharmaka erhielt? Oder was
Seit dem 29. April 1977 ist Peter Paul Zahl in der Justizvollzugsanstalt Bochum untergebracht. Die Umstände seiner Verlegung veranlaßten die Anstaltsleitung zu Sicherungsmaßnahmen, insbesondere zum Ausschluß von Gemeinschaftsveranstaltungen. Das hat nichts mit einer „Strafaktion" zu tun, wie gelegentlich zu lesen war
Sondern eben mit den Umständen
Seine Behandlung in der Justizvollzugsanstalt Bochum wird von Zahl mit Foltermethoden gegen gefangene IRA-Mitglieder in Nordirland verglichen. Von hier aus kann nicht beurteilt werden, was in Nordirland geschieht. Allein die Behauptung, gefoltert zu werden, ist ungeheuerlich. Zahl befindet sich in der Justizvollzusanstalt Bochum in einem normalen Haftraum, der lediglich durch ein zweites Schloß gesichert ist. Er ist im Besitz seiner eigenen Bücher und eigener Manuskripte sowie seiner Schreibmaschine. Um die Durchführbarkeit von Revisionen zu gewährleisten, ist die Anzahl der Bücher in dem Haf träum auf 15 und der Umfang der Manuskripte auf 4 Aktenordner beschränkt. Zahl kann jedoch Bücher und Manuskripte, die sich bei seiner Habe befinden, jederzeit austauschen. Die Weiterleitung von eingehenden Druckschriften an ihn ist nur dann versagt worden, wenn es sich nicht um ordnungsgemäß mit Impressum versehene Presseerzeugnisse handelte. Zahl wird auch nicht einer Lärmberieselung ausgesetzt, um „ihn weich zu kochen". Richtig ist, daß sich in der Justizvollzugsanstalt Bochum ein Metallverarbeitungsbetrieb befindet. Der Arbeitslärm ist aber durchaus zumutbar und wird ständig kontrolliert. Zahl wird davon nicht mehr betroffen als andere Gefangene auch. Daß der Gesundheitszustand des Gefangenen Zahl vom Anstaltsarzt überwacht wird, ist selbstverständlich
Fügen wir noch hinzu, daß der Haftraum, wie die Zelle hier genannt wird, in einem Kellertrakt liegt, der üblicherweise nicht belegt wird, daß den ganzen Tag deshalb Neonlicht brennt, daß besagte Fabrik direkt an diesen Trakt angrenzt und die Qualität der Behandlung Zahls eben erst zu beurteilen ist, wenn man diese Faktoren: Isolation, Neonlicht und Lärm zusammen nimmt, fugen wir weiter hinzu, daß Zahl zwar Schreibmaschine und Papier hat, aber zur Zeit keine Möglichkeit, die fertigen Manuskripte nach draußen zu befördern, fügen wir schließlich noch hinzu, daß die Anstaltsleitung in Bochum eine Woche lang einen Gerichtsbeschluß ignorierte, die Isolation Zahls aufzuheben, dann wird die Darstellung einigermaßen richtig,
Merke:
In § 2 Satz 2 des Strafvollzugsgesetzes heißt es: „Der Vollzug der Freiheitsstrafe dient auch dem Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten.“ Dies wird offenbar von manchen Kritikern übersehen
Unsichtbar macht sich die Dummheit, indem sie sehr große Ausmaße annimmt. Brecht
H. Oberländer