Frontex oder die Krise der europäischen Migrationspolitik
Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion und dem zunehmenden Zusammenwachsen Europas steht die Regulation der Einwanderung nach Europa auf der politischen Tagesordnung. Der Vertrag von Amsterdam, welcher 1999 in Kraft trat, markiert in dieser Hinsicht eine Zäsur: Migration ist nun nicht mehr Thema intergouvernementeller Absprachen, sondern fällt in die Verantwortung der EU, insbesondere der Kommission.
In den elf Jahren seit der Unterzeichnung des Amsterdamer Vertrags hat sich jedoch wesentlich weniger bewegt als mensch es vermuten würde. Die EU ist zwar bei einer gemeinsamen Visapolitik vorangekommen, auf den Feldern Einwanderung und Asyl zeichnet sich jedoch weder die Harmonisierung der Gesetze noch die Schaffung einer europäischen Gesetzgebung ab. Der aktuellste Versuch einer Wiederbelebung ist der im Oktober 2008 verabschiedete »Europäische Pakt zu Einwanderung und Asyl«. Ob dieser jedoch umgesetzt wird oder nur eine weitere Absichtserklärung ist, wird sich zeigen.
Dennoch wäre es falsch anzunehmen, in der europäischen Migrationspolitik hätte sich im vergangenen Jahrzehnt gar nichts verändert. Mag es noch nicht zu dem großen Wurf gekommen sein, so ist auf zwischenstaatlicher Ebene viel passiert, wie auch die Kommission ihre Zuständigkeit immer stärker ausfüllt. Das vorherrschende migrationspolitische Paradigma ist dabei der so genannte »Global Approach to Migration«, der nicht mehr so stark zwischen erwünschter und unerwünschter Migration differenziert, sondern zum einen auf Migrationsursachen und zum anderen auf den Bedarf der EU an billiger migrantischer Arbeitskraft abzielt. Über eine Verquickung von Migration und Entwicklungshilfe sollen die Herkunfts- und Transitländer wesentlich stärker in das Migrationsregime eingebunden werden. Wesentliche Kennzeichen dieser Politik ist die Externalisierung, also der Vorverlagerung der Migrationskontrolle in Herkunfts- und Transitstaaten und der Ausbau des repressiven Charakters des Grenzregimes.
Es ist kein Widerspruch zu dieser Politik, dass die wesentlichen Akteure des Grenzregimes über die Durchlässigkeit der Grenze wissen. Die verschiedenen Staaten, die mit einer Situation vermehrter Migration konfrontiert sind, haben ihre eigenen Wege gefunden, diese Situation zu bewältigen. Spanien und Italien absorbieren die Migrant_innen als ultraprekäre Illegalisierte in den Arbeitsmarkt, Griechenland wiederum verweigert den Zugang zum Asylsystem und fordert die Migrant_innen nach kurzer Haft auf, das Land zu verlasssen. Und auch Frontex-Exekutivdirektor Ilkka Laitinen gab in einem Gespräch unumwunden zu, dass es niemals eine 100-prozentig kontrollierte Grenze geben würde.
In einer solchen Situation ist der Ausbau des repressiven Grenzregimes, vor allem aber ein öffentlicher Diskurs darüber zentraler Baustein in der Externalisierungspolitik. Denn die Transit- und Herkunftsstaaten von Migration haben in den letzten Jahren ihre Verhandlungsmacht erkannt und lassen sich ihre Kooperation im Migrationsregime immer teuerer bezahlen. Die Strategie der EU ist es, so genannte »Mobilitätspartnerschaften« mit ausgewählten Ländern auszuhandeln. Dabei sollen Migrationskontingente im Gegenzug für Mitwirkung in der Migrationskontrolle vergeben werden. Dies wäre allerdings kein »attraktives« Angebot, so lange es weiter einen undokumentierten Zugang zum Territorium der EU gibt.
