Mehr noch als die vorangegangenen läuft der zehnte Prozesstag, der einzige der Woche, am 09.07. sehr schematisch ab. Das mag daran liegen, dass der Fokus der Beweisaufnahme weiterhin nicht auf Franco A.s mutmaßlichen Anschlagsplänen liegt, sondern auf dem Vorwurf des Betrugs. Bei diesem Betrugsvorwurf geht es um den Vermögensvorteil, den A. dadurch hatte, dass ihm bzw. seiner Doppelidentität „David Benjamin“ subsidiärer Schutz und finanzielle Hilfen zugewiesen wurden. In den letzten Prozesstagen hatte der Senat und die Verteidigung A.s dafür plädiert, diesen Anklagepunkt fallenzulassen, da im Vergleich zu den anderen Vorwürfen im Falle einer Verurteilung in diesem Punkt nur eine geringe Strafe drohe, aber eine unverhältnismäßig aufwändige Beweisaufnahme nötig sei. Der Asylbetrug A.s wurde in den letzten Prozesstagen insbesondere von den Verteidigern des Angeklagten als Bagatelle beschrieben. Die Bundesanwaltschaft sieht dies jedoch anders und möchte die Verhandlung um den Betrugsvorwurf fortsetzen. Der Senat wirkt dabei nun ein wenig lustlos.

Fast genervt klingt so auch Richter Kollers erneute Thematisierung der Lücken in den Akten gleich zu Beginn: Die Vertreter_innen der Bundesanwaltschaft bittet er um Nachermittlungen. Die Frage ist, wer für die Entscheidung, Franco A. subsidiären Schutz und Geldansprüche zuzugestehen, verantwortlich war. 

Immer wieder dieselbe Verschwörungstheorie

Die Verteidiger Franco A.s greifen das Thema der Lückenhaftigkeit der Akten auf. Um A. weiter als Opfer der Justiz zu stilisieren, sieht die Verteidigung den Angeklagten inmitten einer Verschwörung: Sie vermutet eine „doppelte Buchführung“ der Bundesanwaltschaft und eine „gezielte Unterschlagung entlastender Sachen“. Außerdem wolle man bei diesem Anlass nochmal berichten, dass Franco A. seine Untersuchungshaft „ungewöhnlich lange“ in einem besonders gesicherten Haftraum verbringen musste. Dieser Beitrag und das Narrativ der Verteidigung wird von Richter Koller unbeeindruckt zur Kenntnis genommen. 

Vorletzte Woche hatte die Staatsanwaltschaft beantragt, 20 der 129 auf Franco A.s Handy gefundenen Audioaufnahmen als Beweise verwerten zu können, um A.s antisemitische und geschichtsrevisionistische Haltung zu belegen. Die Verteidigung A.s hat nun eine Stellungnahme zum Antrag der Bundesanwaltschaft vorbereitet. Darin knüpft sie an das Opfernarrativ an, die Bundesanwaltschaft wolle A. „öffentlichkeitswirksam an den Pranger stellen“. Die ausgewählten und von der Bundesanwaltschaft vorgelesenen Zitate seien „pressewirksam” aus dem Kontext gerissen worden. Offensichtlich sei eine „Gesinnungsdebatte” und eine „Verdachtserweckung” gewollt. Wenn, dann müssten alle Sprachmemos in Augenschein genommen werden, denn der Gesamteindruck würde den Angeklagten angeblich entlasten. Dabei gelte eigentlich sowieso das Verwendungsverbot, da es sich bei den Sprachmemos um eine Art Tagebuch handle. Nur bei großer Deliktschwere dürfe dieses Verbot umgangen werden - „und darum geht es hier ja nicht”, so Verteidiger Schmitt-Fricke. 

