Wir zählen runter: »5-4-3-2-1…« Jubel bricht aus, ein paar Leute fangen an zu singen: »Ihr könnt nach Hause gehen, ihr könnt nach Hause gehen…« Freitag, 15 Uhr vor der Beratungsstelle pro familia im Frankfurter Westend. Hier finden Aufklärungsworkshops für Schulklassen statt, Paare kommen zur Sprechstunde für Familienplanung – und Schwangere zur sogenannten Schwangerschaftskonfliktberatung. Diese Beratung ist in Deutschland verpflichtend, um einen Schwangerschaftsabbruch durchführen lassen zu können.

Schon zum vierten Mal stehen diesen Herbst für 40 Tage christlich-fundamentalistische Abtreibungsgegner_innen vor der Beratungsstelle, um Schwangere am ungestörten Zugang zu dieser Beratung zu hindern. Sie beten, singen und halten riesige Plakate mit Bildern von blutigen Föten oder Sprüchen wie »Es gibt kein Recht auf das Töten ungeborenen Lebens«. Mal sind es 5, mal 25; Männer und Frauen; Jung und Alt. Jeden Freitag stehen wir mit dem Feministischen Aktionscafé auf der anderen Seite des Platzes und Cornern gegen Fundis. Es gibt Kaffee und Kuchen gegen eine Spende für Women on Waves, einer NGO, die weltweit Schwangeren den Zugang zu einem sicheren Abbruch ermöglichen will. Dazu selbstgemachte Musik, gemütliche Sitzgelegenheiten und jede Menge kreativen Protest. Das Publikum besteht vor allem aus Studierenden und Teilnehmer_innen des Bündnisses für Frauenrechte, aber auch der_die ein oder andere Angestellte aus den umliegenden Banken und Büros verbringt die Mittagspause mit uns. Zahlenmäßig ist das Verhältnis zwischen Fundis und Gegenprotest zwar oft ausgeglichen, die nettere Zusammenkunft sind aber eindeutig wir.

Ein sichtbarer Gegenprotest ist richtig und wichtig, denn er zeigt Menschen, die zur Beratung von pro familia gehen, dass sie den Fundis nicht alleine gegenübertreten müssen. Das gilt nicht nur für Frankfurt, denn weltweit kämpfen Menschen für ihr Recht auf körperliche Selbstbestimmung. Während wir im Westend eine ungestörte Beratungsmöglichkeit für Schwangere (oder auch die Abschaffung der Beratungspflicht) fordern, gehen in Argentinien Menschen für die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen auf die Straße. Trotzdem muss die Frage gestellt werden, zu was für einem Ort der Platz vor pro familia durch die Proteste für Menschen wird, die Beratung in Anspruch nehmen (müssen). Denn die Privatsphäre dieser Menschen wird gestört: Durch die Fundis, aber gezwungenermaßen auch durch uns, die die Fundis stören. Eine Beratungsstelle soll Schwangere neutral beraten und kann damit im weitesten Sinne als ein Schutzraum bezeichnet werden. Wenn der Weg dorthin zum Spießrutenlauf wird, ist das zu problematisieren. Im Gegensatz zu den Fundis wollen wir diesen Schutzraum nicht belagern, sehen aber bisher keine andere Möglichkeit. Also versuchen wir den Platz so angenehm wie möglich zu gestalten, zum Beispiel durch Sichtschutz vor dem Eingang der Beratungsstelle. Auch der Palmengarten hat durch große Palmenkübel dazu beigetragen.

So unerfreulich der Anlass also war, kann doch gesagt werden, dass die Freitage im Rahmen der Möglichkeiten ein Erfolg waren. Alt und Jung sind zusammengekommen und haben einen Ort der Vernetzung geschaffen. Zwar hoffen wir, dass es dazu nicht kommt: Aber auch beim nächsten Mal wollen wir uns den Abtreibungsgegner_innen zu Vielen bunt und laut entgegenstellen!

Alexandra Peters und Sophie Bauer