Der Diskurs, der den Ausbau des repressiven Grenzregimes stützt, ist durch die Inszenierung von Krisen gekennzeichnet. Spanien etwa war schon seit Anfang der 1990er Jahren Ziel nordafrikanischer Migration. Die Abschottung der spanisch-nordafrikanischen Grenze Ende der 1990er Jahre war jedoch begleitet von Bildern und Berichten, die suggerierten, Spanien wäre plötzlich Ziel vermehrter Migration. Es ist in dieser Zeit, in der auch die ersten Bilder von kleinen, überfüllten Booten, die Migrant_innen über das Meer nach Europa tragen, in Deutschland auftauchten. Ein ähnlicher Krisendiskurs ist im Zusammenhang mit der Klimakatastrophe zu beobachten. Die diskursive Figur des »Klimaflüchtlings« wird benutzt, um die aus der rassistischen Mobilmachung der 1990er Jahre bekannten Bedrohungsszenarien (»Flut«, »Ansturm«, »Flüchtlingsströme«) wieder zu aktivieren. Weitere Inszenierung von Krise folgten etwa auf die Ereignisse von Ceuta und Melilla 2005 und werden routiniert im Sprechen über die Ankunft von Migrant_innen auf den Kanarischen Inseln, Malta, Lampedusa und Griechenland bemüht. Dabei wird immer entweder suggeriert, dass eine unglaublich große Anzahl von irregulären Migrant_innen angekommen sei, oder aber dass diese nur die Vorhut einer wesentlich größeren Gruppe seien (»Wenn wir die erst reinlassen, dann kommen ja noch viel mehr«). Dass dieser Diskurs kein genereller Diskurs über irreguläre Migration nach Europa ist, zeigt sich anhand der Tatsache, dass sich auch die EU bewusst ist, dass die große Mehrheit der undokumentiert in Europa residierenden Migrant innen keineswegs auf »klandestine« Weise nach Europa gelangt sind, sondern als so genannte »visa over-stayer« legal eingereist, aber nach dem Ablauf des Visums nicht wieder ausgereist sind.
Innerhalb Europas bleibt die Migrationspolitik jedoch fragmentiert. Die Kommission mag regelmäßig mit großen Entwürfen aufwarten, die eigentliche Migrationspolitik wird jedoch von einzelnen Mitgliedsstaaten vorangetrieben. Auf Grund der Dublin II Verordnung, welche vorsieht, dass der EU-Mitgliedsstaat der ersten Einreise für den einzig möglichen Asylantrag zuständig ist, wird Staaten mit einem großen Anteil an der EU-Außengrenze ganz wesentlich die Aufgabe der Kontrolle und Verwaltung der ankommenden Flüchtlingen und Migrant_innen aufgebürdet. Die fehlende »Lastenverteilung« (EU-Jargon) ist dabei Resultat europäischer Versuche der Migrationskontrolle (früher konnte in jedem EU-Staat ein weiterer Asylantrag gestellt werden) und mittlerweile wieder heftig umstritten.
Auftritt Frontex
In diesem Klima eines repressiven Grenz- und Externaliserungsdiskurses, einer stockenden Europäisierung der Migrationspolitik und der fehlenden »Lastenverteilung« nahm 2005 die »Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen«, kurz Frontex, ihre Arbeit auf. Aufgabe der Agentur, die relativ autonom operieren kann, ist es, die Mitgliedsstaaten in der Kontrolle der EU-Außengrenze zu unterstützen und diese schrittweise in eine europäisierte Verantwortung zu überführen. Dabei soll die Arbeit von Frontex genau jene oben geschilderten Probleme innerhalb der EU adressieren. Frontex ist daher ein Produkt der Krise der Europäisierung der Migrationspolitik. Frontex' Aufgabenfelder sind daher relativ weit gestreut und lesen sich wie ein Wunschzettel der einzelnen Mitgliedsstaaten. Diese Felder sollen nun kurz vorgestellt werden, bevor die konkreten Aktivitäten von Frontex untersucht werden.
Passend zur Krisenrhetorik erstellt Frontex, als Grundlage aller anderen Aktivitäten, ein so genanntes »Risikoanalysemodell«. Migration wird also als Risiko gesehen, über welches Wissen generiert werden muss. Das Modell soll die aktuelle Lage an den Grenzen der europäischen Union abbilden, sprich erkunden, welche Routen der irregulären Migration vorhanden sind und wo Kontrollbedarf besteht.
Zur Unterstützung der Mitgliedsstaaten in der Grenzkontrolle unterhält Frontex eine so genannte »toolbox«, in die alle Mitgliedsstaaten der EU Grenzschutzressourcen (Schiffe, Hubschrauber, Nachtsichtgeräte, CCL-Detektoren etc.) einbringen und Frontex zur Verfügung stellen sollen. Als Ergänzung des ursprünglichen Mandats unterhält Frontex mittlerweile so genannte »rapid border intervention teams« (RABIT), Grenzschutzeinheiten, die im Fall einer »Krise« schnell vor Ort eingreifen können. Unter Krisen versteht Frontex dabei beispielsweise den Zusammenbruch eines Staates und die davon ausgelösten Migrationsbewegungen, aber auch Szenarien wie der Einsatz der RABITs während des Libanonkriegs auf Zypern wurden durchgespielt.
