Erneut Streik an der Raststätte
Gespräch mit der Hochschulgewerkschaft unter_bau zur Lage der streikenden Lkw-Fahrer in Gräfenhausen
Seit etwa drei Wochen streiken wieder Lkw-Fahrer auf der Autobahnraststätte Gräfenhausen, knapp 30 Kilometer vor Frankfurt. Ihr wart als Basisgewerkschaft unter_bau vor Ort, um den Streik zu unterstützen. Wie ist die Situation auf der Raststätte?
Die Situation in Gräfenhausen ist schwierig. Dort haben sich mindestens 150 Fahrer versammelt, die teils seit Monaten keinen Lohn erhalten haben. Die größten Probleme sind die Versorgungslage und die Hygiene: Niemand weiß, wie lange der Streik noch dauern wird. Die Fahrer haben keine Duschen, sie sind auf Essensspenden angewiesen. Deshalb haben einige Leute, die in verschiedenen Gruppen organisiert sind, – neben unter_bau vor allem Aurora Räteaufbau – vor zwei Wochen in Frankfurt eine Essensammelstelle organisiert. Die ada_kantine hat dabei viel Essen beigesteuert, aber auch viele Einzelpersonen haben Essen oder Geld dazugegeben. Das haben wir dann nach Gräfenhausen gebracht. Seitdem wiederholen wir das wöchentlich.
Was fordern die Streikenden und wie reagiert die Spedition?
Was die Streikenden fordern, können sie selber am besten sagen – deshalb habe ich diese Frage weitergegeben, als ich Dienstag vor Ort war. Die Antwort war: „Wir wollen unsere Löhne, mehr brauchen wir nicht.“ Natürlich könnte man weitergehende Forderungen aufstellen, zum Beispiel den Entzug der Lizenz für die verantwortliche Spedition Mazur oder bessere Arbeitsschutz-Gesetze für Fernstrecken-Fahrer und mehr Kontrollen, um die Einhaltung zu gewährleisten. Aber es sollte nicht darum gehen, den Streikenden irgendwelche Forderungen in den Mund zu legen. Die Lkw-Fahrer verfolgen keine politische Agenda, sie sind in einer Notlage: Sie brauchen die Gehälter, die ihnen zustehen, um ihre Familien zuhause zu ernähren – und das verwehrt ihnen die Spedition Mazur, die immer noch nicht auf die legitimen Forderungen eingeht. Seit über zwei Wochen verweigert Mazur weitere Gespräche, vor einigen Tagen hat der Unternehmer nun sogar die Lkw-Fahrer verklagt – wegen angeblicher Erpressung. Hier wird versucht, Opfer von Profitgier und Misswirtschaft zu Tätern, zu Verbrechern zu machen – das ist völlig pervers. Ein baldiges Ende der Situation ist deshalb aktuell leider nicht in Aussicht.
Es gab dieses Jahr bereits einen Streik auf derselben Raststätte, der für Aufsehen gesorgt hat. Hängt der aktuelle Arbeitskampf mit dem im März zusammen?
Wie eng der Austausch zwischen den Streikenden vom März und den aktuellen Streikenden ist, kann ich nicht sagen. Aber es ist natürlich kein Zufall, dass die Lkw-Fahrer sich wieder in Gräfenhausen versammelt haben. Der erste Streik dort war erfolgreich und dadurch ist dieser Ort wohl zu einem Symbol geworden für die Fahrer, die um ihren Lohn betrogen werden und nun endlich eine erfolgsversprechende Möglichkeit sehen, sich zu wehren und für das, was ihnen zusteht, zu kämpfen.
Wie organisieren sich die Streikenden?
Die Streikenden haben sich im Vorfeld des Streiks vor allem über Telegram organisiert. Zum Teil kannten sie sich schon über einen gemeinsamen Mentor.
Wie verhalten sich die deutschen Gewerkschaften?
Wie schon beim ersten Streik im Frühjahr unterstützen die deutschen Gewerkschaften die Lkw-Fahrer, vor allem der Deutsche Gewerkschaftsbund mit dem Netzwerk Faire Mobilität. Aber auch einige Ortsverbände, beispielsweise von der IG Metall, haben den Fahrern Verpflegung vorbeigebracht, genauso von der Linkspartei. Wir koordinieren uns dabei zusammen über eine WhatsApp-Gruppe, um abzusprechen, dass jeden Tag jemand in Gräfenhausen vorbeifährt, nach der Lage schaut und dass genug Essen da ist. Insgesamt ist die Unterstützung aber etwas geringer als beim ersten Streik: Auch in den Gewerkschaften sind viele im Urlaub und das Interesse von der Öffentlichkeit wie von den Medien ist geringer. Dabei ist es umso wichtiger, dass auch dieser Streik erfolgreich ist und die Fahrer ihr Geld bekommen. Zum einen natürlich, weil sie ein Recht auf ihren Lohn haben und ihre Familien ernähren müssen – aber auch, um das Signal zu senden, dass der erste Streik, der ja erfolgreich war, keine Ausnahme, kein Sturm im Wasserglas war, sondern Lkw-Fahrer jetzt Mittel und Wege haben, um sich gegen Ausbeutung zu wehren. Es ist davon auszugehen, dass die verantwortliche Spedition Mazur nur die Spitze des Eisbergs ist und viele Unternehmen sich ähnlich verhalten.
Wieso unterstützt ihr als Hochschulgewerkschaft einen Arbeitskampf im internationalen Güterverkehr?
Kämpfe für bessere Arbeitsbedingungen und für Mitbestimmung finden überall auf der Welt statt. Auch wenn wir als Frankfurter Hochschulgewerkschaft einen lokalen Fokus haben und unsere Kämpfe in der Regel das Präsidium der Goethe-Uni und die hessische Landesregierung adressieren, vernachlässigen wir den Blick über den eigenen Tellerrand hinaus nicht. Solidarität mit anderen Arbeitskämpfen ist immer ein Bestandteil unserer Gewerkschaftsarbeit gewesen, wir haben letztes Jahr zum Beispiel auch den Streik am Frankfurter Uniklinikum für einen Entlastungstarifvertrag unterstützt.