Eine Gruppe der SHI

Johann Wolfgang Goethe-Universität

(.... das war einmal)

Karl Marx-Universität (68)

Krupp-Werke (1976)

Zur Uni-Situation

I Problematik

Wenn von den Kontrollen, Leistungs- und Verhaltensanforderungen, der offenen Repression, der Dequalifikation, Schwinden beruflicher Perpektiven und dem subjektiven Niederschlag in diffusem Unmut, Wegbleiben, Fragen nach der Sinnhaftigkeit des Studiums, dem ganzen psychischen Elend, Widerwillen, den materiellen Problemen (um nur einige Kennzeichen der Uni zu nennen) ausgegangen wird, taucht die Frage auf, wieso — trotz wachsender Streikbereitschaft - der technokratische Um- und Durchstrukturierungsprozeß der Unis weiter fortschreitet, sich schleichend durchsetzt, und es nicht endlich ganz anders kracht als z.B. bei auf Tage begrenzten Warnstreiks. Hier tritt ein verflixtes Mißverhältnis zutage:

Auf der einen Seite ein Bedürfnis nach Widerstand gegen einen Wissenschaftsbetrieb, in dem Studenten nur noch als berechenbarer Input-Output, als “Überhang“, diejenigen, die den Druck nicht mehr ertragen und zung einer blödsinnigen Terminologie-Klausur für Mediziner in den Semesterferien). Auf der anderen Seite, dazu im Widerspruch stehend, eine generelle Unsicherheit, was mit Aktionen an der Uni (vom alltäglichen bis zum aktiven Streik) eigentlich erreicht werden kann, wobei dem mehrere Probleme zugrunde liegen: Ein in den letzten Jahren kaum vorhandener studentischer Diskussionszusammenhang über die Uni, wo an den Fachbereichen Bedingungen von informellen Zusammenhängen und Selbstorganisation erst im letzten Semester wieder breiter geschaffen wurde; wenig Kriterien und Ansätze für eine gemeinsame praktische Kri tik des Studiums aus außeruniversitära Praxis (anders als noch beim Häuserkampf, Stadtteilkonzepten, Diskussionen um Jugendzentren, Emigrantenarbeit, Projektstudiumsdiskussion), bedingt durch die augenblicklichen Schwierigkeiten der Linken — Von den Ansätzen von Widerstand und bestehenden Gruppen an der Uni können sich allein die Frauen- und die Ökologiegruppen auf eine gesellschaftlich relevante, reale Bewegung beziehen.

Ein Infragestellen.der universitären Gesamtsituation ist nur möglich, wenn es uns gelingt, für die vielen unterschiedlichen (auch nach einzelnen Fachbereichen verschiedenen und spezifischen) Formen, in denen sich Widerstand gegenüber der Lernfabrik Uni herausbildet, einen gemeinsamen Ausdruck zu finden, der es ermöglicht, die herrschendas Studium abbrechen, als “drop-out-Quote” (die nicht zu hoch werden darf, da sonst das Konfliktpotential bedrohlich würde) gelten;gegen zerstreut zerstückelte und auf funktionales Methodenwissen reduzierte Studieninhalte, die — auch in Form von kritischer Auseinandersetzung — immer weniger als Bezugsrahaien für Lernprozesse, Bildung von Identität, zur Berufsvorbereitung oder was auch immer dienen können (die meisten linken Seminare machen da keine Ausnahme); gegen den offensichtlichen materiellen Druck; gegen die zunehmende Unverschämtheit und offenen Repressionsmethoden der bildungspolitischen Machthaber (als Beispiele: der - einstweilig zurückgestellte — Plan in Baden Württemberg, ganze gesellschaftlichtswissenschaftliche Fachbereiche zu streichen; die vielen Verhaftungen und Relegationen in westdeutschen UniStädten (z.B. Heidelberg) bei früher selbstverständlichen Aktionen; Krupp’s Bilanz des vergangenene Semesters: Der Versuch, mit grotesken Gewaltmethoden — 30 Bullen gegen ein paar Plakate auf einer blau getünchten Mauer - politische Geschichte und Konflikte von der Uni abzuwaschen und abzukratzen; der Versuch, der Asta-Amtsenthebung selbst ohne halbwegs gesicherte formaljuristische Begründung; der Bulleneinsatz bei einem friedlichen Informationsfest von Wi-wi-Studenten; und — nachdem er sich anschließend im Semester nicht mehr traute nochmaliger brutaler Einsatz zur Durchsetde Wissenschaft in ihren blinden, zerstörerischen Formen (durch die Wertproduktion formbestimmte Technologie) und der Aussichtslosigkeit, zunehmenden Beliebigkeit (wie z.B. im Lehrer- oder Soziologiestudium) anzugreifen.

Mit den verschiedenen Ansätzen einer Bewegung sind nicht nur die Fb-Streiks des letzten Semesters, die Arbeitsgruppen und geplanten Gegenseminare gemeint, die an verschiedenen Fachbereichen über die Semesterferien entwickelt und vorbereitet werden. Es kommt darauf an, auch die Protestformen des Uni-Normalbetriebes, das individuelle Wegbleiben, die Bildung von Studienkollektiven, Arbeitsgruppen als Ansätze von Selbstorganisation der Interessen, die im offiziellen Studium notwendig enttäuscht werden, noch mal offensiv zu wenden und die Institution damit zu konfrontieren. Es wäre fatal, wenn sich viele mit ihrem Entschluß, sich den Zwängen der Uni in keiner Weise mehr unterzuordnen, recht still zurückziehen, und ein anderer Teil der Bewegung abstrakt gegen den Abbau von linken Stellen, die Kapazitätsverordnung, die Umstrukturierungen etn. agiert.