Auf Grundlage des »Risikoanalysemodells« und der zur Verfügung stehenden Resourcen plant Frontex so genannte »gemeinsame Operationen«, die von wenigen Wochen bis zu mehreren Monaten dauern können. In diesen Operationen kooperieren Grenzschutzeinheiten der verschiedenen Mitgliedsstaaten. Diese Operationen fungieren wie ein Laboratorium, in der eine europäische Grenzschutzpraxis erprobt wird. Denn sicherlich gibt es viele Probleme bei einer solchen Zusammenarbeit: Sprache, kompatible Ausstattung und vor allem unterschiedliche gesetzliche Grundlagen der einzelnen Staaten. Diese Operationen, zur Zeit rund 20 pro Jahr, haben nicht zum Ziel, die gesamte EU-Außengrenze abzuschotten, sondern werden nach dem Prinzip einer »Feuerwehr« nur an Orten besonderen Interesses durchgeführt.
Weitere Aufgaben von Frontex sind die Forschung im Bereich und Bereitstellung von modernen Grenzschutztechnologien (Drohnen, Biometrie), die Schaffung eines gemeinsamen Ausbildungsstandards für Grenzschützer in der EU, die Organisation von gemeinsamen Abschiebungen sowie die Kooperation mit Sicherheitsbehörden von Drittstaaten.
Frontex und die Praxis: Gemeinsame Operationen Frontex erreichte die größte Aufmerksamkeit mit den »gemeinsamen Operationen«. Diese sind oft gut publiziert, denn sie vermitteln, dass die EU und all ihre Mitgliedsstaaten ihrer Verantwortung im Bereich der Kontrolle der gemeinsamen Außengrenze nachkommen. Anhand dieser Operationen lässt sich die Praxis der Externalisierung sowie der Europäisierung ebenso nachzeichnen wie auch sichtbar wird, wie verheerend die Abschottungspolitik der EU ist.
Die bekanntesten Operationen von Frontex tragen den Codename »Hera« und »Nautilus«, die seit dem Jahr 2006 stattfinden. Ziel ist es jeweils, die Ankunft von Flüchtlingen auf den Kanarischen Inseln (Hera) und Malta (Nautilus) zu unterbinden.
Im Fall von Hera lässt sich die Externalisierungspolitik der EU gut darlegen. Denn die Abschottung eines Kontinents, oder in diesem Falle der exponierten Kanarischen Inseln, lässt sich menschen- und seerechtskonform nur schwer gestalten, insbesondere wird jedoch das Recht auf Asyl massiv unterlaufen. Auf offenem Meer können Flüchtlingsboote nicht aufgebracht werden, dies wäre erst innerhalb der Hoheitsgewässer Spaniens möglich. Allerdings könnte dies die Verpflichtung zur Durchführung eines Asylverfahrens mit sich bringen. Zwar ist die Zurückweisung von Flüchtlingen an der EU-Außengrenze eine gängige Praxis, aber seit Menschenrechts- und Flüchtlingsorganisationen solche Fälle vermehrt publiziert haben, wird diese Praxis weniger angewandt. Viel »innovativer« ist die von Frontex in Zusammenarbeit mit Spanien praktizierte Strategie. Spanien hat mit den Regierungen Mauretaniens und des Senegals Abkommen geschlossen, die u.a. Frontex-Operationen in den Hoheitsgewässern dieser beiden Staaten erlauben und die Marine und Polizei dieser Staaten miteinbezieht. So werden Flüchtlinge und Migrant_innen schon an der westafrikanischen Küste, 2000 Kilometer vor der europäischen Außengrenze zurückgewiesen. Diese Kooperation wird im Rahmen des »Global Approach« mit anderen Vergünstigungen (Visaerleichterungen, niedrigere Steuern auf Rücküberweisungen, Migrationskontingente, Einfuhrerleichterungen, »Entwicklungshilfe«) erkauft. Eine Möglichkeit zur Stellung von Asylanträgen als letztem Mittel für einen zumindest temporären Aufenthalt in der EU gibt es nicht.
