Am Arbeitsgericht Frankfurt wurden letzten Mittwoch, dem 13. Januar, verschiedene Unterlassungsanträge des Betriebsrats der Bildungsstätte Anne Frank (BS) bei einem Gütetermin verhandelt. Es geht dabei um weitreichende Vorwürfe des Betriebsrats, wonach die Leitung der BS die Arbeit des Betriebsrats einschränke und dabei auch nicht vor Einschüchterungen, Drohungen oder persönlichen Diskreditierungen zurückschrecke.  

  

Zur Einordnung

Um den Streit zu verstehen, muss man das Arbeitsumfeld und die Vorgeschichte in den Blick nehmen. Grundsätzlich ist die Arbeit in Einrichtungen der politischen Bildung, so auch in der BS Anne Frank , von starker Prekarität geprägt. Gelder werden den Trägern nur projektbezogen bewilligt, was für die Angestellten häufig zu einer Kontinuität befristeter Verträge und der Abhängigkeit von regelmäßigen Verlängerungen führt. Zudem ist die Arbeitszeit schwer zu regulieren und basiert häufig auf Vertrauensbasis, was eine unbewusste Mehrarbeit bis zur Selbstausbeutung strukturell fördert. Weil sich Angestellte gerade in der politischen Bildung häufig mit den Zielen des Projekts und Trägers identifizieren, fällt es ihnen erfahrungsgemäß schwer, ihre Kritik individuell zu äußern. Auf der anderen Seite wird die kollektive Organisierung der Arbeitnehmer_innenseite durch die individualisierten und befristeten Anstellungsverhältnisse erschwert.

In der BS werden diese strukturellen Probleme wohl schon lange durch den Führungsstil der Leitung und die Unternehmenskultur verstärkt: Ehemalige Angestellte wandten sich anlässlich des Prozesses mit einem Unterstützungsschreiben an die Öffentlichkeit, in dem sie die Vorwürfe des Betriebsrats mit eigenen Erfahrungen untermalten. Dort ist die Rede davon, dass die Leitung der BS „schon jahrelang Mitarbeitende einschüchtert und nach Gutsherrenart ausnutzt.“ Weiter heißt es: „Der autoritäre Führungsstil, der dem Selbstanspruch der demokratischen Bildungsarbeit, den die BS Anne Frank nach außen vertritt, so diametral gegenübersteht, macht die Betriebsratsarbeit zwar umso nötiger, aber bestimmt auch umso schwieriger für Euch.“ Auch in den Sozialen Medien berichteten einzelne User_innen von vergleichbaren Erfahrungen.

 

Das Verfahren

Dieser Eindruck bestätigte sich auch vor Gericht. Die Betriebsratsvorsitzende Krieg betonte, wie sehr ihr die inhaltliche Arbeit der Bildungsstätte am Herzen liege. Sie erklärte weiter, dass die Betriebsratsgründung ein verzweifelter Versuch der Mitarbeitenden sei, das Betriebsklima zu verbessern und dem Anspruch der Bildungsstätte an demokratischer Bildung auch betriebsintern gerecht zu werden. Das erfolglose Ringen mit der Geschäftsleitung um bessere Arbeitsbedingungen und Partizipationsmöglichkeiten habe zunehmend eine Angst hervorgebracht, Kritik überhaupt zu äußern. Insgesamt sei laut der Betriebsratsvorsitzenden das Betriebsklima für einen Großteil der Beschäftigten kaum auszuhalten und eine interne Verbesserung nicht absehbar.

Da die Gründung und Arbeit des Betriebsrats von Seiten der Leitung massiv behindert wurde, strebt der Betriebsrat nun eine gerichtliche Einschränkung des Vorgehens der Leitung an. So fordert er mit Unterlassungsanträgen die Geschäftsführung unter anderem dazu auf, die Einschüchterung und Diskreditierung von Betriebsratsmitgliedern sowie die Androhungen von Nicht-Verlängerung der Arbeitsverträge oder Einbehaltung von Lohnzahlungen zu unterlassen. Zudem wird gefordert, dem Betriebsrat zentrale Informationen nicht länger vorzuenthalten und grundlegende Arbeitsmittel wie einen Laptop zur Verfügung zu stellen. Nicht zuletzt wird die Abmahnung der drei Mitglieder des Betriebsrats nach Einreichung der Klage stark kritisiert.  

Im Nachgang des Verhandlungstermins veröffentlichte die Bildungsstätte eine Stellungnahme, wonach „nicht alle außergerichtlichen Einigungsmöglichkeiten ausgeschöpft worden wären“. Neben den für Arbeitgeber_innen wohl obligatorischen Formulierungen, man begrüße die Bildung des Betriebsrats und erachte das Arbeitsrecht als ein „hohes Gut“, finden sich darin jedoch keine Hinweise auf eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der geäußerten Kritik. 

 

Fragen der Anerkennung des Betriebsrats und des gemeinsamen Miteinanders sind nur bedingt durch ein richterliches Urteil zu klären. Vielmehr scheint der Betriebsrat darauf zu hoffen, dass durch das Verfahren ein Grundstein kooperativer Zusammenarbeit gelegt wird. Die zuständige Richterin teilte diese Ansicht und empfahl beiden Parteien ein Güterichterverfahren, dessen Ziel es ist, sich unter Mediation einer dritten Partei auf eine gemeinsame Lösung zu einigen. Ob sich beide Seiten auf ein solches Verfahren einlassen, müssen sie bis zum 27. Januar entscheiden. Eine eindeutige Bereitschaft dazu signalisierte zumindest der Anwalt der Geschäftsführung, die mit Verweis auf die Corona-Pandemie nicht persönlich anwesend war, derweil nicht. Vielmehr betonte er mehrmals, dass es aus Sicht der Geschäftsführung keinen Grund gäbe, sich inhaltlich mit den Vorwürfen auseinanderzusetzen, weil sie formal nicht zulässig seien. Der Frage, ob eine kompromissorientierte Grundstimmung vorhanden wäre, wich der Anwalt der Bildungsstätte aus.  

Der Gütetermin vor dem Arbeitsgericht ging also ohne klares Ergebnis zu Ende. Ob es zu dem vorgeschlagenen Mediationsverfahren kommen wird, bleibt offen. Der Betriebsrat, der sich durch die permanente Ablehnung der demokratischen Teilhabe erst zu juristischen Mitteln gezwungen sah, schien dem zumindest deutlich aufgeschlossener als die Seite der Geschäftsführung.

 

CS