Demgegenüber ist es wesentlich, einen subjektiven, sich oft individuell und naturwüdisig entwickelnden Protest, der seinen Ausdruck finden kann in der Gleichgültigkeit gegenüber dem anonymen Massenbetrieb, dem durchkontrollierten Studium, im Wegbleiben, Bescheißen, möglichst geringem Arbeitsaufwand etc., in der generellen Problematisierung von Berufsperspektiven in Institutionen, im Schaffen alternativer Zusammenhänge jenseits der technokratischen Uni, ernst zu nehmen und zu begreifen im Zusammenhang mit der zunehmenden Subsumptiön geistiger Arbeit unter den Verwertungsprozeß. Damit soll nicht gesagt werden, daß hier die neuen Perspektiven, Möglichkeiten gefunden wären; oft genug wird solcher Protest genügsam, hat viel von Resignation und individueller Verzweiflung in sich. Aber in einer solchen Situation weiterhin in bloß quantitativen Kategorien mehr Geld für die Bildung, mehr Lehrer (wo das Lehrerdasein für viele schlimme psychische Probleme mit sich bringt, die Schüler nicht so sehr unter mangblnder Qualifikation wie unter Selektionsdruck, Noten, Vereinzelung leiden), mehr Professoren (ohne Bestimmung, wie wenigstens die akademisierten Marxisten wieder für die Bewegung Bedeutung bekommen könnten) zu fordern, abstrakt-politische Kampagnen um demokratische Rechte, wie z.B. auf die freie Wahl der Art entfremdeter Arbeit mit alljährlichem Sternmarsch als Krönung durchzuführen, verkennt das Konfliktpotential eines trüben, trostlosen Uni-alltags.

Den ganzen Unmut, Widerwillen, spontane Bereitschaft zum Widerstand (wie auf der Demo nach dem Wi-Wi-Fest) im Zusammenhang mit der technokratischen Umstrukturierung der Universität zu verstehen, und daraus praktische Konsequenzen zu entwickeln, wie wir eine Wissenschaft, die bis in ihre Inhalte und Formen (nicht bloß Anwendung!) von Verwertungszusammenhängen bestimmt ist, mit unseren Ansprüchen und Bedürfnissen konfrontieren, angreifen können und dabei auch wieder über die Uni hinaus Vorstellungen von gesellschaftsverändernder Praxis und anderen Lebenszusammenängen zu entwikkeln, ist dringend notwendig.

IIUmstrukturierung der Universität, Ansätze von Widerstand und Verweigerung im Uni-Normalbetrieb

a) Probleme der Analysen und theoretischen Einschätzungen in der Linken.

Die meisten theoretischen Erklärungsversuche des Prozesses, der gegenwärtig an den Universitäten vor sich geht, ob sie nun von einzelnen Herrschaftsmaßnahmen (Kapazitätsverordnung, Einführung neuer Fachbereiche, HRG etc.) ausgehen oder vom Wechselverhältnis von Kapital und Wissenschaftsentwicklung, kranken an einer entscheidenden Stelle: Sie reichen in ihrem Objektivismus nicht an das alltäglich in der Uni erfahrene Leiden, subjektiv empfundenen Druck, Gefühle von Sinn- und Aussichtslosigkeit heran. So haben die reichlich vorhandenen polit-ökonomischen Analysen bisher jedenfalls wenig dazu beitragen können, sich im Uni-alltag offensiv politisch zu artikulieren, ob sie sich nun um den Qualifikationsbegriff drehen,(wesentlichstes Moment für die Umstrukturierung sei ein aus dem Produktionsbereich herrührendes Problem der veränderten Zusammensetzung der “ nroduktiven Gesamtarbeit” mit veränderten Qualifikationsanforderungen, wobei strittig ist, wie-diese denn aussähen), ob sie die Studenten bruchlos dem Proletariat oder Kleinbürgertum zurechnen, ob die Studenten nun produktive oder unproduktive Arbeit leisten sollen, ob sie primär auf Verhalten oder Wissen gedrillt werden usw. usw.

Das liegt nun nicht etwa daran, daß solche Analysen unsinnig oder überflüssig wären, sondern an den Bedingungen ihrer Entste-hung, die sie selten mitreflektieren: dem weitgehenden Fehlen von Kriterien aus praktischen Auseinandersetzungen an der Uni in den letzten Jahren entspricht eine starke Beliebigkeit und Abstraktheit, mit der Theorien über den Ausbildungssektor produziert wurden.

So sollten Analysen, die den Anspruch erheben, einzugreifen, für die Betroffenen nutzbar zu sein, von den alltäglichen, realen Formen von Protest, vom Subjektiven her deren Ursachen in den Strukturen nicht nur des Ausbildungsbereiches, sondern der Gesamtheit taylorisierter Arbeitsund Lebensbedingungen im späten Kapitalismus suchen und Möglichkeiten ihrer Entwicklung bestimmen helfen. Wenn sie statt dessen umgekehrt vom allgemeinen Kapitalbegriff oder vom HRG etc. her den Studenten ableiten wollen, wie sie sich zu wehren hätten, muß Unverständnis und praktische Irrelevanz die Folge sein.

