Wie schon im Uni-Report vom Februar 1981 angekündigt, ergreifen Stadt und Universität in konzertierter Aktion energische Maßnahmen zur Beseitigung studentischer Wohnungsnot. „Aufgrund eines Magistratsbeschlusses wird die städtische Liegenschaft Landgrafenstraße 19 und 21 für studentisches Wohnen zur Verfügung gestellt. Stadtkämmerer Ernst Gerhardt, der als Finanzdezernent auch für Universitätsangelegenheiten zuständig ist, verwies darauf, daß dies ein weiterer Punkt zur Erfüllung des Konzepts sei, das er Anfang Januar dieses Jahres mit dem Präsidenten der Universität, Prof. Dr. Hartwig Keim, zur Verbesserung der Wohnsituation der Frankfurter Studenten abgesprochen hatte. ... In der städtischen Liegenschaft Landgrafenstraße 19 bis 21 können voraussichtlich Wohnräume für ca. 15 bis 20 Studenten geschaffen werden. Diese Liegenschaft ist schon wegen ihrer Lage in Bockenheim und damit ihrer Nähe zur Universität für die Wohnraumversorgung von Studenten besonders geeignet.“ (Uni-Report, Februar 81) Viele glaubten diesen Aussagen nicht so recht, hielten die Versprechen — kurz vor den Kommunalwahlen — für Augenwischerei. Allen Unkenrufen zum Trotz scheint das Projekt, gemütliche Altbauhäuser für studentisches Wohnen zu erhalten und zur Verfügung zu stellen, kurz vor dem Abschluß zu stehen (s.o.). Daß diese Initiative keine Eintagsfliege bleiben soll, zeigt ein weiteres Projekt, das Stadt und Universität zügig angehen wollen, und dasbewußt Alternativen zu den anonymen Beton-Silos herkömmlicher Wohnheime bietet (s.u.)

Urängste und Zuversicht

Archaische Ängste und ihre tiefen Kräfte scheinen nicht nur in den Träumen des einzelnen Individuums hervorzubrechen, sondern wirken offenbar auch in so weltliches Geschehen hinein wie das an der Wall Street. Seit dem berüchtigten „Schwarzen Freitag" 1929 sitzt den Börsenkreisen die apokalyptische Angst des Zusammenbruchs, des Untergangs, im Nacken. Nun scheint es wieder so weit zu sein.

Ein Prophet tritt auf, trotz vieler Versuche, ihn mundtot zu machen; die Wirkung seiner düsteren Prophezeiungen legt geschichtliche Vergleiche nahe. Denken wir nur an die vier großen Propheten zwischen der Gründung des deutschen Reiches und dem Beginn des ersten Weltkrieges: Marx, Nietzsche, Jakob Burkhardt und Spengler. Gemeinsam war ihnen das gute Ohr: sie hörten die Einstürze schon zu einer Zeit, als sich die schwerhörigen Zeitgenossen noch mit Ammenmärchen einschläfern ließen.

Der Prophet pflegt zwei verschiedene Funktionen zu haben: er ist ein Seismograph — und zugleich ein Warner, der etwas verhindern und erreichen will. Der neu aufgetauchte Prophet heißt Joseph E. Grandville, er galt bisher als der große „ Börsenguru" (FAZ). Die apokalyptischen Visionen, die er nun verkündet, stehen jenseits derer von Großtechnologie und Militarismus: sie treffen die Seele und die Urangst jedes Besitzenden . . . Die technischen Indikatoren am 6.1.81 zeigten nach Börsenschluß in New York an, daß die Zeit zum Verkaufen gekommen ist, der Dow-Jones-Index für Industriewerte stand bei 1004,69 Punkten. ... Da setzte ein massenhafter Verkauf amerikanischer Aktien ein nach der Devise „Rette sich, wer kann!", dem Aufruf von Joseph E. Grandville folgend. Anfangs mochte dies noch als Panikreaktion belächelt werden, galt doch unter neuem Reaganschen Stolz die amerikanische Wirtschaft als unaufhaltsam im Aufwind. Inzwischen ist das Lächeln auf den Lippen gefroren, die düsteren Visionen enfalten ihre geheime Kraft, die Kurseinbrüche seither sind die schwersten seit 1929. Das Wort vom „Untergang des Geldes" macht die Runde.

Deutsche Geldinstitute zeigen sich von derlei Untergangsvisionen bisher allerdings wenig beeindruckt.

Frankfurt soll schöner werden

Viel Wirbel in der Frankfurter Presse erregte eine Entscheidung der hessischen Naturschutzbehörde, ein Bootsverleih für Tretboote habe vom Main zu verschwinden, um das Bild der Skyline nicht zu verschandeln. In der Begründung hieß es, daß die „flußabwärts liegendenacht Hochhaustürme durchaus einen extravaganten Reiz entfalten". Der Bootsverleih störe dieses Panorama „empfindlich".

Die Entscheidung wurde öffentlich kritisiert, ja zerrissen. Zu Unrecht, denn wo Banken und Hotels unter oft nicht geringen Opfern Ästhetik ins städtische Leben zaubern, da darf das Geschäftsinteresse eines Bootsverleihers nicht die Überhand gewinnen.

