Calamity Gulch (Unglücksschlucht)
Englische Gedanken Es ist noch immer eines meiner Ideale, auf diese oder jene Weise den eintönigen Ablauf des Alltags in London durcheinanderzubringen. Ich möchte gern aus einem Flugzeug in der Luft die Stadt bekleckern. Wenn ich nur so ein kleines Fenster aufkriegen könnte, dann würde ich behutsam eine meiner Hände zwischen die Propeller stecken, wie grobfaserige Wurst in einen Fleichwolf, so daß meine Finger usw. wie eine Hagelböe oder wie Gratisproben einer Reklamekampagne auf die Stadt fallen würden. Propaganda aus dem Himmel? Was würden die Herren mit den Melonen wohl dazu sagen? Aber man kann in einem Flugzeug kein Fenster aufmachen. Also warte ich eben, bis wir über London fliegen und gehe dann mit teuflischem Behagen urinieren: ich regne auf die Vorstädte. Möge der hohe Schwefelgehalt meines Wassers eure rotkonservierten Christrosen vergiften.
Am Morgen besuche ich mit meinem Schwager und zwei seiner Kameraden einen seiner kranken Arbeiter. Wir steigen alle in seinen Sportwagen, und dann rast er mit angsterregender Geschwindigkeit durch die engen Straßen. Wir zwei hinten sind dem Wind ausgeliefert, der Wind bauscht den Zwischenraum zwischen unseren Körpern und Sachen und droht, uns aus dem dahineilenden Auto zu heben und auf dem blauen Asphalt zu zerschmettern. Halt dein Bugspriet im Gegenwind. Wenn dir jetzt eine verirrte Mücke ins Auge fliegen würde und du instinktiv deinen Kopf zurückwerfen würdest, dann wäre es aus mit dir. Der Ruck durch die Nackenwirbel würde dir das Leben aus dem Rückenmark schneiden. Der kranke Arbeiter wohnt in einer Wohnwagensiedlung. Sein eigenes blaues Haus auf Rädern steht etwas abseits. Hier sollen etwa hundert Wohnwagen stehen. Der Boden ist mit Schlacke bedeckt. Ein paar ausgebrannte Lastwagen stehen auch da — zerfledderte schwarze Skelette. Einer der Wagen wirbt mit viel Firlefanz für CHARLIE CHAPLIN & SONS — original performers, ein zweiter Wagen gehört den Herren SWERVE AND DODGEM, Händler. Ein dritter ist die Sternwarte eines Zigeuners. Die hinkende Frau des kranken Arbeiters kommt uns draußen entgegen. Ich bleibe mit meiner Überempfmdlichkeit im Auto sitzen.
Es ist auch Frühjahr. Im Garten meines Schwagers wächst ein Apfelbaum. Der Apfelbaum ist brechend voll mit Blüten. Wenn der Wind weht, wirbeln die Blüten wie Konfetti um den Stamm. Der ganze Baum ist von einem delikaten Duft umgeben, gleich einer verliebten Frau im Bad, die auf ihren Liebhaber wartet. Vielleicht sitzt eine mollige Frau in dem rauhen Baum. Unter dem Baum wächst eine Goldblume. Obwohl man alles Leben achten soll, pflücke ich doch einen Fingervoll Blüten (einen zukünftigen Apfel? einen Baum?) und stelle sie ins Wasser. Wie beschreibt man eine Blüte? Ich zerreibe ein Blättchen (das Augenli d einer neugeborenen Katze oder eben gestorbenen alten Frau; die Haut vom Weißen im Auge) zwischen Daumen und Zeigefinger. Das Blättchen wird sofort dunkel, es wird breiig und schwer, zu etwas Nassem zwischen meinen Fingerspitzen. Die anderen Blüten werden auch schnell verwelken. Aus dem Schönen wächst das Saftige. Aus dem Munde des Narren fällt die Blüte.
Katastrophe: die Kanalisation ist verstopft. Dreckiges Wasser rülpst aus dem Maul des Abflusses — ein toter Mann, er kann nicht mehr schlucken. Wenn wir den Deckel vom Abfluß nehmen, wälzt sich ein krankhafter Gestank durch den Garten, über den Zaun und auf die Straße, wo Bürger argwöhnisch ihre Nasen zu rümpfen beginnen. Wir stochern mit langen Bambuslatten in den Abflußrohren, ohne nennenswertes Resultat. Wir legen den Deckel wieder hin und verbieten jegliche Benutzung der Toilette.Unterdem Deckel schwappt der Brei von verdautem Essen und Windeln und Abwaschwasser. Die Adern des Erdbodens verkalken. Aus dem Tod wächst der Baum.
Als die Gäste zum Gartenfest auftauchen, spannt die erste Wolke schon einen Feuerschirm vor die Sonne. Die alten zahnlosen Weiblein balancieren auf ihren spindeldürren schwarzen Beinchen umher und haben Bierschaumschnurrbärte unter der Nase. Die Männer stehen da und kratzen sich durch die Hosentasche und schwatzen über Autos und Frauen und die Übereinstimmung zwischen beiden. Wir stehen im Garten, über den verstopften Abflußrohren, unter der weißen Decke des Apfelbaums. Irgendwo brummt ein Flugzeug, es regnet. Irgendwo regnet ein Flugzeug Brummtöne.
„Hungrige Meute, greif dir die Beute.”