b) Veränderte Studiensituation, Änderungen in den Wissenschaften und ihrer Funktion Im Gegensatz zu früheren Zeiten, als die Uni noch als Vorbereitung auf einen gesicherten, mit Privilegien versehenen Beruf gelten konnte, das Studium - in Ausbildungsformen und Inhalten noch nicht den Normen kapitalistischer Arbeit angeglichen - als Lebensabschnitt, in dem Bildungsprozeße von Identität und sowas stattfanden, hat sich hier spätestens seit Mitte der 60er Jahre (bezogen auf die BRD) einiges grundlegend geändert: Einige allgemein bekannte Faktoren wie Numerus Clausus, Verdreifachung der Studentenzahlen (von 7 auf 21% eines Altersjahrganges), Akademikerarbeitslosigkeit, Verlust der Selbstverständlichkeit intellektueller Priviligierung, Dequalifizierungsprozesse usw. deuten erst den äußeren Rahmen einer veränderten Situation von Wissenschaft an. Wenn — zumindest in der Kritik - vormals noch die Möglichkeit zur Selbstaufklärung, Identifikation mit Inhalten (von Referaten zB.) gegeben war, so ist im Druck der verschulten Paukstudien, dem Chaos und inhaltlicher Beliebigkeit der Geisteswissenschaften (neben einem gewissen Grundstock instrumenteilen Methodenwissens: formale Logik, Didaktik, Statistik, Linguistik...), unser Alltag in der Uni ein deutlich anderer; die Situation geistiger Arbeit muß neu begriffen werden. Es soll - die Schwierigkeiten wurden oben angedeutet - hier keine Ableitung aus allgemeinen Kapitalnotwendigkeiten vorgenommen werden, sondern die Funktionsbestimmung geistiger Arbeit nur soweit sie relevant ist für die Entstehung neuer Formen von Widerstand, diskutiert werden. Wenn als Grundbedingung für die Veränderungsprozeße eine zunehmende Einbeziehung geistiger Teilfunktionen in die "produktive Gesamtarbeit”, die Subsumption von Wissenschaft unter den Verwertungsprozeß angenommen wird (siehe dazu z.B. K.H. Roth, E.Kanzow: Unwissen als Ohnmacht — Zum Wechselverhältnis von Kapital und Wissenschaft; A.Gorz: Schule und Fabrik; H.J.Krahhdiv. Aufsätze in Konstitution und Klassenkampf), so sind Auswirkungen überall spürbar. Keine relative Distanz, freie Zeit, akademisch liberale Verkehrsweisen, sondern Streß, Drill auf bestimmte Techniker- und Verwaltungsfunktionen (siehe hier z.B. die neuen Kruppschen Studiengänge Verwaltungswissenschaften, Informatik, Betriebsökonomie) bestimmen das Bild, besonderer Bedarf hochqualifizierter geistiger Arbeit wird im HRG dann dem Aufbaustudium Vorbehalten, für Leute, die Leistungswillen und Loyalität vorher zu beweisen haben. In der psychischen Situation und der Lebensnerpektive der Studenten drückt sich das erst mal aus in einer Ambivalenz zwischen verschärftem Anpassungsdruck (“Ich schaffs doch noch“) und zunehmender Desillusionierung über ihren Intellektuellenstatus, Gleichgültigkeit, Wegbleiben, oft Resignation. Darin liegt aber, zumindest vorbewußt, schon eine tiefere Einsicht in den Anpassungs- und Einbeziehungsprozeß von Wissenschaft an/in kapitalistische Arbeitsbedingungen als in dem verzweifelten Versuch, doch noch einen traditionellen Wissenschaftsbegriff retten zu wollen.

Wenn die Bedingungen einen derartigen Wandel erfahren haben, können auch die Formen von Widerstand nicht einfach von früher entliehen werden.

Ein paar Beispiele: Die veränderte Situation von Wissenschaftskritik (den Prof mit seinen Inhalten noch mal als bürgerlich entlarven, wirkt in vielen Seminaren eher einschläfernd, wird in der qualitativen Indifferenz oft nicht mehr wahrgenommen von anderen Teilnehmern), von Diskussionen um Gremienbesetzungen wie Drittelparität (“Demokratische Strukturen”), um Berufspersoektive, um Institutionalisierung kritischer Inhalte. Gerade bei dem letztgenannten Punkt ist inzwischen die Diskussion darüber, ob und wie eine institutionalisierte, ausgetrocknete linke Theorie wieder zum Leben erweckt werden könnte, was also mit Bereichen, die ursprünglich mal eine Funktion für die linke Bewegung haben sollten, noch anzufangen ist, relevanter als die Forderung nach ‘Marx an die Uni’.

Es wird auch kaum mehr im Rahmen des Protestes gegen das Schwinden bürgerlicher Autonomie- und Öffentlichkeitsbehauptungen noch mal eine "autonome, kritische Wissenschaft” eingeklagt, die beansprucht , mittels rationalem Diskurs, über ihre Ergebnisse, die Gesellschaft interpretierend zu verändern (allenfalls noch von einer Reihe von linker Profs in verzweifelter Reflexion auf ihre immer reglementierteren Arbeitsbedingungen - das gilt für die Gesellschaftswissenschaften). Die Subsumtion geistiger Arbeit unter den Verwertungsprozeß, die Reglementierung der gesamten Studiengänge bewirkt eher Gleichgültigkeit gegenüber dem entfremdeten Inhalt, zunehmende Nicht-Identifikation mit dem Studium. Die Anstrengungen sind darauf gerichtet, den vorgegebenen, quantitativ bestimmten Leistungsanforderungen (Scheine, Prüfungen) widerwillig, mit dumpfem Mißbehagen, zwischen Anpassung und Hinschmeißen der ganzen Scheiße zu entsprechen, dem vielfältigen Druck mit möglichst geringem Arbeitsaufwand zu entkommen, irgendwo im Hinterkopf vielleicht noch ein paar längst fallengelassene Illusionen, was man vom Studium einmal erwartet hatte.

Die Bedingungen und Möglichkeiten, mit geringstem Arbeitsaufwand den Leistungsund Verhaltenszumutungen zu entgehen, sich instrumentell zum Studium zu verhalten und daneben möglichst viel freie Zeit für sich zu retten, sind zwischen den Geistes- und Naturwissenschaften, aber auch solchen Fächern wie Psychologie und Medizin verschieden. Während eine Tendenz zur Dequalifikation generell festzustellen ist, (Trend zu Schmalspurstudien mit fungibler Allgemeinqualifizierung, hierarchisch darüber Aufbaustudien), ist die Anpassung in Bereichen “exakter Wissenschaft” z.B. auf Technikerfunktionen hin noch unter wesentlich stärkeren Leistungskontrollen und Drill gestellt als in den gesellschaftswissenschaftlichen Fächern, wo die Möglichkeiten zu Bescheiß- und Unterlaufungsstrategien mit der qualitativen Beliebigkeit der Inhalte zunehmen. Dazu später .Darin liegt natürlich auch schon ein Hinweis auf die unterschiedliche Relevanz für den Verwertungsprozeß und den Entwicklungsgrad von Subsumption.

ln den positivistisch zersplitterten Natur-wissenschaften die an irgendwelchen Teilbereichen oft direkt verwertungsbedingt (Zusammenhang mit Firmenforschung, staatlicher Auftragsforschung etc.) herumsuchen, ist der gesellschaftliche Zusammenhang ihrer Arbeit den Wissenschaftlern schon soweit verloren gegangen, daß sie bald an ihrer eigenen Vernichtung gefallen finden (denn Bestechungsgelder allein können es ia wohl schlecht sein, die sie hindern ihr Können in den ‘Dienst des Volkes’ zu stellen und 14 Profs in Frankfurt dazu bringen, KKW’s zu fordern; da liegt der Grund wohl schon etwas tiefer in der Produktionsweise dieser Wissenschaften ).In den naturwissenschaftlichen Fachbereichen sind die Kontrollmechanismen schon relativ früh angezogen worden, der Spielraum für Reflexion, freie Zeit, schon längst dahingeschwunden. Die Kritik, die hier in letzter Zeit an zerstörerischer Technologie verstärkt eingesetzt hat,geht weiter als die ewig gleich bescheuerte Ansicht, man brauchte gerade die “exakten Wissenschaften” nur mal andersjnenschenfreundlich, fürs Volk oder sonstwen anzuwenden. Hier ist auch ein Punkt, wo eine Wissenschaftskritik praktische Relevanz hätte, die den Wissenschaftsprozeß in seiner Gesamtheit angreift.

