Normal« - eine Sprechblase?
Im hegemonialen mediopolitischen Diskurs ist angesichts der größten kapitalistischen Krise seit langer Zeit (die zudem gänzlich immanent produziert wurde, weil der Kapitalismus bis auf weiteres auf der gesamten Welt alternativlos implementiert ist und es keine größeren Klassenkämpfe gab) häufig auch vom Verlust der »Normalität« die Rede. In »normalen Zeiten«, hören wir, vertrauen sich die Banken gegenseitig und vertrauen die Menschen den Banken - aber dies seien eben keine normalen Zeiten (mehr). Das hört sich wie eine nichtssagende Sprechblase an - so als ob ich zu meiner Freundin sagen würde: »He! Hallo? ich find Dein Verhalten echt nicht mehr normal!« Abweichend von einer solchen achselzuckenden Normalitätsauffassung bin ich in der Studie »Versuch über den Normalismus. Wie Normalität produziert wird« 1 zu der Auffassung gelangt, dass selbst eine so sprechblasenverdächtige Aussage wie: »Wir leben nicht mehr in normalen Zeiten« sich auf reale gesellschaftliche Strukturen beziehen lässt, die mehr oder weniger exakt beschrieben und analysiert werden können, und dass diese Strukturen ein für moderne Gesellschaften mit-konstitutives Netz von Dispositiven bilden, das ich das des »Normalismus« zu nennen vorgeschlagen habe.
Woran sehen (oder eher: fühlen) wir momentan im Oktober 2008, dass die Zeiten nicht mehr normal sind? Vor allem an abwärts zeigenden (symbolisch: »abstürzenden«, »crashenden«) Kurven des DOW und des DAX auf unseren Bildschirmen. Diese Kurven sind Teil der »normalistischen Kurvenlandschaft«, wie es in meiner Studie heißt - und sie werden uns zusammen mit Fotos von Banktürmen unter drohend dunklen Wolken und lauter schief fotografierten Banktürmen serviert. Dazu sehen wir ernst dreinblickende Banker und Politiker, deren »message« auf »Schluss mit lustig« hinausläuft. Das entsprechende Spiegel -Cover zeigt ein eingedeutschtes schwarz-rot-goldenes Sofakissen ohne Sofa und ohne sonstiges Zubehör mit dem Titel: »Das Ende der Gemütlichkeit« (20.10.2008). In der Zeit (16.10.2008) übt sich derweil Bernd Ulrich in »Kulturdiagnose«, die sich so liest: »Rund um den Globus herrscht Angst. Aber leben wir in einem Zeitalter des Unglücks? Nein, das Normale erlebt eine Renaissance.« Im Einzelnen führt er aus: »Die Mensch-
heit ist also in ihrer exponentiellen Phase.« Darin sieht er aber eine Chance zur raschen und glatten Normalisierung: »Der gewöhnliche Mensch weiß nun, dass in den vergangenen Jahren nicht er verrückt gewesen ist. Das Normale erlebt eine Renaissance. [...] nein, es ist nicht spießig, ein Sparbuch zu haben; nein, unsere Kinder müssen nicht von Geburt an dressiert werden für den Weltmarkt.« Hätte Ulrich den »Versuch über den Normalismus gelesen«, könnte er nicht so locker von der Exponentialkurve zur Normalität zurück kommen. Tatsächlich gehört die (symbolische) Exponentialkurve (d.h. eine Wachstumskurve mit wachsendem Steigungswinkel) zu den wichtigsten Komponenten der »normalistischen Kurvenlandschaft«, die die Subjekte in Richtung Normalität orientieren soll nur steht sie für krasse Denormalisierung (Verlust der Normalität). Vor einer genaueren Erörterung des Kontextes der aktuellen Krise also in aller Kürze (sehr gerafft und vereinfacht) ein Konzentrat des Konzepts Normalismus:
Kurzdefinitionen zum Normalismus
1. Unter »Normalismus« sei die Gesamtheit aller sowohl diskursiven wie praktisch-intervenierenden Verfahren, Dispositive, Instanzen und Institutionen verstanden, durch die in modernen Gesellschaften »Normalitäten« produziert und reproduziert werden. Konstitutiv sind dabei insbesondere die Dispositive der massenhaften Verdatung, d.h. die statistischen Dispositive im weitesten Sinne: auf der Ebene der Datenerfassung einschließlich der Befragungen, auf der Ebene der Auswertung einschließlich der mathematisch-statistischen Verteilungstheorien, auf der Ebene der praktischen Intervention einschließlich aller sozialen Um-Verteilungs-Dispositive. Dabei sind die produzierten und reproduzierten Normalitäten in der Synchronie im wesentlichen durch »gemittelte« Verteilungen gekennzeichnet (breiter mittlerer »normal ränge« mit dichter Besetzung und zwei tendenziell symmetrische, »anormale« Extremzonen mit dünner Besetzung), idealiter einer »symbolisch gaußoiden Verteilung« angenähert. In der Diachronie ist der Idealtyp das »normale Wachstum« in Gestalt der »endlos wachsenden Schlange« (einer kontinuierlichen Folge logistischer Kurven, also gelängter S-Kurven). Diese Dispositive regelmäßiger, systematischer und flächendeckender Verdatung stellen nach diesem Ansatz das historische Apriori des Normalismus dar, der demzufolge also erst seit dem 18. Jahrhundert entstanden wäre.
