Sehr geehrte Damen und Herren!

Das vom Grundgesetz garantierte Postund Fernmeldegeheimniss darf nur unter bestimmten Vorraussetzungen auf richterliche Anordnung hin durchbrochen werden.

Wer in Verlagen oder Buchhandlungen arbeitet, die dem VLB, Verband Linker Buchhändler, angeschlossen sind, weiß, daß die gesetzlichen Bestimmungen offenbar das Papier nicht wert sind, auf das sie gedruckt sind. In diesem Bereich wird seit Jahren ständig das Postgeheimnis durchbrochen. Schnüffeleien sind an der Tagesordnung. Beweise anzutreten fällt uns allerdings schwer, da es für die Indizien ( unverhältnismäßig lange Verzögerungen, beschädigte Verpackungen, geöffnete und wiederverschlossene Sendungen oder Verschwinden von Postsendungen) jeweils auch andere “natürliche“ Erklärungen bzw. Ausreden gibt. Nur ganz selten gelingt es, eine solche Schnüffelei einwandfrei nachzuweisen.

Im vorliegenden Fall ist dies eindeutig. Für das Auftauchen eines fremden Einschreibebriefes in einer verschlossenen Büchersendung gibt es nur zwei Erklärungsmöglichkeiten

a) Schlamperei beim Schnüffeln

b) eine gezielte Provokation Die einzige Stellungnahme, die uns bisher erreichte, war die des Sicherheitsbeauftragten der Kölner Post, der uns erklärte, “ so etwas sei ihm in seiner vierzigjährigen Laufbahn noch nicht vorgekommen.”

Die Einzelheiten des Vorganges bitten wir unseren Briefen an die Israelische Botschaft und das Kölner Postamt 2 zu entnehmen.

Für nähere Auskünfte stehen wir gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

An das

Postamt 2

-Paketzustellung -

Dienststelle II/2

5000 Köln

25.2.1977

Am 15.2.1977 erhielten wir eine Nachnahmesendung des Verlages Arndstraße in Frankfurt/M.

Als wir nach den Karnevalstagen dieses Päckchen öffneten, stellten wir fest,daß sich vier der in Rechnung gestellten Bücher nicht in der Sendung befanden.

Ein der verschlossenen Sendung beiliegender Brief wurde von uns arglos geöffnet. Erst später stellten wir fest, daß es sich hierbei um ein nicht an uns gerichtetes Einschreiben der Israelischen Botschaft handelte (R080 dd Bonn Bad Godesberg).

Inhalt dieser Sendung war der Israelische Paß Nr. 976261. Unser Geschäft befasst sich in erster Linie mit dem Verkauf von Büchern, Zeitschriften, Plakaten und anderen Druckwerken, zu denen aber keine Pässe gehören. Wir haben auch nicht die Absicht, etwa jetzt mit dem Anund Verkauf von Pässen zu beginnen. Deshalb können wir den Paß auch nicht als Ausgleich für die fehlenden Bücher (3 Exemplare “Antifeministen”, je DM 6,-- und 1 Exemplar “Neuorientierung“, DM 5,--) ansehen.

Wir wenden uns nun an Sie, in der Hoffnung, uns bei der Wiederbeschaffung der fehlenden Bücher behilflich zu sein. Insbesondere interssiert uns aber die Frage, wie es möglich ist, daß ein eingeschriebener Brief der Israelischen Botschaft, der nicht an uns gerichtet war, in eine verschlossene Sendune an uns gelangen konnte. Sollte es sich hier etwa um eine Verletzung des Post- und Fernmeldegeheimnisses handeln?

Wir haben mit gleicher Post die Israelische Botschaft benachrichtigt, mit der Bitte, den Paß seinem rechtmäßigen Eigentümer zukommen zu lassen.

Abschließend möchten wir Sie bitten, den Sicherheitsbeauftragten der Post über den Vorfall in Kenntnis zu setzen, damit diese Angelegenheit geklärt werden kann.

An die

Botschaft des Staates Israel

Simrockstr.2

5300 Bonn-Bad Godesberg

25.2.1977

Wir wenden uns an Sie in einer sehr delikaten Angelegenheit.

Am 15.2.1977 erhielt unsere Firma die Nachnahmesendung eines Frankfurter Verlages. Etwa eine Woche später öffneten wir das Päckchen und stellten folgendes fest:

1. Vier der berechneten Bücher fehlten,

2. In der verschlossenen Sendung befand sich eine Einschreibesendung Ihres Hauses an einen israelischen Bürger in Köln-Sülz, enthaltend den Israel-Paß Nr. 976261.