In den Geisteswissenschaften kann die Situation nur noch als ziemlich chaotisch bezeichnet werden. Dafür gibt es eine Reihe von Gründen. Zum einen — offensichtlich - wird all das an institutioneller Verankerung kritischer Inhalte, was die Bewegung Ende der 60er Jahre unter den nachfolgenden Bedingungen reformistischer Bildungspolitik durchsetzen konnte, nach und nach abgeschafft. Doch in dem Ausmaß der Stellenstreichungen und inhaltlichen Veränderungen deutet sich noch etwas anderes an als nur die Liquidierung linker Bastionen, wenngleich dies e natürlich zuerst angegriffen werden (z.B. der akademische Mittelbau).Im Entstehen, in der Funktion und der Art von Theorien über gesellschaftliche Zusammenhänge ist seit längerem eine Veränderung erkennbar: Keine in sich schlüssige, ein Selbstverständnis der bürgerlichen Klasse ausdrückende Theorie, die den Bezugsrahmen für Kritik abgeben könnte, kann hier mehr durchgehend angenommen werden, sondern ein einziger Schmus von zerstückelten und oft widersprüchlichen Einzelfakts werden dem Studenten beim Durchschleusen durchs Studium um die Ohren gehaut, den Kern machen ein paar Versatzstücke von Methodenwissen aus, auf instrumentelle Anwendung ausgerichtet. Ob das daran liegt, daß die Macht des Faktischen (z.B. in der ganzen Fortschrittsgläubigkeit, Verlust von Geschichtsbewußtsein, reduzierten und reflexartigen Wahrnehmungs- und Verhaltensweisen) sich soweit durchgesetzt hat, daß auf große Interpretationen verzichtet werden kann, oder daran, daß die verfaulende und auf den Hund gekommene bürgerliche Klasse keine Selbstverständnisse wie Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit und den ganzen Kulturbereich vom Wahren, Guten, Schönen mehr liefern kann (weil sie ihr besonderes Interesse nicht mehr als allgemeines darstellen kann und so - ähnliche Kalauer gäbs auch noch vom Bereich Basis-Überbau oder Produktion-Zirkulation-Ideologie), ob die (Produktions-) Verhältnisse schon an sich selber in einer ganz anderen Art ideologisch sind ,.usw...soll hier mal offen bleiben (das müßte dann schon gründlicher und vor allem in konkreten Zusammenhängen, an einzelnen Fb’s diskutiert werden anhand der Frage, welche Erwartungen, Möglichkeiten und Perspektiven noch mit dem Studienfach verbunden — oder nicht mehr verbunden — sind). Es sollte nur angedeutet werden,wieso das Abarbeiten an dem ganzen lauen Durcheinander bis zu solchen ‘progressiven’ Theorien wie es sie über Sozialisation, Kommunikation, Öffentlichkeit usw. haufenweise gibt, immer so beliebig, frustrierend und ergebnislos bleibt.

Doch auch di.e wesentliche Bestimmung von Studienabschnitten durch linke Theorie, z.B. Fb 3, die häufig zu sehr positive Theorie wird, bringt schwer grundlegende Änderung zustande im Hinblick auf eine sinnvolle Einordnung der Inhalte in die lebensgeschichtliche Entwicklung, Berufsperspektive, politische Praxis. Zudem befindet sich die linke Theorie in dem doppelten Dilemma, objektiv bedroht zu sein und gleichzeitig von ihren Adressaten kaum mehr als Bezugspunkt verstanden zu werden, um den es sich zu kümmern lohnen würde. Das macht stets eine Schwierigkeit aus, wenn der Stellenabbau an linken Fachbereichen verhindert werden soll. So existieren an der Uni zwar noch Freiräume (ist noch nicht die Gesamt uni als dem Verwertungsprozeß subsumiert zu bezeichnen) mit denen aber sehr schwer etwas anzufangen ist, wie die traurigen Erfahrungen in Marx- oder Massenarbeiterseminaren zeigen.

c) Ansätze von Widerstand im Uni-Normalbetrieb, Schwierigkeiten und Probleme

Bei der bisherigen Argumentation, daß weder im Rahmen der Kritik bürgerlicher Wissenschaft in den Seminaren noch in einem aus möglichst vielen linken Seminaren zusammengewürfelten Studiengang die großen Perpektiven und Möglichkeiten liegen, wird fraglich, was wir eigentlich von der Institution Uni fordern, was wir dort (verändern) wollen. Ehe hier auf die Diskussionen und Erfahrungen des Wintersemesters (z.B. in Streiks, Festen und anderen Aktionen) näher eingegangen wird, nochmal zum universitären Geschehen der Semester vorher. Neben der Möglichkeit, sich zumindest nebenher — durch Scheine, Prüfungen, Abschlüsse materiell abzusichern (und wenn auch erst nach 15 Semestern und einem Jahr Gewaltanstrengung in der Deutschen Bibliothek - denn so schnell sind wir doch noch nicht bruchlos zu Proletariern geworden), gab es verschiedene Einstellungen zur Uni, unterschiedliche Arten von Widerstand.