2. Normalismus und Kapitalismus. Der Normalismus als ein auf flächendeckende statistische Verdatung und normalisierende Um-Verteilung von Massen gestütztes Regime des Industrialismus und der »Moderne« ist theoretisch im Prinzip autonom gegenüber dem Kapitalismus. Er ist nicht eine bloße und notwendige »Ableitung« des Kapitalismus. Auch nicht-kapitalistische politökonomische Regime des Industrialismus bzw. der Moderne wären auf statistische Verdatung und Um-Verteilung angewiesen, wie es auch die Leninismen gezeigt haben. Historisch ist allerdings seit dem 18. Jahrhundert eine enge Kopplung zwischen Kapitalismus und Normalismus entstanden, die durch lange Koevolution und insbesondere durch Schübe von »Reformen« in mehreren schweren Krisen so eng geworden ist, dass ich im »Versuch über den Normalismus« prognostiziert habe: Kapitalismus ohne Normalismus ist auch in Zukunft nicht vorstellbar. Die kapitalistischen statistischen Kurven, symbolisch am sichtbarsten die Börsenkurven, bilden eine wesentliche Komponente der normalistischen »Kurvenlandschaft«.
3. Normalitätsgrenzen und Anormalität. In einer symbolisch gaußoiden Verteilung (also einer Massenverteilung mit starker Zentraltendenz und gegen Null sich verdünnenden Ausläufern der Kurve an den Extremen) nimmt der Grad an Normalität, der in der »Mitte« am größten ist, in Richtung der Extreme ab. Irgendwo endet die Normalität ganz: An dieser Grenze beginnt die Anormalität. Beispiel Soziales: supernormaler Reichtum bzw. subnormale Armut. Je nach historischer Phase und. je nach Gesellschaft können die Normalitätsgrenzen >enger< oder >weiter< gelegt werden. Beispiel Sexualität: Entweder bloß monogame Heterosexualität ist normal und alles andere anormal, oder Inklusion/Integration möglichst vieler früherer »Anormalitäten« in das normale Spektrum.
4. Protonormalismus und flexibler Normalismus. Die normalistische Strategie mit engem Normalspektrum, breiten Bereichen der Anormalität und massiven Normalitätsgrenzen (Knast-, Anstalts- und KZ-Mauern) nenne ich Protonormalismus, die heute herrschende umgekehrte Strategie mit breitem Normalspektrum, maximaler Inklusion und porösen Normalitätsgrenzen des flexiblen Normalismus.
5. Denormalisierung/Normalisierung. Denormalisierung ist Verlust der Normalität - z.B. dadurch, dass eine symbolisch gaußoide Verteilung stark schief wird (»Schieflage«). Jede Denormalisierung schafft im Normalismus dringenden »Händlungsbedarf« nach Normalisierung.
