Peter Jürgen Boock
„Terrorist Nr. 1 in Hamburg gefaßt" war die Headline der Bildzeitung vom 24.1.81. Als die wahre Geschichte bekannt wurde, erschien die neue Glanzleistung westdeutscher Terrorfahnder in wesentlich bescheidenerem Licht.
Seine Festnahme kam für Peter Boock nicht unerwartet, er lebte bereits seit über einem Jahr nicht mehr im,, bewaffneten Untergrund", sondern in Hamburg in einer Wohngemeinschaft und arbeitete in einem alternativen Projekt zusammen mit arbeitslosen Jugendlichen. Sein Austritt aus der RAF war schon länger ein offenes Geheimnis (etwa im Spiegel-Gespräch mit Hans-Jochen Klein in die Öffentlichkeit gedrungen).
Das neue Leben, das Peter Boock versuchte, trug das Risiko der Verhaftung in sich, er verzichtete auf Verstecken um jeden Preis. Dieses Verhalten kann auch als Test für die Versicherungen der Politiker gelten, aus dem Untergrund sei eine Umkehr möglich — zwar sei nicht Straffreiheit garantiert, aber faire Bedingungen.
Konkrete Erfahrungen im Knast haben Peter Boock — wie er selbst im Pflasterstrand 114 schrieb — eines Schlechteren belehrt. Der deutsche Staat kennt Gnade nur für vollständige Unterwerfung, und was dies in der Konsequenz bedeutet, hat mit „Gnade" nicht viel zu tun: Kronzeugendasein gegen andere politische Gefangene unter BKAVerschluß auf Jahre hin.
„Wer nicht für uns ist, ist gegen uns!" — Terrorist oder Verräter — wer sich nicht indiesesSchema pressen läßt, wird mit gemeinsten Methoden unter Druck gesetzt.
Wer sich nicht selbst zum Verräter hergibt, der wird solange öffentlich zum Verräter erklärt, bis eine Entsolidarisierung erreicht wird. Daß Peter Boock überhaupt mit BKABeamten gesprochen hat (er tat dies für seine wegen ihm in Haft sitzenden Freunde), wird in einer gezielt aufgebauschten Öffentlichkeit zum Akt des Auspackens verdreht. Die Versuche von BKA-Beamten, ihre Konstrukte von Peter Boock bestätigen zu lassen, schlugen fehl. Obwohl nichts von alledem durch Unterschrift oder gerichtliche Aussagen von Peter Boock belegt ist, verbreiten sich die BKA-Versionen auch über die Medien wie die Frankfurter Rundschau vom 24.10.81, von deren Genauigkeit in den Recherchen auch das abgebildete Foto von Peter Boock zeugt: Es ist das Fahndungsfoto von Rolf Clemens Wagner.
Der Staat erklärt, Peter Boock sei zum Auspacken bereit und die Anhänger der RAF nehmen dies zur Bestätigung ihrer Verräterthese. Da die Staatsseite um ihre eigenen Lügenmärchen natürlich weiß, be-handelt sie Peter Boock weiterhin als jemand, der sich nicht unterworfen hat: Mit der „vollen Härte des Gesetzes".
Ein von so verschiedenen Seiten bereits vor seinem Prozeß Verurteilter braucht dringend die Unterstützung all derer, die sich ihre Distanz zum Staat und zur RAF bewahrt haben.