Zum einen die abstrakt-politische, die den Zusammenhang von Repression, Umstrukturierung, Studiensituation etc. zum Gegenstand macht und versucht, an bestimm ten Entscheidungspunkten, z.B. Gremien, aktiv zu werden. Dabei geht es dann zumeist darum, den Abbau linker Fachbereiche zu verhindern, oder die Einführung von Schmalspurstudien etc., um das HRG und andere Maßnahmen nicht nur als Repression zu beschwören, sondern in der Durchsetzung konkret anzugreifen. Denn das HRG kommt ja nicht etwa von heute auf morgen, und kurz zuvor machen wir ne Demo und rufen weg damit!, sondern es setzt sich — schon seit Jahren — schleichend durch, mit jeder neuen Prüfungsordnung, Studienordnung, Stellenumverteilung usw. Doch hier treten neben der schon angedeuteten Problematik, daß sich der Erfahrung nach z.B. nicht sehr viele Studenten für den Erhalt der Stellen linker Profs begeistern (was ja gewisse Rückschlüsse auf deren Relevanz nahelegt), noch andere Schwierigkeiten auf. Die ganzen Entscheidungen bezüglich KapVo, Stellenumsetzungen, und anderer Umstrukturierungsmaßnahmen lassen sich schwer zusammenbringea sind selten unmittelbar verknüpft mit unserem subjektivem Unmut.

Im zehnten Stock des Juridicums, wo’s normalerweise eh keinen vernünftigen Menschen hinzieht, gehen dann diese Entscheidungen als makabres Schauspiel über die Bühne: Krupp als Krisenmanager der mittleren Etagen, ein überlegenes Lächeln aufgesetzt, denn er weiß sich eins mit dem “Machbaren”, den Sachzwängen; Mehrheitsfraktion als Äbstiimmungsmarionetten; die Demokratische Opposition wird mit ihren verzweifelten Gegenargumenten regelmäßig und zynisch übergangen (Bsp.: Stellungnahme des Fb 3 und Kruppsche Reaktion, Uni-Report vom Dez. 76, S.4) — nicht einmal Schein wissenschaftsbezogener Begründungen wird ( für Umsetzungsmaßnahmen z.B.) mehr aufrechterhalten - es geht um den “gesellschaftlichen Bedarf“ (worin der besteht, läßt sich an den neuen Studiengängen ablesen.) Aber gegenüber der zunehmenden Bestimmung wissenschaftlicher Planung durch Verwertungszusammenhänge immer wieder darauf hinzuweisen, daß die ganze schöne Wissenschaftlichkeit und akademischen Ansprüche dabei flöten gehen, wirkt hilflos. „Ich habe sehr viel Verständnis für solche Überlegungen”, kommt als Antwort, und dann geht die Rechnerei mit Computerbogen weiter, wie der Studentenberg der kommenden Jahre in bestimmte Richtungen geschleust werden kann. U.E. bestehen darüber auch keine so großen Illusionen, daß nochmal eine große Empörung über die ‘demokratischen Strukturen 1 solcher Hochschulgremien ( mit anschließenden Forderungen wie Drittelparität) zu erwarten ist. Und letztlich ist es auch außer für ein paar politisch Aktive und die in der Institution arbeitenden Assistenten und Profs schwer einsehbar, warum sie ihre Energie in die Verhinderung einer Studienordnung legen sollen, die doch erst in drei Jahren kommt, statt doch nochmal auf die individuelle Tour zu versuchen, durchzukommen oder sich vielleicht in den Grüneburgpark zu legen Ein Ansatz, der diese Schwierigkeiten berücksichtigt (daß es illusorisch und fragwürdig ist, von einer Masse von Studenten zu erwarten, derartig Politik zu treiben), ist die Diskussion um Studienkollektive, Selbstorganisation des Studiums, mögliche (langfristig!) Entwicklung von Gegenstudien. Hier geht die Überlegung mit ein, daß es für die meisten weniger bedeutet, wenn sie Tag für Tag am Mensaeingang von einigen politisch Aktiven ein halbes Dutzend Flugblätter zugesteckt zu bekommen, in denen sie zu allem Möglichen aufgerufen werden, jeden Tag etwas anderes unterschreiben sollen, einmal im Jahr gibts noch eine größere Kampagne und das Ganze ist dann Politik - als vielmehr in der Möglichkeit, kollektiv mit den Verhaltens- und Leistungsanforderungen der Uni umzugehen statt individuell auszuflippen, reale Erfahrungen solidarischen Verkehrs sich entwickeln können. Natürlich ist die Gefahr, sich auf die Beschränktheit bloßer Lernzusammenhänge einzulassen, die Definition des eigenen Zusammenhanges auf und durch bestimmte Seminare immer mit der Gefahr der Integration verbunden, jedoch liegen hier auch andere Entwicklungen offen. Wenn z.B. die oben beschriebene Gleichgültigkeit gegenüber dem Studium, die Gefühle von Sinnlosigkeit real vorhanden sind und zunehmen, so liegt in Stukos, Arbeitsgruppen etc. der Ansatz, eigene Ansprüche, mit denen das Studium vielleicht begonnen wurde, selbst zu organisieren und daneben zum Studium einen instrumenteilen Bezug herzustellen, der für den Einzelnen als Absicherung dient und es nicht der individuellen psychischen Stabilität überläßt, wer nach 12 Semestern, in denen er ja nichts mit der Uni zu tun hatte (? ) noch einen Abschluß hinkriegt und wer halt Pech hat. Die Erfahrungen mit solchen Ansätzen sind allerdings oft recht ernüchternd: Die Arbeits formen in solchen Gruppen blieben oft unverändert zum Seminar,(nur weniger Bluff, alles läuft ehrlicher ab, aber ähnlich rigide), die Inhalte ließen sich selten auf einen subjektiv-politischen Anspruch hin entwickeln. Aus diesen Problemen allerdings die gänzliche Ablehnung solcher Stukos und Arbeitsgruppen zu schlußfolgern, verkennt die ambivalente Situation vieler Studenten, einem in seiner Sinnhaftigkeit zumindest fraglichen, mit Leistungsdruck und Reglementierung verbundenen Studium am liebsten den Rücken zu kehren, und sich andererseits doch immer wieder auf die Uni zu beziehen.

