Es muss eine Party gewesen sein, auf der A. sich wohl fühlte. Oder wie sonst ist die Sprachaufnahme vom März 2015 zu erklären, in der er im Gespräch darüber schwadronieren kann, dass „Juden und Deutsche nicht dasselbe Volk“ seien? Zu Beginn des Verhandlungstages verliest die Bundesanwaltschaft ein Statement zur Einführung der Sprachaufnahmen als Beweismittel in die Hauptverhandlung. Diese Aufnahmen einer Party, welche auf A.s Handy gefunden wurden, belegen laut der Bundesanwaltschaft A.s antisemitische und geschichtsrevisionistische Haltung. Sie zitieren die Aufnahme wortwörtlich: A. bezeichnet Großbritannien und Frankreich als „Judenstaat“ und spricht davon, dass „der Westen“ sein „dreckiges demokratisches System“ auch noch den letzten widerständigen Nationen aufzwingen wolle. Widerständige Nationen sind laut A. Nordkorea, Venezuela, China, Iran und Russland. Er versteigt sich in geschichtsrevisionistischer Hitlerverherrlichung: „Hitler ist kein Maßsstab, der steht über allen Dingen.“ Die Verteidigung unterbricht das Statement und drängt auf die Unverwertbarkeit der Dateien, da diese der Privatsphäre ihres Mandanten angehörten. Deswegen unterlaufe die Wiedergabe im Statement der Bundesanwaltschaft auch diese ungeklärte, rechtliche Frage. Der Senat geht darauf ein, der Antrag muss noch geprüft werden. Deswegen führt Bundesanwalt Buskohl die Verlesung des Statements nur mit Auslassung der Zitate zu Ende. So bleiben die Aufnahmen an diesem Verhandlungstag stumme Beweise. Die Bundesanwaltschaft sieht in ihnen einen „Schlüssel zum Verständnis der Straftat“.

„David Benjamin“ war sehr „charmant“

Zwei Zeug_innen sind am 24. Juni geladen. Beide haben 2017 im Jobcenter Erding gearbeitet, als Franco A. als Geflüchteter „David Benjamin“ einen Antrag auf Grundsicherung stellte. Zeugin A. organisierte im Jobcenter Gruppenveranstaltungen zur Hilfe bei der Antragsstellung von Geflüchteten. An Franco A. kann sie sich erinnern. Auf die Frage des vorsitzenden Richters Koller, wie das Auftreten des Angeklagten gewesen sei, antwortet die Zeugin: „Nichts auffälliges“ und beschreibt ihn als sehr „charmant“.  Allerdings sei ihr schon aufgefallen, welch verblüffend gutes Deutsch der als Geflüchteter getarnte A. gesprochen habe. Den arabischen Übersetzer habe er gar nicht gebraucht, weil er kein Arabisch sprach. Das sei, so die Zeugin, schon komisch gewesen, da er doch angegeben hatte, auf dem Markt gearbeitet zu haben.

Während der Befragung des zweiten Zeugen H. stellt sich heraus, dass das Gericht die falsche Person geladen hat. Denn H. entschied nicht über den Antrag Franco A.s auf Grundsicherung, sondern war lediglich informiert über dessen Antragsstellung und -bewilligung. Die Sachbearbeiterin, die 2017 den Antrag positiv beschied, wurde fälschlicherweise nicht geladen. Trotzdem bietet H.s Aussage Angriffsfläche für Franco A.s Verteidigung. Bei der Antragsstellung im Februar 2017 ist A. schon im Fokus der Ermittler_innen, da er kurz vorher am Wiener Flughafen festgenommen wurde. Deswegen meldet sich auch einen Tag nach seiner Antragsstellung das BKA bei der zuständigen Sachbearbeiterin im Jobcenter Erding. Das BKA habe nach A.s Daten gefragt, aber keinen Aufschluss über den Hintergrund ihrer Ermittlungen gegeben. Das, so schildert der vernommene Zeuge H., sei schon ungewöhnlich gewesen. Er schließt seine Aussage mit den Worten: „Sie haben uns gesagt, wir sollen ganz normal bewilligen.“ Hinter dieser Aussage riecht A.s Verteidigung das große staatliche Komplott und schießt sich in ihrer Befragung darauf ein. Mehrfach versucht Verteidiger Hock zu erfragen, ob das eine Anweisung vom BKA gewesen sei, den Antrag positiv zu entscheiden. Am Ende sichtlich entnervt, bekräftigt der Zeuge wieder und wieder, dass es keine Einflussnahme von Seiten des BKAs gegeben habe.  „Die Vorraussetzungen waren alle gegeben“, so der Zeuge. Alle Unterlagen, die für eine positive Bescheidung notwendig gewesen seien, hätten vorgelegen.

Teileinstellung des Betrugsvorwurfs?

Der vorsitzende Richter Koller wendet sich am Ende der Zeug_innenvernehmungen mit einem „pragmatischen Vorschlag“ an  die Bundesanwaltschaft: „In diesem Verfahren geht es um was ganz anderes, viel Wichtigeres als diesen wiedergutgemachten Betrug.“ Wenn es nach dem Senat ginge, sollte der Anklagepunkt des Asylbetruges  fallen gelassen werden. Denn hier ginge es im Vergleich zu den anderen Anklagepunkten nur um eine geringe Strafe. Der Nachweis des Betruges mache allerdings eine akribische Beweisaufnahme und erneute Zeug_innenvernehmungen nötig, mehrere Verhandlungstage müsse man dazu aufwenden. Für einen wiedergutgemachten finanziellen Schaden von nicht einmal 3000€ sei dies, so der Senat, nicht verhältnismäßig.

Unterstrichen wird der Vorschlag des Senats von einer spöttischen Bemerkung seitens des Verteidigers Hock in Richtung Bundesanwaltschaft: „Sie können doch in Kleinigkeiten großzügig sein.“ Die Bundesanwaltschaft indes räumt sich noch Bedenkzeit ein. Das Ergebnis der Bedenkzeit wird wohl Teilinhalt des Verhandlungstages diesen Donnerstag sein.

Preppen, aber nicht Prepper genannt werden wollen

Am Ende des Verhandlungstages werden A. durch den Senat Fragen zu einer Vielzahl von SIM- Karten und diversen Emailadressen gestellt. A. begründet deren Besitz mit der Aussicht auf „den Zusammenbruch von geltenden Strukturen“, beteuert aber, sich nie mit der Prepper-Szene „identifiziert“ zu haben. Zu der vermeintlich im Gebüsch gefundenen Waffe und einem in einer Mülltonne gefundenen Portemonnaie sagt er nichts.

Die Verhandlung wird am Donnerstag, 1. Juli, um 10 Uhr fortgesetzt.