Kistenweise Munition, rechtsextreme Gedanken und Sprüche, dazu noch ein paar Bier – die Zutaten für eine echte Männerfreundschaft sind einfach. Den Tonfall in gemeinsamen Chatgruppen scheint das vor Kurzem aufgelöste SEK in Frankfurt mit dem Bundeswehroffizier Franco A. gemein zu haben.

Dieser Eindruck zumindest entstand durch die Befragung eines langjährigen Freundes des Angeklagten im Prozess gegen den Offizier, dem vorgeworfen wird, aus einer rechtsextremen Motivation heraus eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet zu haben. Mathias F. wurde bereits vom Landgericht Gießen wegen des Besitzes und Transports der angesprochenen Munition zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr verurteilt und gab dem Gericht Auskunft über das Verhältnis der beiden.

Männerabende

Nach seinen Aussagen verlaufen die Abende mit Franco A. nach einem ähnlichen Muster. Man trifft sich auf ein Bier - „über irgendwas haben wir wahrscheinlich geredet“ – und am Ende ist irgendwie eine Kiste Munition für Kriegswaffen im Kofferraum gelandet. „Das hat sich so aus der Situation ergeben“, erklärt er den Verlauf vor Gericht. Ein anderes Mal treffen sie sich in Franco A.s Wohnung in Straßburg und begutachten ein Gewehr. Dann wieder in Franco A.s Keller in Offenbach und wieder ist da ein Gewehr. Danach gefragt, ob es ihn nicht irritiert habe, dass ein Freund Gewehre zuhause hat, meint F., er habe sich „ehrlich gesagt keine Gedanken gemacht“. Ein anderer Abend endete damit, dass Franco A. ihm eine Bücherkiste mitgab, in der unter anderem auch Mein Kampf lag. Ob er sich da nicht gewundert habe, fragt der vorsitzende Richter Koller. „Nein, das haben ja viele zuhause“, antwortet F. unaufgeregt.

Bei anderer Gelegenheit haben die Freunde gemeinsam „das Einrad aus dem Fenster geworfen“ – offenbar ein Codewort für Bogenschießen. „Ganz normales Verhalten unter Männern, aber mit konspirativer Kommunikation“, nennt das der Richter Koller sichtlich irritiert. An anderer Stelle reagiert er auf die Aussage des Zeugen, es sei ja schon lustig, dass man sich einfach so als Flüchtling anmelden könne, mit einem trockenen „da haben sie Recht“.

Überhaupt liegt am vergangenen Prozesstag die Vorstellung einer idealen Männerfreundschaft in der Luft. Ihr halbes Leben dauerte jene zwischen Franco A. und Mathias F. Kennengelernt haben sich die beiden im Ruderclub Offenbach, in dem sie gemeinsam aktiv waren. Die Bewunderung, die F. seinem früheren Kumpel, dem er zutraute, „das System zu verändern“, entgegengebracht hat, ist offenkundig. Franco A., der drei Jahre älter ist, scheint sich in der autoritären Rolle zu gefallen: Auch wenn beide heute angeblich keinen Kontakt mehr haben, ist die Hierarchie zwischen den beiden auch im Gerichtssaal klar erkennbar.

In gemeinsamen WhatsApp-Chats wurde deutlich, dass zutiefst antisemitische und rassistische Beleidigungen und Verschwörungsdenken zu ihrem alltäglichen Umgang miteinander gehörten. Franco A. hat den Freund zudem immer wieder zurechtgewiesen und ermahnt, sich nicht allzu explizit zu äußern, wie er es auch in anderen Chats mit Bekannten bereits tat: Ein Problem sind die Aussagen offensichtlich nur, wenn sie in Chats fallen und damit technisch nachweisbar sind. Dass es sich dabei nur um strategische Abwägungen gehandelt hat, zeigt auch das im Gericht verlesene Gutachten der ersten Masterarbeit von Franco A.

Die Masterarbeit

Der Gutachter kommt dabei zum Ergebnis, dass es sich nicht um eine wissenschaftliche Arbeit, sondern um ein völkisch-nationalistisches und rassistisches Pamphlet handle, das „alle Merkmale einer Verschwörungstheorie“ aufweise. Franco A. beschreibe in der Masterarbeit wie verschiedene Gruppen (Geflüchtete, Menschen mit Migrationshintergrund, Feminist_innen, Juden und Jüd_innen…) als subversive Kräfte an der Zerstörung von „Volk und Nation“ arbeiten würden. Damit schließe er an bekannte neurechte Argumentationen, Begriffe und Verschwörungsvorstellungen an. Er schlussfolgere aus seiner Darstellung zudem, dass eine Verteidigung gegen diese Kräfte mit Gewalt legitimiert sei.

Die Verteidiger A.s sind bemüht, dies zu entkräften und behaupten, ihr Mandant habe lediglich vergessen, diese Behauptungen nicht als seine eigenen darzustellen. Heute sei er der wissenschaftlichen Arbeit jedoch fähig, was durch eine bestandene Jura-Probeklausur bewiesen werden könne. In einer Stellungnahme räumen sie ein, dass die Ausführungen in der Masterarbeit einseitig gewesen seien und ihr Mandant „beide Seiten“ hätte integrieren sollen. Eine wohlgesonnene Besprechung der Arbeit hat die Verteidigung beim „Deutschen Freidenker Verband“ gefunden, der der Querfront-Szene zuzurechnen scheint. Der in Auszügen vorgetragene Artikel bestätigt die Verschwörungstheorien Franco A.s, bescheinigt seinen Schlussfolgerungen dagegen nur einen „konservativ-rechten“ Charakter, da ihm das dialektische Denken fehle. Um sich selbst ein Urteil bilden zu können, kündigte das Gericht an, die Abschlussarbeit in Ausschnitten zu besprechen.

Männerchats

Ähnlich wie die Polizisten, die im Kontext des jüngsten Skandals um die rassistischen Chat-Gruppen der Mitglieder des Frankfurter SEKs davon sprechen, dass sie sich lediglich in ihren Messenger-Diensten rassistisch ausdrücken würden, stilisieren sich A. und F. als Opfer einer ungerechtfertigten staatlichen Verfolgung. Mit den rassistischen, antisemitischen und sexistischen Chat-Nachrichten konfrontiert, erklärt F., dass sich über Humor natürlich streiten ließe. Jüd_innen und Juden seien in seinen Chats nur deshalb so häufig Gegenstand von Verunglimpfungen und Hass, da das Judentum nun mal die älteste monotheistische Religion sei und er eben mit Religion insgesamt nichts anfangen könne. Auch sei er damals wie heute freilich kein Rassist, er drücke sich aber heute besser aus. Und auch A. sei in seinen Augen kein „Extremist“, er habe seine politischen Positionen „immer in gutem Sprachgebrauch vorgetragen“.

Nach der längeren Phase des Prozesses, in der es um den Anklagepunkt des Betrugs wegen der falschen Identität Franco A.s als Geflüchteter ging, liegt der Fokus momentan vor allem auf der Motivation und der rechtsextremen Einstellung des Angeklagten.

Deutlich wird immer wieder, wie Rechtsextremismus, gerade auch in Sicherheitsbehörden, mit Männlichkeitsgehabe zusammenhängt, das gleichzeitig dazu dient, die Einstellungen und Äußerungen im Nachhinein zu bagatellisieren: Boys will be Boys. Männerhumor und Männerbünde fungieren als Triebfeder der Faschisierung – ob beim Frankfurter SEK oder dem Bundeswehrsoldaten Franco A.