Sich überhaupt nicht mehr auf das Studium einlassen zu wollen, das als nur noch repressiv und unsinnig eingeschätzt wird, ist angesichts des Zustandes der Wissenschaft eine Konsequenz, die immer mehr für sich ziehen. Statt noch einmal auf eine bessere Wissenschaftlichkeit zu pochen, wird diese selbst in ihren gesamten Inhalten und Arbeitsweisen nicht mehr ertragen. Was sich hier von individuellem Wegbleiben, Verweigern, bis hin zu der Diskussion um die Schaffung alternativer Lebenszusammenhänge an Widerstand entwickelt hat gegen die Unterwerfung unter Paukdrill, der tendenziell jede Möglichkeit qualitativer Lern- und Erfahrungsprozeße verhindert, wirft aber auch erst mal eine Reihe von Problemen auf, statt der allgemeinen Konsequenz:,, Ich hab nichts mehr mit dem Studium zu tun,” die vielleicht subjektiv richtig sein mag. So ist der “Absentismus als Kampfform” häufig schon durch Anwesenheitslisten beeinträchtigt, wird zu einem bloß geistigen Absentismus — wegen Kontrolle der körperlichen Anwesenheit. Und selbst wenn die Verweigerung total wird, daß man‘s einfach nicht mehr aushält und nicht mehr hingehen kann ins Seminar, bringt das noch nicht die große Perspektive, sondern erst mal Gefühle, nicht mehr weiter zu wissen, psychische Probleme, Versagensgefühle. Die Entwicklung alternativer Projekte ist (bisher jedenfalls) auch nicht zu der Möglichkeit geworden, die den Ausweg aus der verfahrenen Situation zwischen Studium/Beruf/ Reformismus und mit Perspektive- und Ratlosigkeit verbundener Verweigerung hätte anzeigen können.

Für Studenten, die zunehmend früh, auf den Schulen, anfangen mußten, sich nach der Decke zu strecken, wenn sie weiter kommen wollten (Verdrängungsprozeß im Kampf um Arbeitsplätze: StudentenAbiturienten-Realschüler-VolksschülerSonderschullehrer...), die schon in jungen Jahren an Vereinzelung,stupides Lernen, Leistungsdruck gewöhnt worden sind,

<strong>ZEHN JAHRE KONSTANZER STUDIENREFORM</strong>

wird in den augenblicklichen Prozessen von Dequalifikation und schwindenden Berufsaussichten kaum noch einer sich inhaltlich sonderlich mit dem Studium identifizieren können und wollen .Wenn auch im Widerspruch, vielleicht doch noch zu denjenigen zu gehören, die Studium und Beruf bewältigen, und zunehmender Desillusionierung, zwischen Anpassung und Verweigerung einfach nicht gesagt werden kann, daß „sich eine neue Studentenbewegung ankündigt” oder daß „ die Studenten erstaunlich ruhig geworden seien, sich aufs Lernen besonnen hätten” ist die Tendenz doch wohl folgende: Wenn auch noch , in ziemlicher Naivität, während des Studiums die spätere Aussichtslosigkeit verdrängt werden mag, mit Gewaltanstrengung und Lerneifer unter dem zunehmenden Druck Prüfungen und Examen durchlaufen werden: In dem ganzen psychischen Elend, ’Lernstörungen’, Widerwillen...drückt sich doch das Gefühl der Sinnlosigkeit, des Protestes gegen diesen Studienbetrieb aus. (Zu dieser subjektiven Seite siehe Politikon Nr.43 u.53, besonder? die Artikel von Götz Eisenberg und Burkhard Scherer).

Damit diese Verweigerungsformen nicht individuell bleiben, ist ein Prozeß von öffentlicher Diskussion nötig, der prak-tische Folgen haben müßte, welche, läßt sich noch nicht so genau sorherbestimmea Jedenfalls sollte es schon drin sein, an den Punkten, wo im letzten Semester Diskussionen und Aktionen begonnen haben, die gewohnten Uni-Strukturen anzukratzen, weiterzukommen — in einem aktiven Streik ? ? ?

III Diskussion im Wintersemester — Frauenasta,Ökologie, Streik

Im Wintersemester geriet endlich wieder an der Uni ein bißchen was in Bewegung, anders als in den Semestern vorher, wo wesentliche Impulse für massenhafte Aktionen nur von außen kamen (und dann war zumeist bloß ein Reagieren auf staatliche Repressions- und Terrormaßnahmen möglich) - an der Uni gabs lediglich- • kleinere Rückzugsgefechte (gegen Anhörungsverfahren, Stellenklau, Umstrukturierungen....), Sprachlosigkeit, ab und zu noch ein Turmfest oder ähnliches. Daß im Winter neue Ansätze einer Bewegung über recht unterschiedliche Probleme (Ökologie/Technologiekritik; Fachbereichsaktionen: Streiks, Feste, selbstorganisierte Arbeitsgruppen, geplante Seminare; P.P.Zahl-Veranstaltung.„Entstanden, sehen wir als Möglichkeit, die Ausbildungsfabrik Uni und die in ihr betriebene Wissenschaft wieder prinzipieller anzugreifen. Wichtig wird dabei sein, die ganze Vielschichtigkeit nicht sofort auf ein paar einfache Parolen und strategische Richtlinien (finanzielle Misere, politische Repression - folglich weg mit dem HRG, mehr Bafög - wogegen natürlich niemand etwas hat) zu reduzieren. Wenn auch häufig,z.B. in Streiks oder Arbeitsgruppen unklar blieb, worauf wir perpektivisch rauswollen, wenn die ‘Öffentlichkeit 1 , wie exemplarisch an der Presseberichterstattung deutlich wird, überhaupt nicht durchblickt, was sich da eigentlich an den Unis zusammenbraut, sollte uns das erstmal nicht so furchtbar beuruhigen.