6. Normalitätsklassen und Normalitätsklassenkämpfe. Das normalistische Regime mit seinen normalistischen Dispositiven hat sich seit dem 18. Jahrhundert in Schüben im Westen entwickelt. Mit der westlichen globalen Hegemonie hat es sich auf die ganze Welt ausgedehnt. Der Grad der normalistischen Penetration ist allerdings äußerst unterschiedlich. Grob gesehen, existieren fünf Normalitätsklassen: Erste und Zweite Welt sowie drei Klassen der Dritten Welt: obere Schwellenländer, mittlere Durchschnittsländer der 3. Welt, schließlich ganz unten die »least developed countries« mit ihren »failed States« und »black holes of governance«. Die UNO mit ihren Institutionen und Parallelinstitutionen (IMF, Weltbank) verdatet alle Länder, wobei sich statistisch grob gesehen die 5 Klassen ergeben (parallel dazu spielen auch die privaten Ratingagenturen eine enorme Rolle: Sie können ein Land durch Senkung der Bonität eine Klasse absteigen lassen). Dabei nimmt die statistische Transparenz, abgesehen von ihrer ständigen Prekarität im Kapitalismus, außerdem in den unteren Normalitätsklassen drastisch ab. Viele Länder der unteren Klassen beschäftigen ganze normalistische Bürokratien, deren einzige Aufgabe darin besteht, durch statistische Manipulationen internationale Hilfe zu erhalten bzw. zu bewahren. Je weiter nach unten, um so mehr dominiert die statistisch opake informal economy über die angeblich »normale«. Tatsächlich besitzen die Länder der vierten und fünften Klasse kaum eine bzw. gar keine Normalität. Sie sind bereits vor der jetzigen Krise völlig denormalisiert.
Multidimensionalität des Normalismus
Normalismus als auf Verdatung gestütztes Regime um-verteilender Normalisierung ist eine Art großer »Formalismus«, der keine eigene Substanz besitzt. Die verschiedenen gesellschaftlichen Praktiken und Diskurse - also außer Ökonomie auch Soziales, Politik, Militär, Technik, Recht und Kultur usw. - lassen sich gleichermaßen einem normalistischen Verdatungsund Um-Verteilungs-Regime unterwerfen. Dabei werden die zu verdatenden Massen aber nach je eigenen Regeln, unabhängig vom Normalismus, produziert, während das normalistische Dispositivnetz keineswegs alles erfasst noch erfassen kann (z. B. im Bereich der Subjektivitäten - vgl. etwa die prekäre Verdatung der Sexualität). Der Normalismus ist also ein lockeres, lückenhaftes und nicht flächendeckendes, >parasitär< an verschiedene vorgängige Substanzen gekoppeltes Dispositiv-Netz, ein >Archipel<.
Ökonomische Normalität besteht aus einem Bündel von Wachstumskurven (wobei im Kapitalismus die Wachstumskurve der Profitrate dominant ist), die sich jeweils in einem »Korridor der Normalität« mit Normalitätsgrenzen oberhalb und unterhalb der Kurve des langjährigen Durchschnitts entwickeln (ich komme darauf zurück). Soziale Normalität besteht im modernen Kapitalismus idealtypisch in der »sozialen Zwiebel«, d. h. einer Verteilung des Lebensstandards nach Art eines symbolischen Gaußoids: breite »Mittelklasse«, wenige sehr Reiche oben, aber auch wenige sehr Arme unten. Diese soziale Normalität ist also nicht bloß in den unteren Normalitätsklassen, wo sie nie auch nur eine annähernde Hoffnung war, sondern längst auch in der 1. Normalitätsklasse erodiert (Zweidrittelgesellschaft). Politische Normalität besteht analog dazu in einem Wahlverhalten, das die (symbolische) »Mitte« stärkt und die »Extreme links und rechts« ausdünnt (wiederum symbolisches Gaußoid).