Ob die Sprachmemos als Beweise aufgenommen werden können oder in den Bereich der Intimsphäre fallen, wird der Senat noch entscheiden müssen. Erstmal geht es weiter mit der Beweisaufnahme zum Betrugsvorwurf, welche das Bild einer überarbeiteten Behörde zeichnet und Einblicke in Franco A.s Dreistigkeit bietet, der sich als vom Islamischen Staat (IS) verfolgt ausgab. 

Eine überarbeitete Behörde ...

Der Vorwurf des Betrugs erwächst aus der vermeintlichen monetären Vorteilsnahme, da A. in seiner Rolle als syrischer Christ „David Benjamin” durch seinen Status als subsidiär Schutzberechtigter Zugang zu Sozialleistungen hatte. Am zehnten Prozesstag wird derjenige vernommen, der die Anhörung leitete, welche der Entscheidung über den Status zugrunde liegt. Es wird die Aussage des Zeugen Thomas R. aufgenommen, ein Berufssoldat, der von September bis Dezember 2016 aushilfsweise Anhörungen für das BAMF durchgeführt hat. An das Zusammentreffen mit A. habe er jedoch keine Erinnerungen mehr. 

Zwei Wochen sei R. ausgebildet worden, bevor er seine Tätigkeit in den Nürnberger Grundig Towern begonnen hat, richtig vorbereitet habe er sich nicht gefühlt. Seine Aufgabe sei gewesen, zunächst die Personalien und die Staatsbürgerschaft der Asylsuchenden herauszufinden. Danach hätte er seinen Gesprächspartner_innen vorgefertigte Fragen gestellt, mit dem Ziel, weitere Informationen über diese zu sammeln. Nur wenn sich ihm eine „Angriffsfläche“ geboten habe, hätte er sagen können, dass jemand lügt. Dies war im Falle der Anhörung „David Benjamins“ aus seiner Sicht nicht der Fall.

… und dreiste Behauptungen Franco A.s

Durch die anschließende Verlesung des Anhörungsprotokolls wird der Inhalt thematisiert. Der angebliche „David Benjamin“ gibt gegenüber dem Sachbearbeiter an, dass der IS den Bauernhof, auf dem er gelebt habe, zerstört und seinen Vater erschossen habe. Sein christlicher Glaube und sein “jüdisch klingender Name” hätten ihn zum Opfer des IS und der arabischen Mehrheitsgesellschaft in Syrien gemacht. 

Im weiteren Verlauf der Verhandlung wird der Angeklagte zu seinen Aktivitäten mit Blick auf den Asylbetrug, zu seinen Reisetätigkeiten und dazu, wie er seine Erreichbarkeit sicherstellte, befragt. A. gibt, nicht ohne Stolz, zu Protokoll, dass das gar nicht so kompliziert gewesen wäre. Er sei wegen Terminen vor Ort alle vier bis sechs Wochen nach Erding bei München gefahren, wo er mit Geflüchteten zusammen auf einem Hof untergebracht war. Urlaub habe er sich dafür nicht extra genommen, er sei vor oder nach dem Dienst in der Kaserne in Straßburg gefahren, oder wenn er sowieso gerade frei gehabt hätte. Er berichtet minutiös, wie er von Straßburg losgefahren sei – nach Erding benötigt man immerhin vier Stunden –, sein Auto auf einem Supermarktparkplatz geparkt und dabei immer versucht habe, eine „möglichst gute Zeit mit den anderen Flüchtlingen“ zu haben. 

Die Luft ist raus

Eigentlich ist die einzige Erkenntnis dieses Tages: Aus der Beweisaufnahme den Betrug betreffend ist die Luft raus. Die Beweisführung geht weiter nur schleppend voran: Auch der als Zeuge geladene Bundeswehrsoldat hat nichts Substantielles zur Klärung des Betrugsfalls beitragen können. Der ohnehin schon kurze Verhandlungstag endet somit schon nach einer Stunde. Er sei davon ausgegangen, die Zeugenbefragung wäre ergiebiger, begründet das der vorsitzende Richter. 

Die Verhandlung wird am Donnerstag, den 15.07., fortgesetzt