Im Falle der Operation »Nautilus« vor Malta und Lampedusa ist Frontex bisher weniger erfolgreich gewesen. Seit dem EU-Beitritt Maltas 2004 ist diese kleine Inseln im Mittelmeer Ziel vieler Migrant_innen geworden, und auf Malta gibt es eine starke Stimmung unter der Bevölkerung, die der EU vorwirft, Malta »allein mit dem Flüchtlingsproblem« zu lassen. Schon 2007 ließ Frontex-Exekutivdirektor Ilkka Laitinen »Nautilus« öffentlichkeitswirksam für gescheitert erklären. Seine Begründung war, dass die EU-Mitgliedsstaaten nicht genug Ressourcen zur Verfügung gestellt hätten, obwohl dies vorher versprochen gewesen sei. Damit war die Operation logistisch unmöglich und wurde abgebrochen. Das öffentlichkeitswirksame Scheitern lässt sich als eine Taktik Frontex' lesen, sich Verfügbarkeit von Ressourcen zu sichern und die gemeinsame Verantwortung aller Mitgliedsstaaten für die EU-Außengrenze erneut zu beschwören.
2008 schien dieses Problem gelöst zu sein, dennoch erklärte Ilkka Laitinen am 20. September 2008, auch Nautilus 2008 sei gescheitert, und in der Tat sogar kontraproduktiv verlaufen. Er argumentierte, dass es den Migrant_innen und den Schleusernetzwerken bekannt gewesen sei, dass eine Frontexoperation im Gange wäre, und dass daher umso mehr seeuntüchtige Boote Malta angelaufen hätten, um sich von den FrontexSchiffen retten zu lassen.
Hintergrund dieser Situation ist, dass es zum einen 2008 wesentlich stärkere Kritik an Frontex gab, da Ilkka Laitinen erklärt hatte, Frontex wäre nicht für die Rettung Schiffbrüchiger verantwortlich. Dies wurde allgemein als Hinweis genommen, dass die EU, trotz gegenteiliger Verlautbarungen, nichts gegen das Sterben auf hoher See tue. Hier sah sich Frontex nun gezwungen, sich stärker bei der Seerettung zu engagieren. Zum anderen gibt es eine Diskussion über den rechtlichen Hintergrund einer Rettung Schiffbrüchiger und der Verantwortung für gestellte Asylanträge. Eine Position ist, dass Schiffbrüchige schon auf dem sie rettenden Schiff die Möglichkeit hätten, einen Asylantrag zu stellen. Dies führte zu einem regelrechten Streit, welches Land denn nun für die Aufnahme der Flüchtlinge zuständig wäre.
Frontex wiederum verfolgte auch für »Nautilus« von Anfang an die externalisierte Lösung, hier: die Einbindung Libyens. Noch im Frühjahr 2008 erklärte Ilkka Laitinen, ein Abkommen mit Libyen stehe kurz vor dem Abschluss, was eine ähnliche Lösung wie vor Senegal und Mauretanien erlaubt hätte, nämlich zum einen das direkte Engagement Libyens in der Migrationskontrolle sowie die Rückschiebung von Flüchtlingen nach Libyen. Dieses Abkommen ist jedoch nicht zustande gekommen, und so war auch letztlich »Nautilus 2008« zum Scheitern verurteilt. Auf Malta heizte dies die Debatte um das Versagen von Frontex und der EU nur an, was nun wieder zu der bekannten Situation führt, dass sich einzelne Länder zusammenschließen, um ihre Interessen in der EU zu vertreten. Im November 2008 haben daher die Innenminister Maltas und Griechenland vereinbart, zusammen mit Zypern und Italien dafür zu werben, den »Europäischen Pakt zu Einwanderung und Asyl« auch tatsächlich umzusetzen. Ihr Hauptinteresse liegt dabei auf Abschiebeprogrammen, Vereinbarungen mit Transit- und Herkunftsländern sowie die Schaffung eines europäischen »Lastenausgleichs«.
Kritik
Frontex beteuert, bei allen Operationen Menschenrecht und Asylrecht oberste Priorität zu geben. Berichte von an Operationen Beteiligten lassen dies jedoch als Lippenbekenntnisse erscheinen. So berichtete ein italienischer Offizier von der Praxis, Flüchtlingsbooten Treibstoff und Lebensmittel zu entnehmen, um die Insassen an der Weiterfahrt zu hindern. Auch Berichte aus Malta weisen daraufhin, dass nicht einmal die Genfer Flüchtlingskonvention eingehalten wird, der Minimalkonsens des Flüchtlingsschutzes.
