»Aufbruch im Bahnhof - DieWeichen sind gestellt;?!«'1

Im Juni letzten Jahres fanden in zahlreichen Städten Aktionswochen gegen Vertreibungs- und Ausgrenzungspraktiken in den Innenstädten statt, die von einem überregionalen Zusammenschluß von Künstlerinnengruppen, Wohnungsloseninitiativen, antirassistischen Gruppen bis zu Stadt(teil)zusammenhängen getragen wurden Die Proteste richteten sich gegen die sich verschärfende Kontrolle und Klassifizierung von Orten und Räumen und die zugehörige repressive Politik. Diese wird bis heute durch die Definierung von (Un-)Sicherheit in Städten und durch (rassistische) Zuschreibungen von Kriminalität zu Personengruppen legitimiert. Die enge Zusammenarbeit von Kommunen und privaten Interessensgruppen zeigt sich in der Etablierung von Runden Tischen und Präventionsräten oder dem zunehmenden Einsatz privater Sicherheitsdienste im öffentlichen Raum. Die »Bearbeitung von Störung oder Gefahr« reicht von unmittelbarer Repression (Abschiebung, Knast, u.v.m.) über die Ausweitung der Definition von Gefahr in städtischen Verordnungen bis zu Gesprächskreisen, die an der Erstellung von »Leitlinien zur Gestaltung des Zusammenlebens im öffentlichen Raum« 2 arbeiten.

Wieso gerade Bahnhöfe?

Mit der diesjährigen Fokussierung auf das Thema Bahnhof soll das Konzept eines inhaltlich breiten Protests gegen die Kontroll- und Disziplinierungsstrategien in den Städten keineswegs aus dem Blick geraten; zumal über die Durchsetzung einer verstärkten Initiative des Bundes für frühes Eingreifen gegen sogenannte »Alltagskriminalität« in Städten (»Aktion Sicherheitsnetz«) auch an anderen Orten der Stadt eine neue Qualität von Uberwachungs- und Kontollpraktiken zu erwarten ist. Die Planung eines stärkeren Zugriffsrechts des BGS in Städten verweist nachdrücklich auf eine verbindlichere Form der Zusammenarbeit Das Zusammenwirken von Gefahrenkonstruktion, privater Kundenorientierung und räumlicher Klassifizierung ist in den Bahnhöfen weit fortgeschritten. Bahnhöfe sind typisch und einzigartig zugleich, da sich an ihnen die Bündelung von Regeln und Praktiken konkret nachzeichnen läßt, die bei durch andere Rahmenbedingungen gekennzeichneten Orten lediglich projektiert werden können. Drei Beispiele sollen das veranschaulichen: (1) Die Durchsetzung von Hausrecht in einem quasi-öffentlichen Raum wie dem Bahnhofsgebäude ist an anderen Orten wie z. B. der Zeil nicht denkbar, solange die dortigen Eigentumsverhältnisse bestehen bleiben.

(2) Mit der Kooperation von Sicherheitsdiensten und Bundesgrenzschutz im Bahnhofsgelände läßt sich die Durchdringung von privaten und öffentlichen - hier staatlichen - Teilen innerhalb eines Sicherheitskonzepts aufzeigen.

(3) Die räumliche Umgestaltung der Bahnhöfe, orientiert am Konzept eines modernen Dienstleistungsunternehmens mit entsprechenden Konsumangeboten, geht einher mit der architektonischen Zurichtung des Gebäudes in (symbolisch) klassifizierte Zonen.

Die Politik der Bahn AG hat in Teilen »Vorbildcharakter« für andere Interessengruppen und zeigt eine Perspektive auf, mit welchen Szenarien in Zukunft auch andernorts zu rechnen sein wird.

Mit der überregionalen Kampagne, die in Form einer rollenden Stafette von Stadt zu Stadt verlaufen und Spielräume für die Thematisierung regionaler Spezifika offen lassen soll, wird auf die übergreifende Relevanz der »Problematik Bahnhof« verwiesen. In jeder Stadt, die sich beteiligt, werden ein bis zwei Tage »gestaltet«, an denen (nicht nur) zum Thema Bahnhof Aktionen stattfinden werden. Insbesondere die Skandalisierung bzw. das Brechen von Normalitätsstandards werden dabei Inhalte von Aktionen sein. Wie im letzten Jahr wird dies Anfang Juni sein, die genauen Termine werden rechtzeitig bekanntgegeben.

kontrollraum.doc:Zu einer Info-Film-Tanz-Veranstaltung laden am 5. Mai 1998 um20 Uhr die Redaktion diskus unddie Innenstadt AG ins Parkhaus inder Junghofstraße ein.

Kontakt: Innenstadt AG c/o Uni-Buch, Jügelstraße 1, 60325 Frankfurt www.frankfurt.org/innercityinnercity [at] LINK-F.rhein-main.de

1 > Takt - Die Nahverkehrszeitung der DeutschenBahn AG 6/98

2 > FAZ vom 4. 3.1998