Politische Anormalität -Not- und Ausnahmezustand
Die Dynamik der politischen Denormalisierung kann von der Carl Schmitt'schen These ausgehen, dass die politische Normalität (d.h. bei uns der binäre Regierbarkeits-Parlamentarismus nach dem Links-RechtsMitte-Extreme-Modell, also die parlamentarische Mini-Demokratie) allererst auf einer Entscheidung des Souveräns beruht und dass der wirkliche Souverän daran erkennbar ist, dass er über den Ausnahmezustand (d.h. über die politische Anormalität) herrscht. Anders gesagt führt eine Mega-Denormalisierungskrise politisch zu notständischen Tendenzen, d.h. zu Ermächtigungsgesetzen, Notstandsregierungen und Notstandserklärungen. Die ungeheure Virulenz der Krise von 2008 und der enorme Impakt der Ökonomie zeigen sich darin, dass über Nacht - jedenfalls auf dem wirtschaftlichen Gebiet - Ermächtigungsgesetze durch die Parlamente gepeitscht wurden, wie man sie tatsächlich seit den 1930er Jahren nicht mehr erlebt hat. Überall wurden über Nacht De-facto-Notstandsregierungen gebildet (dadurch, dass die bestehenden Regierungen sich umdefinierten bzw. die jeweiligen parlamentarischen Oppositionen in die Regierung einbanden). Überall dankten die Parlamente ab und ermächtigten die Exekutive zu einem Regime der Notverordnungen. In Deutschland ist die Große Koalition zwar nicht verfassungsgemäß, aber de facto das Regime des Notstands. Die Koalition Merkel-Steinbrück war demnach in ihren ersten drei (normalen) Jahren eigentlich systemwidrig (»unnötig«), was zur Schwächung des hegemonialen Parteiensystems führte - durch die Krise ist sie aber über Nacht in ihre eigentliche Funktion gerückt. Wir leben jetzt de facto unter einer Notstandsregierung.
Die Dynamik der Krise vom Herbst 2008 ff.normalismustheoretisch skizziert
Es ist ein altes Problem, wie sich die verschiedenen gesellschaftlichen »Ebenen«, »Teilsysteme« (Luhmann), »Felder« (Bourdieu), kurz Praktiken und Diskurse (Althusser, Foucault), in ihrer Kopplung entwickeln (Koevolution). Eine starke ökonomische Krise wie die momentane wird die Versuchung wieder erwecken, in Ökonomismus zu regredieren. Was ist Ökonomismus? Die Auffassung von der »Ableitbarkeit« aller anderen gesellschaftlichen Praktiken aus der Ökonomie. Kann Marx diese Auffassung geteilt haben? Dann müsste er gemeint haben, eine Beethovensinfonie ließe sich aus der Ökonomie »ableiten«. Ich persönlich kann Marx eine solche Absurdität nicht unterstellen. Er hat sich einfach zu diesen Fragen nicht im Einzelnen geäußert, voilä. Wenn also keine Ableitbarkeit herrscht, haben wir es mit je eigenen Materialitäten zu tun, die allerdings sämtlich aufs engste strukturell gekoppelt sind.
Meine These wäre, dass dabei der Normalismus als Kopplungs-Dispositiv in modernen Gesellschaften eine enorm wichtige Rolle spielt. Er liefert sozusagen den meisten Praktiken/Diskursen eine gemeinsame >Sprache<, eben die der Verdatung, statistischen Bearbeitung und ggf. Um-Verteilung. Das zeigt sich exemplarisch in der Krise: Während die »Ansteckung« (wie die Symbolik des mediopolitischen Diskurses sagt) zwischen Ökonomie und Sozialem noch ableitbar ist (wenn die Kurve der Profitrate nach unten geht, geht auch die Kurve Beschäftigung nach unten und zwangsläufig die Kurve Armut nach oben), ist das bei anderen Praktiken /Diskursen nicht so einfach der Fall (etwa bei der Subjektivität eben nicht automatisch eine Schwächung des flexiblen Normalismus bei etwaiger Inklusion der Homosexualität).
Hieraus ergibt sich die Frage, wie die Chancen einer raschen ökonomischen Normalisierung stehen? Dazu ist zunächst die Krisenlogik normalismustheoretisch zu betrachten: Es gibt eine geradezu antagonistische Kopplungsfriktion zwischen Normalismus und Kapitalismus, die darin besteht, dass der Kapitalismus ein »exponentielles« Ausscheren der ökonomischen Wachstumskurven, insbesondere derjenigen der Profitrate, aus dem normalen Korridor nach oben (»Kursraketen«, »Kursfantasien«, »Big Bangs«, »The Party's going on, it's up up and away!« usw.) nicht präventiv zu >bremsen< vermag, weil er damit seine Dynamik blockieren und die Profitrate in den Keller bugsieren würde. Da eine (symbolisch, nicht mathematisch) exponentielle Aufwärtskurve aber nicht dauern kann, folgt irgendwann der Crash und damit die Denormalisierung. Naomi Klein vertritt in ihrer Studie »The Shock Doctrine« die These, dass der sogenannte Neoliberalismus (der ja überhaupt nichts Liberales hat) absichtlich eine Serie künstlicher Crashes provoziert habe, um die normalisierenden Dispositive des Keynesianismus zu zerstören.