Der Paß befindet sich noch bei uns in Verwahrung. Wir vermuten, daß es sich bei diesem Vorgang um eine eklatante Verletzung des Post- und Fernmeldegeheimnisses handelt und möchten Sie daher höflichst bitten, bei den zuständigen Stellen auf eine Aufklärung dieses skandalösen Vorfalles zu dringen.

Wir bitten Sie weiterhin, den Paß wieder an sich zu nehmen, damit er seinem rechtmäßigen Besitzer zugeführt werden kann. Mit gleicher Post haben wir das Postamt 2 in Köln, Dienststelle II/2 von dem Vorfall in Kenntnis gesetzt.

An die Geschäftsleitung

”Der andere Buchladen”

Zülpicher Str. 197

5000 Köln 41

14.3.1977

Sehr geehrte Herren!

Wir danken für Ihre Mitteilung vom 25.2. Inzwischen hatten wir unsererseits den verloren gegangenen Paß recherchiert und wir nehmen an, daß er inzwischen von der Post bei Ihnen abgeholt wurde und dem rechtmäßigen Besitzer ausgehändigt wurde.

Wir sind mit der Post in Kontakt und erwarten deren Stellungnahme, wie dieses möglich war Ihnen danken wir sehr für Ihre Aufmerksamkeit.

Botschaft des Staates Israel

JEDER ANGESTELLTE EIN SPITZEL DES UNIVERSITÄTSPRÄSIDENTEN ?

Am 28.4. 76 besuchten zwei Bedienstete der Frankfurter Universität in dienstlichem Auftrag eine Veranstaltung von Prof. Schneider. Sie erzählten dort, daß sie Mathematikstudenten seien, die aufgrund verschiedener Flugblätter an den Vorgängen um Schneider und seiner Veranstaltung „Interesse gefunden hätten”. Zu einer Anfrage der Sozialistischen Konventsinitiative in der Ausschußsitzung am 31.3.77 erklärte Krupp, „daß die hier in Frage kommenden Bediensteten von uns nicht den Auftrag gehabt haben, unter Verleugnung ihrer Identität dort in den Saal zu gehen, daß sie unter dem Gefühl subjektiver Bedrohung dieses für eine geeignete Maßnahme gehalten haben, wird von uns gedeckt, weil man in einer solchen Situation sich hinter den Bediensteten, der so gehandelt hat — aus einer individuellen Lage hei aus -, . . . stellen muß.”

Dann stellte Krupp für künftige Fälle die Richtlinien auf, „daß 1. der Universitäts

Fortsetzung des Nachrichtenmagazins S.l 1

Fortsetzung des Nachrichtenmagazins von Seite 2:

Präsident und von ihm Beauftragte jederzeit die Möglichkeit haben müssen und haben werden — und das werden wir zur Not auch durchsetzen! — an Lehrveranstaltungen dieser Universität teilzunehmen

2. Daß selbstverständlich von uns aus keine Bespitzelung, wie das so heißt, unter der Verleugnung der Identität usw. betrieben wird — genauso selbstverständlich —.aber

3. wird nach wie vor unter Umständen die Notwendigkeit bestehen, den Einzelfall zu prüfen, wenn ein Universitätsbediensteter seine persönliche Sicherheit gefährdet sah.” Mit diesen Ausführungen ist einer weiteren Bespitzelung Tür und Tor geöffnet, da die Bediensteten immer mit der Großzügigkeit des Präsidenten rechnen können, „zu prüfen, was dazu geführt hat, daß ein Bediensteter in einer Notsituation sich nicht anders zu helfen wußte.” So kann eine Gefährdung der „persönlichen Sicherheit” konstruiert werden, der Spitzel beruhigt seine Identität verleugnen.

DIE § 218 - ENTSCHEIDUNG DES BUNDESVERFASSUNGSGERICHTS: Verstoß gegen die europäische Menschenrechtskonvention?

(Vorbemerkung: Die BRD und damit auch die jeweilige Bundesregierung hat sich durch die Unterzeichnung der Europäischen Menschenrechtskonvention (im Folgenden EMRK) den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte unterworfen — z.B. wurde die englische Regierung wegen Anwendung von Folter in Nordirland (sensorische Deprivation, Isolationshaft) verurteilt. Wenn die Kommission für Menschenrechte eine Beschwerde für zulässig erklärt, entscheidet der Gerichtshof darüber, ob die Beschwerde begründet ist.)