Faust- Interpretationen

Der Streit zwischen Verwaltungsgericht und Magistrat der Stadt Frankfurt um das Demonstrationsrecht zieht sich inzwischen über Monate hin. Trotz wiederholter öffentlicher Belehrungen seitens der Gerichte scheint OB Wallmann weiterhin willens zu sein, für mißliebige Gruppen das Grundrecht auf Demonstration außer Kraft zu setzen. Gegen die letzte vom ASTA angemeldete Demonstration erließ er ein Verbot, das den Charakter einer politischen Absichtserklärung trägt, deren Grundtenor eindeutig ist: Generelles Verbot von Gegenöffentlichkeit in dieser Stadt. Diese Gegenöffentlichkeit aufrechtzuerhalten, kann nicht die Sache allein von Verwaltungsrichtern sein Die erwähnte Verbotsverfügung der Stadt umfaßte sechs Seiten, die Aufhebung durch das Verwaltungsgericht elf. Interessenten können sich im Diskus Kopien abholen. Um einen Eindruck zu vermitteln, auf welchen Ebenen inzwischen gefochten wird, ein kurzer Abschnitt des Rechtsstreits Der Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt in seiner Verbotsverfügung vom 30.9.81. (Auszug); „Das Thema ihrer Demonstrationlautet: ,Berlin, Frankfurt und jetztist Schluß — für die Freilassung vonAndy, Bernhard, Matz und Gustav'.Die Worte ,und jetzt ist Schluß' zei-gen eindeutig, welch aggressive Hal-tung der Veranstalter zu dem Ge-samtthema ein nimmt. . . ,so Uten unsere Forderungenwider Erwarten — nicht erfüllt wer-den, so findet in Preungesheim am7. 10. um 17 Uhr eine Kundgebungstatt.' Neben diesen Satz ist einegeballte Faust gezeichnet, was nurals Aufforderung zu gewaltsamemWiderstand verstanden werdenkannDiese Folgerung muß sich auch auf-drängen, weil das genannte Flug-blatt die Abbildung einer eingeschla-genen Fensterscheibe zeigt; dies be-deutet, daß notfalls Gewalt, zumin-dest in Form von Sachbeschädigun-gen, ausgeübt werden soll. ..." Entscheid der IV. Kammer des Frankfurter Verwaltungsgerichts vom 2.10.81, Aufhebung des Verbotes (Auszug): „Soweit die Antragsgegnerin ausder Darstellung einer geballten Faustab lesen will, die Antragstellerinbeabsichtige die Ausübung von Ge-walt gegen Personen oder Sachen,so handelt es sich ebenfalls um eineFehlinterpretation. Die geballteFaust stellt vielmehr ein politischesSymbol mit alter Tradition dar,ohne daß daraus schon gefolgertwerden könnte, diejenigen, die sichdieses Symbols bedienten, wolltendabei auch sofort oder gleichzeitig Gewalt ausüben. Die geballte Faustist vielmehr als Symbol gemeinsamer Kraft und Solidarität in politi-schen Auseinandersetzungen zu ver-stehen, ohne daß damit über dieFormen dieser Auseinandersetzun-gen etwas gesagt wäre."

Tip des Monats?

Im Unigebiet, bes. Westend, werden fast täglich Autos abgeschleppt Selbst hinsehen ärgert, steht jedoch n keinem Verhältnis zum Ärger der zeitraubenden Wiederbeschaffung der Blechkiste Hier eine amerikanische Umgangsweise mit diesem Problem: Der ehemalige Rocksänger Lincoln Bouve gründete, nachdem sein Sportwagen zum 3. Mal abgeschleppt war, die Humiliation Elimination Inc. — ein Unternehmen zur Ausmerzung der Erniedrigung Mit 100 Mark jährlich ist man Teilhaber und künftig wird der Ärger zum Fest. Denn mit Luxuslimousine gehts zum Autosammelplatz, wo nicht gesucht und gezahlt wird, sondern geschmaust nach freier Wahl, einschließlich Kaviar und Sekt, während Fachleute die lästigen Tätigkeiten übernehmen

Ehrenbürgerschaft als Privat-feier

Was sich am Abend des 15.10.81 in der Hessenschau als Festakt der Stadt Frankfurt für den Bürger Abs entpuppte, schien am Nachmittag einem am Römerberg zufällig vorbeikommenden Beobachter eherauf ein Nachspiel der IAA (Ausstelung der Firma Mercedes Benz, oberste Preisklassen) oder ein Maffiatreffen hinzudeuten. Flink eilten aus plötzlich vorfahrenden Prunklimousinen Gäste des festlichen Ereignisses in den Römer, Öffentlichkeit war nicht gefragt, ja unerwünscht. Man wollte unter sich sein. Wegen der hier abgebildeten Fotos erschien — eigens herbeigerufen — die Frankfurter Polizei: gar nicht abgelichtete Herren des erlesenen Clubs machten austark Rechte am eigenen Bild geltend.

Die des Wegs kommende „Bevölkerung" schimpfte übrigens nicht schlecht über die Protzerei (der Römerberg war mit großen Schlitten so vollgeparkt, daß Fußgängern wenig Platz blieb) dieser klammheimlichen Feier, die in ihrer zwar arroganten, aber wenig souveränen Nicht-Öffentlichkeit in eklatantem Widerspruch stand zur These vom wiedererwachten Bürgerstolz.