Wesentlich wird sein, wie K.H.Roth im Diskus 5/76 schreibt (“Scheiß auf die Karriere”) „ ...daß das zu befreiende Proletariat nicht mehr mit der Laterne zu suchen, sondern mit einem selbst deckungsgleich ist.” Weniger ob die klassenanalytische Einschätzung nun völlig korrekt (vielleicht gibts ja doch noch Widersprüche innerhalb des ‘produktiven Gesamtarbeiters’ oder so? ? ) und wissenschaftlich belegbar ist, birgt Brisanz in sich. Den Unterschied zu früher und Neuansatz kennzeichnet eine Tendenz , nicht als Kleinbürger, Bündnispartner oder in ähnlichen Selbsteinschätzungen sich nach einem sinnvollen Feld sozialistischer Berufspraxis (in manchen Fächern wie Jura oder Medizin ist’s vielleicht noch möglich) umzusehen, sondern die eigene alltägliche Situation in einem inhumanen Wissenschaftsbetrieb als Mittelpunkt zu nehmen, gerade gegenüber einer mehr und mehr zerstörerischen Realität nicht länger Illusionen von ‘reformierter Hochschule’ und besserer Wissenschaft nachzuhängen; indem der kapitalistische Charakter in Form, Inhalten des Studiums und der Situation der Betroffenen offensichtlich wird, stehen neue Formen von Verweigerung, Fragen nach dem Sinn des Studiums, subjektive Ansprüche und Betroffenheit an; Uni weder als nebensächliches Geschehen noch als Rekrutierungsfeld für andere Bereiche . . .

Zu Beginn des letzten Semesters wurden durch den Frauen-Asta und die Ökologiegeschichten breitere Diskussionen über Probleme begonnen, die traditionell an der Uni mehr am Rande gestanden hatten, wobei auf der ersten W und dem KKWteach-in eine starke Betroffenheit und Bereitschaft zu stundenlangem Zuhören spürbar war. Ökologie, Technologieentwicklung als zerstörerischer Prozeß, und die Thematisierung zerstörter Sinnlichkeit (wie z.B. in dem Frauen-Artikel im Diskus 5/76) lassen sich in ihrer Relevanz sicher nicht damit abtun, daß es sich hierbei um Nebenwidersprüche handle und das Augenmerk auf den bürgerlichen Staat und das Bafög gerichtet gehöre. In Bezug auf die Frauenunterdrückung, ihren spezifischen Ausdrucksformen in Wissenschaft und Universität wird ja allmählich kapiert, daß man hier nicht Kategorien wie Erscheinungsform ,Nebenwiderspruch etc. heranholen kann, um andere Rezeptionsweisen, ‘Sinnlichkeit als politisches Potential’ abzuqualifizieren.

Weil in der Problematisierung von zerstörter Sinnlichkeit, des Verhältnisses zur Natur, Ökologie, Technologie jedoch nicht ausschließlich emanzipative Tendenzen drinliegen, die Bedeutung für uns aber klar ist, müssen die Diskussionen weitergeführt werden. (Dies kann hier nur ansatzweise und bruchstückhaft geschehen). — Wenn für die Anpassung an kapitalistische Arbeitsnormen immer schon z.B. der Verlust qualitativer Zeitwahmehmungen, die wesentliche Reduktion auf quantitative Wahrnehmungsmechanismen notwendige Bedingung war, die Zersplitterung von Lebens geschichte, Alltag (Arbeits-/Freizeit), so erreicht dies im Spätkapitalismus abstruse und schlimme Dimensionen. Sowohl diese Zerfaserung und Einschränkung der Alltagserfahrungen, des Wahrnehmens und Denkens (hier existiert nicht einfach ein Widerspruch von abstrakter Theorie und Sinnlichkeit) als auch die Vernichtung natürlicher Gebrauchswerte macht Kritik an einem blinden Technologisierungs- und Industrialisierungsprozeß dringend notwendig. Daß die natürlichen Grundlagen menschlichen Lebens infragegestellt sind, unter deren Voraussetzung (daß ein ‘Stoffwechsel zwischen Mensch und Natur 1 überhaupt möglich ist) dann andere, befreite Produktions- und Verkehrsformen sich entwickeln könnten, wirft scheußliche Perspektiven von Vernichtung und Lebensfeindlichkeit auf. So ist es auch zu verstehen, wenn Leute nach einer KKWVeranstaltung von den Gedanken an Biblis einfach nicht mehr loskommen, das Gefühl haben, irgendetwas tun zu müssen. Bei den Diskussionen um diese Destruktion natürlicher Lebensgrundlagen (KKW’s, Giftgas, Giftmüll . . . Bedingungen in Frankfurt bis zu den Bäumen auf der Bockenheimer und den Phosphatwürstchen in der Mensa), um die herrschaftsstabilisierende Funktion der Technologie (z.B. gewerkschaftliche Forderung nach KKW’sArbeitsplätze/Export/Fortschritt), die Forschung in Richtung 1984 (sensorische Deprivation, stereotaktische Angriffe) usw. usw. besteht aber eine Gefahr: Zwar kann die herrschende Technologie bestimmt nicht einfach in den Dienst des Menschen (der Arbeiterklasse, des Volkes . . .) gestellt werden und enthält in ihrer konkreten Form und historischen Gestalt die Spuren von Ausbeutung und Unterdrückung in ihren Verfahrensweisen und Methoden, sowie materialisiert in der stofflichen Struktur ihrer Anwendung, z.B. im entwickelten Maschinensystem. Nur darf der Grund für zerstörte (und noch nicht entfaltete ) Sinnlichkeit und Lebensbedingungen nicht auf kaputte Naturzusammenhänge reduziert werden (wenn auf einer Uni-Mauer die Parole stand: ‘Die Natur an die Macht’, so konnte einem schon langsam mulmig werden), und zwar wegen der praktischen Konsequenzen, was den Verhältnissen entgegen gesetzt werden kann. So liegt in dem Ablehnen kapitalistischer Rationalität, wie dem ‘Bestehen auf Sinnlichkeit’ oder der Suche eines anderen Verhältnisses zur Natur in ländlichen Produktionsgemeinschaften halt ständig die Gefahr, daß die Bedürfnisse und Ansprüche in ihrer Unmittelbarkeit enttäuscht werden und hilflos bleiben, so legitim sie auch sind. Um deutlich zu machen, was gemeint ist und auf die Uni zurückzukommen ein paar Beispiele, wie sich technokratische Realität im studentischen Alltag zerstörerisch auswirkt:

Wenn der subjektive Bezug zum Studium im Sinne einer wie auch immer gearteten Identifikation, Erfahrung qualitativer Lernprozeße, Selbstentwicklung durch das Studium zumindest fraglich wird, in der inhaltlichen Beliebigkeit und Bluffsituation (gilt zumindest für die Geisteswissenschaften) auch manch gutgemeinter Beitrag in den Seminaren einfach verpufft, bei gleichzeitigem Druck der durchregulierten Studiengänge und enttäuschter Hoffnungen ins Studium mitgebrachter Erkenntnisansprüche die Sinnlosigkeit ziemlich evident wird, währenddessen noch bestimmte Zeitquanta abgesessen und Schein- und Examensquanta erfüllt werden, bewirkt dies auf die Dauer im Kopf und im Körper ein solches Durcheinander und Widerwillen ** ** (Welches sich auch beim Abschreiben dieses Textes einstellt. Anm. d. Setzerin)., psychosomatische Reaktionen, daß auch irgendwelche Einzelverbesserungen (z.B. des Mensaessens) schwerlich Abhilfe schaffen.