Eine nicht-normale Krise? Ein neues 1929 ff.(Depression) am Horizont?
Die Notstandgesetze und Notverordnungen vom Oktober 2008 ff. wurden von den Regierenden mit der historischen Analogie 1929 ff. legitimiert: größte Gefahr seit 1929 (Merkel) - bis hin zu apokalyptischen Szenarien einer neuerlichen Great Depression (dabei haben wir doch gelernt, dass die quasi logische Antwort auf 1929 gelautet habe: 1933). Normalismustheoretisch gibt es normale (zyklische: im 8- bis 10-Jahresrhythmus 1 bis 2 Jahre Rezessionen) und nicht-normale, außernormale Krisen. Die außernormalen Krisen heißen ökonomisch Depressionen (ihr Wesen liegt in einer langen, oft zehn oder mehr Jahre dauernden niedrigen Profitrate mit den Folgen »Investitionsstreik« der Kapitalistenklasse, Massenarbeitslosigkeit, Massenelend und Deflation). Ökonomische Depressionen (anormale Krisen) ziehen wegen der engen Kopplung der Praktiken und Diskurse anormale politische Krisen (Notstandsregime) und allgemein kulturelle Krisen nach sich und führen so zu einer Tendenz lang anhaltende Denormalisierung auf allen Ebenen, sowie zu einer sehr starken Tendenz zur Militarisierung und zu Kriegen, die ökonomisch »ankurbeln«, politisch »Burgfrieden« schaffen und allgemein kulturell für »Ordnung und Disziplin« sorgen (Protonormalismus). Denormalisierung und Notstand tendieren also zu einer enormen Stärkung des Militärischen in der Gesellschaft.
Was die Lektüre der Vorerinnerung»Bangemachen gilt nicht auf der Suchenach der Roten Ruhr-Armee« zu alldem bringen kann.
Zu den Prämissen der Vorerinnerung 2 (wie auch des Projekts der Zeitschrift kultuRRevolution)3 gehörten von Anfang an prognostische Szenarien und insbesondere das Szenario eines großes Crash und einer »2. Depression« in einer Zukunft »2001 plus x«. Die Vorerinnerung probt das alles aber in subjektiven Geschichten und satirischen Perspektiven der Beteiligten vergnügsam durch. Sie simuliert z. B. die Stimme des V-Trägers (Verantwortungs-Trägers) satirisch und den Diskurs der ökonomisch-politischen Eliten destruktiv-ironisch, der uns jetzt durch die Medien in die Ohren dröhnt, obwohl er real durch den Crash ebenfalls gecrasht ist und in Scherben liegt. Als ob alle diese diskursiven Blasen nicht mit den Finanzblasen mit geplatzt wären! Wer die Vorerinnerung gelesen hat, wird sozusagen in einer aktualhistorischen Landschaft wieder aufwachen, die sie_er als die reale von 2008ff. wiedererkennen wird. Sie_er wird dabei mit gutem Gewissen wach sein und hoffentlich auch ein bisschen befähigt, sich nicht hilflos passiv überrollen zu lassen von den kommenden notständischen Normalisierungsschlägen und »Schock-Therapien«.
Jürgen Link //_noten #1 3., erweiterte Auflage Göttingen (Vandenhoeck) 2005 (1. Aufl. Opladen 1996.
#2 Jürgen Link, Bangemachen gilt nicht auf der Suche nach der Roten Ruhr-Armee. Eine Vorerinnerung (Roman), Oberhausen 2008. 923 Seiten detailliertes Inhaltsverzeichnis, so dass Kapitel einzeln lesbar sind. Geschichte einer Gruppe von 68ern_innen im Ruhrgebiet, ihres Langen Marsches durch den Normalismus, mit Simulationen der Stimme des V-Trägers (Verantwortungs-Trägers) und künftiger Krisen und Kriege im 21. Jahrhundert.
#3 Zeitschrift für angewandte diskurstheorie erscheint seit 1982 (bisher 54 Hefte), Klartext-Verlag Essen (Organ für Interdiskurstheorie, Normalismustheorie, Kollektivsymbolanalyse usw., verbindet theoretische Reflexion mit praktisch-aktualhistorischen Analysen, z.B. der jeweils laufenden Mediopolitik).