Frontex ist zurzeit der aktivste Posten in der Entwicklung einer umfassenderen europäischen Migrationspolitik und dabei vor allem die Verkörperung der repressiven Seite des Grenzregimes. Diese Fokussierung hat allerdings katastrophale Folgen. Die Aktivitäten vor Westafrika haben zu einer Verlängerung der Migrationsrouten geführt, was das Risiko bei der Überfahrt erheblich erhöht hat.
Grenzregime - quo vadis Dieses Jahr kam es zu einer ersten Evaluation der Aktivität von Frontex durch die EU-Kommission sowie weiteren Debatten um die Zukunft von Frontex. In deren Zuge hat die EU weitere Vorschläge präsentiert, nämlich die Schaffung des so genannten »Visa Information System (VIS)«, welches über biometrische Daten aller über ein Visum Eingereisten verzeichnet und im Falle des Ablaufens des Visum ohne registrierte Ausreise diese Person zur Fahndung ausschreiben soll. Um dies möglich zu machen, plant die EU die Einrichtung eines so genannten »Entry/Exit Systems«, welches alle europäischen Grenzen mithilfe biometrischen Maßnahmen aufrüsten soll und alle Ein- wie auch Ausreisevorgänge erfassen soll. Ein weiterer Vorschlag ist die Schaffung eines weit über die EU hinausreichenden Überwachungssystems namens »EuroSUR« (European Surveillance System), welches durch Koppelung von Satelliten, Drohnen, Radarsowie mobiler Überwachungsstationen einen totalen Überblick über die Lage an der Grenze, aber auch beispielsweise an der Küste von Herkunftsstaaten verschaffen soll. Im Zentrum dieses Panoptikums der Migrantionskontrolle soll Frontex stehen. Auch der Bericht der »Future Group«, einer hohen informellen Arbeitsgruppe von EU-Innenministern fordert eine Ausweitung der Aktivitäten von Frontex, wie sie auch im »Europäische Pakt zu Einwanderung und Asyl« festgeschrieben sind.
Diese Vorschläge weisen auf eine wesentliche Ausweitung des repressiven Charakters des europäischen Grenzregimes hin. Auch wenn im »Europäischen Pakt« anerkannt wird, dass es keine »Null-Migration« geben kann, werden die migrationspolitischen Leitideen von Kontrolle, Repression und Externalisierung verstärkt verfolgt und Frontex wird auch weiterhin das zentrale Symbol dieser Politik sein.
Eine grundsätzliche Kritik muss sich jedoch weniger an Frontex als an der Konzeption der aktuellen europäischen Migrationspolitik entzünden, die Einrichtungen wie Frontex zur Folge hat. Diese Politik verweigert sich der Tatsache, dass Migration zum einen stattfindet, sich zum anderen aber auch nicht kontrollieren lässt. So soll etwa das deutsche »Gastarbeitersystem«, welche aus der Sicht von Migrationskontrolle gescheitert ist, unter dem Stichwort »zirkuläre Migration« wiederbelebt werden. Die mannigfaltigen Formen von Migration, die sich der Souveränität und Kontrolle der Staaten entziehen, sollen jedoch weiter bekämpft werden.
Die Folge ist die Transformation der europäischen Grenze von einer Linie zu einem sich immer weiter um Europa herum erstreckenden Grenzraum, in dem sich alles den Interessen der EU unterordnen zu hat und ein Diskurs, der Migration stigmatisiert und kaum geeignet ist, die dringend anstehende Diskussion um die Realität und Autonomie von Migration zu thematisieren.
Sicherlich gibt es viele Themen emanzipatorischer Politik, die verstärkt auf europäischer Ebene verfolgt werden müssen. Es erscheint jedoch so, als ob Migration eines der dringendsten Themen ist: Zum einen wird es mittlerweile verstärkt auf europäischer Ebene verhandelt, zum anderen lässt sich über das Thema Migration die Diskussion führen, inwiefern die EU von der anachronistischen nationalstaatlichen Idee der Einheit von Bevölkerung, Territorium und Rechten geprägt werden soll.
Bernd Kasparek //_web frontexwatch (http://frontex.antira.info ) verfolgt die weitere Entwicklung von Frontex und bietet Analysen und Medienauswertung.
Broschüre zu Frontex: http:/ / frontex.antira.info/ 2008/01/11 /frontex-broschuere / Zukunft von Frontex: http: / / frontex.antira.info/ 2008/02/24/ perfektion-des-grenzregimes-das-border-package-der-eu-kommission/