Ein zweites Beispiel ist Krupps saubere Uni: Hier ist es bestimmt nicht der einzige/Gesichtspunkt, eine sterile Atmosphäre zu schaffen - wenngleich, wie an den zurechtgestutzten Plakattafeln deutlich wird, Sterilität und Sauberkeit Öffentlichkeitsformen vorgeben, die emanzipative Inhalte tendenziell ausschließen - sondern z.B. auch die Zerstörung von Geschichtserfahrung. Wenn die Uni inzwischen wieder bunt ist, so ist dies gegenüber Krupp‘schen Sauberkeits- und Ordnungsvorstellungen sinnvoll, und wir sollten seine Versuche, Werfer von Farbbeuteln mit billigem Zynismus in die irrationale Ecke drängen zu wollen, schon durchschauen. Gleichzeitig fehlt trotz Farbtupfer auf der Uni-Fassade etwas: Die ganzen Sprüche und vergilbten Plakate waren immer noch Ausdruck vergangener Zeiten von Bewegung, von realen Konflikten. Damit so ein Gesichtspunkt nicht wegfällt, reicht es nicht, nur von Beton und Sterilität zu reden. Gerade für qualitative Erfahrungen ist wichtig, was sich auf den Wänden ausdrückt. (In diesem Sinne . . .).

Sterile und repressive Atmosphäre an der Uni hin und her - ohne Kritik kann Wissenschaft nicht auskommen (so beschweren sich schon Industrielle über mangelnde Kreativität und Initiative von Hochschulabsolventen) - aber doch bitte in geregelten Bahnen. Ein weiteres Beispiel, was Alltag in der Ausbildungsfabrik bedeutet und wo seine Grenzen liegen, lieferte Krupp im letzten Semester bei dem Fest der Wirtschaftschaftswissenschaftler. Feste, Aktionen, die den Vorlesungsbetrieb stören — früher Selbstverständlichkeiten — Kritik also, die sich nicht an vorgegebene Bahnen hält, soll offensichtlich keinen Platz mehr haben.

In dieser Situation sind nun an etlichen Fachbereichen Initiativen in Gang gekommen, die nicht mehr nur einzelne Verbesserungen (in Bezug auf Stellen, bestimmte Seminarinhalte etc.) fordern, sondern ihre Gesamtsituation zu problematisieren anfingen, vor allem auch praktisch. Hatte die politische Betätigung an Fachbereichen traditionell den Beigeschmack des Pragmatischen (Arbeit in Gremien zur Erstellung besserer Curricula. . .), des Berufsbezogenen, Realistischen, so ist doch für die jetzige Entwicklung ein anderer Grund anzunehmen. Und zwar, daß hier der Ort ist, in den Seminaren, in der konkreten Situation, wo sich die Fragen nach (Un-) Sinn und (Nicht-)Perspektiven des Studiums für die Einzelnen stellen, nach den Ansprüchen und Möglichkeiten.

Hier ist über das häufig ziemlich bornierte Gerangel um die Höhe der Bafög-forderung hinaus möglich, einzelne Maßnahmen wie Berufsverbote, Stellenstreichungen etc. in ihrer Bedeutung zu diskutieren, konkret anzugreifen und dabei kollektive Zusammenhänge zu entwickeln. Zum einen ist dies wichtig, weil sich - wie schon gesagt - der Prozeß von repressiver Umstrukturierung ja schleichend durchsetzt (und nicht plötzlich mit der Gültigkeit des HRG als Bundesgesetz in eineinhalb Jahren; deshalb hats auch wenig Sinn erst kurz davor bundesweit zu streiken, wenn die P r a x i s an den Uni’s eh weitgehend angepaßt ist), zum anderen, weil sich durch uniweite Zwei-tage-aktionen die Verhältnisse für uns im übrigen Semester nicht wesentlich ändern, die Entwicklung von Zusammenhängen kaum erreichen lassen.In den Diskussionen an den Fb’s war es dann zum Beispiel möglich, das Bafög als e i n, gewiß sehr wesentliches, Moment des Wissenschaftsbetriebes zu begreifen, in dem wir drinstecken. Den Umfang und Rahmen, in dem die offizielle Wissenschaft infragegestellt werden muß, zeigen z.B. die Themen der selbstorganisierten Arbeitsgruppen am Fb 10 an (Funktion und Veränderung der Geisteswissenschaften; Berufsperspektive ? ? ; Seminarsituation; Frauenspezifische Unterdrückung und Probleme; politische Repression (Berufsverbot für Schneider, Strafanzeigen . . .)). Daß.in der Auseinandersetzung dabei Probleme auftreten^.B. die Kritik wieder sich in den abgelehnten wissenschaftlichen Bahnen verfängt, unterschiedliche Ansprüche und Einschätzungen (etwa in Bezug auf Perspektive in Institutionen) auftauchen, drückt unsere reale Widersprüchli chkeit aus und kann nicht von solchen prinzipiellen Klärungs- und Verständigungsprozessen abhalten.

Wenn wir die individuellen Möglichkeiten, die uns an der Uni zunehmend bleiben - uns anzupassen oder länger hinnehmen wollen, denn beides hieße vor der technokratischen Realität kapitulieren, dann müssen wir diese Widersprüchlichkeit (zwischen unseren Bedürfnissen und der Möglichkeit, diese in einer Auseinandersetzung mit der herrschenden Universität/Wissenschaft zu ‘kollektivieren’ und praktisch zu entwickeln) akzepieren, und uns dranmachen,sie zu sprengen statt zu ignorieren — und wenn dabei zufällig die Universität mitgesprengt wird, so soll uns das nur recht sein.