Die Europäische Kommission für Menschenrechte beim Europarat in Straßburg hat gegen den Willen der Bundesregierung, die verpflichtet ist, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu unterstützen, die Beschwerde von zwei Frauen gegen das Urteil über die Reform des § 218 StGB für zulässig erklärt. Deshalb wird in dieser Frage der europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Sachentscheidung treffen. Die Frauen stützen ihre Beschwerde auf die Verletzung der Privat- und Familiensphäre (Art. 8 EMRK), der Gedankens-, Gewissens- und Glaubensfreiheit (Art. 9 EMRK), des Diskriminierungsverbots (Art. 14 EMRK) und anderer Rechte. Die Frauen haben dazu vorgetragen, der Schwangerschaftsabbruch bleibe im Prinzip eine Straftat und er werde nur bei Einhaltung bestimmter Verfahrensregeln und bei Bestehen der Indikation für straffrei erklärt. Die Verpflichtung, einen Arzt heranzuziehen, der eine quasi richterliche Macht zur Entscheidung über das Vorliegen einer Indikation habe, stelle einen tiefen, unzulässigen Eingriff in die Privatsphäre dar. Die Kommission sagte in ihrer Entscheidung über die Zulässigkeit der Beschwerde, „daß auch das Sexualleben Teil der Privatsphäre ist und daß insbesondere die hier in Frage stehende gesetzliche Regelung der Schwangerschaftsunterbrechung ein Eingriff in die Privatsphäre ist - mag diese gemäß Art. 8 Absatz 2 EMRK rechtlich zulässig sein oder nicht” (darüber hat der Gerichtshof jetzt zu entscheiden). (Mehr darüber in „Vorgänge — Zeitschrift für Gesellschaftspolitik”, Nr. 25 (1977 Heft I) S. 122-125.)

ZENSUR GEGEN KRITIKER DER ZENSUR

Nachdem die ersten beiden Versuche, den § 88a (Maulkorbparagraphen) anzuwenden, an einzelnen Richtern und einem starken Druck der aufmerksam gewordenen linksliberalen und linken Öffentlichkeit gescheitert sind, ist der dritte Versuch angelaufen - bisher vor der Öffentlichkeit weitgehend verborgen.

In einer Strafanzeige werden verschiedene linke Buchläden beschuldigt, als Mitverbreiter oder Mitverantwortliche der Schrift „88a in Aktion”, gegen die Paragraphen 88a und 130a verstoßen zu haben. Das Absurde daran ist, daß in dem Buch „88a in Aktion” Aktionen, Strafanzeigen und Durchsuchungen aufgrund dieses Paragraphen kritisiert werden. Die Kritiker des Paragraphen 88a werden jetzt zum Schweigen gebracht. (In dem Buch wird die Zeitung Revolutionärer Zorn in einem dokumentarischen Anhang abgedruckt, weil sie der Grund für die kritisierten Polizeimaßnahmen gewesen sein soll).

Fünf Finger sind (eine Faust) subversiv

Am 16.2.77 wurden in Buenos Aires der Direktor des Verlages Ediciones de la Fbr , Dr. Daniel Divinsky, und seine Frau Ana Maria Miler, die ebenfalls zur Verlagsleitung gehört verhaftet.

Bisher hat sich noch kein argentinisches Gericht mit diesem Fall beschäftigt. Wie durch Auskunft von Polizeibeamten bekannt wurde, wurde die Verhaftung des Ehepaares vom Innenministerium angeordnet wegen der Veröffentlichung eines kleinen Kinderbuches mit dem Titel Fünf Finger, der Übersetzung eines in der BRD erschienenen Buches.

Das Buch wurde im November 1975 in Argentinien veröffentlicht und am 2.2.77 durch das Dekret Nr. 269 der Exekutive verboten. Gegen dieses Verbot legte Dr. Divinsky am 11. Februar Widerspruch ein und wies dabei „energisch” die in dem besagten Dekret beinhaltete Vermutung zurück, es handele sich bei diesem Kinderbuch um einen „Beitrag zur Subversion”. In dem erwähnten Einspruch wies Dr. Divinsky darauf hin, daß der „inkriminierte Text eine Beschreibung der alten Maxime ist, die besagt, daß Einheit Stärke schafft”