Eine Winterreise und ihre Folgen
,,Den Täter haben wir, und das ist dieHauptsache, die Tat werden wir schonfinden” (Ernst Bloch am 5. 4. 1975 ineinem Brief zur Kampagne für die Frei-lassung von Brigitte Heinrich anläßlicheines Teach-ins des AStA über die Repres-sionen gegen die Zeitschrift,Praxis ”durchden jugoslawischen Staat)
Mitte 1978 teilte Generalbundesanwalt Rebmann der Öffentlichkeit mit, daß er Anklage gegen Brigitte Heinrich wegen Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz, Hehlerei und Unterstützung einer kriminellen Vereinigung (der RAF 4.2. um Margit Schiller, Helmut Pohl u.a.) erhoben hat. Das Verfahren wurde an den 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart (Vorsitzender Richter Foth, Nachfolger von Prinzing) weitergeleitet. Damit schien festzustehen, daß die Verhandlung gegen Brigitte vor dem selben Gericht und in der selben Prozeßfestung ablaufen sollte wie bereits der Mammut-Prozeß gegen Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Jan Karl Raspe und Ulrike Meinhof. Jedoch wurde dem Widerspmch gegen die Zuständigkeit des OLG stattgegeben, so daß das Verfahren jetzt bei der Staatsschutzkammer des Landgerichts Karlsruhe liegt und in unmittelbarer Nachbarschaft von Herrn Rebmann abgewickelt werden soll. Der Prozeßbeginn war bereits auf Mitte Januar 79 terminiert, wurde aber vom Gericht verschoben — offensichtlich ermitteln sie immer noch oder wieder neu. Mit einem endgültigen Termin ist in Kürze zu rechnen, es sieht so aus, daß der Prozeß zu Beginn der Semesterferien anfängt.
Bereits jetzt zeichnet sich ab, daß nur mit allerhand strafprozessualen Verrenkungen, die nach deutschem Recht bislang nicht üblich waren, überhaupt in eine Beweisführung gegen Brigitte eingestiegen werden kann Zur Vorgeschichte: Brigitte wurde am 26.11.1974 bei einer bundesweiten Razzia nach sog. Terroristen mit dem Namen „Winterreise“ verhaftet.Die „Winterreise“ erfolgte unter dem Vorwand der Erschießung des berliner Kammergerichts-Vorsitzenden, Drenkmann, durch Mitglieder der Bewegung 2. Juni kurz nach dem Tod des zur RAF gerechneten Gefangenen Holger Meins während eines Hungerstreiks in der Untersuchungshaft Wittlich. Vorwand deshalb, weil die Razzia — laut „stem” ein großer Schlag ins Wasser — ursprünglich erst für das Frühjahr 1975 zum Beginn des RAF-Prozesses in Stammheim geplant war. Zugeschlagen wurde in 15 Städten und Gemeinden, Schwerpunkte waren Berlin,Hamburg,Frankfurt,Heidelberg. Allein in Frankfurt wurden 25 Wohnungen und Häuser durchsucht und vor allem Frauen verhaftet. In Hamburg wurde der Rechtsanwalt Wolf-Dieter Reinhard in Untersuchungshaft genommen.
Der spektakuläre Wasserschlag war das Ergebnis von Lügen und Halbwahrheiten, die zwei ,.Zeugen”,RolfMauerundJürgen Bodeux den Staatsschutzorganen angedient hatten.
Rolf Mauer hatte nach einer langjährigen Haftstrafe wegen Mordes über Kontakte mit Anti-Folter-Komitees und Rote Hilfen in verschiedenen Städten, zuletzt die Rote Hilfe Frankfurt, Zugang zur linken Szene gefunden. Mauers Aussagen, auf die sich Haftbefehle und Durchsuchungen stützten, waren zum Zeitpunkt der„Winterreise” bereits Monate alt. — „Seine Persönlichkeit war nach der Haftentlassung vernichtet”, schrieb Peter Mosler (Neues Forum Wien, April 1975), bei dem Mauer in seiner frankfurter Zeit wohnte. „Erfahrungen im politischen Kampf hatte er keine”, so Mosler, „er hatte nur die Erfahrung seiner Einsamkeit und der verzweifelten Versuche, ihr zu entkommen”. Manche von uns hatten geglaubt, Mauer in die Linke integrieren zu können, daß er seine Wut auf das, was er erlebt hatte in konstruktive politische Arbeit z.B. für eine Veränderung der Haftbedingungen umsetzen würde. Mauer hatte schnell gelernt, unseren Sozial„trip” auszunutzen, auch unsere Betroffenheit über seine bisherige Geschichte, mit der er gelegentlich ein bißchen hausierte. ,,Der Typ hat nen Durchblick”, so wurde er weitverbreitet in der Linken charakterisiert. Nachdem offensichtlich war, daß Mauer bei den Bullen untergekommen war, haben wir ziemlich lange überlegt, was wir falsch gemacht hatten, welche Hoffnungen die Linke in ihm geweckt hat und welche Erwartungen alle nicht eingelöst wurden.
Bereits in der öffentlichen Diskussion über eine vom rheinland-pfälzischen Innenminister Schwarz vor der „Winterreise” in die Hände der Presse gelangten ,3aader-Meinhof-Dokumentation” war die Rede davon, daß in dieser Schrift (auf S. 38) Mauer als „V-Mann” „enttarnt” worden ist. (FR vom 6. 3. 1975) Aber auch nach der „Winterreise” bastelte der V-Mann weiter an seinen Geschichten. So berichtete „Der Spiegel” (Nr. 11, 1975), daß er Kripo-Beamten, die ihn „blutend, die Kleider zerfetzt und verdreckt” an einer pfälzischen Landstraße aufgelesen hatten, die Story auftischte, er sei von „zwei Männern und einer Frau der BaaderMeinhof-Bande überfallen” worden. Tags drauf hätte er zugegeben, daß etwas ganz Anderes vorgefallen war. Monate später publizierten einige Medien eine ähnliche Version: Mauer sei von rachsüchtigen Linken entführt worden und seither verschwunden. Irgendwann jedoch tauchte er bei dem Publizisten Günter Wallraff auf, dem er eine Art Lebensbeichte ablegte, die Wallraff veröffentlichen sollte. Wallraff berichtete über seine Begegnung mit Mauer in „konkret”: „Damals lebte er bereits auf Kosten der Sicherungsgruppe in einem kleinen Hotel bei Bad Godesberg. Jeden zweiten Tag wird ihm von einem Beamten der Sicherungsgruppe ein Handgeld ausgezahlt, ein Sold, für den er manchmal tagelang in einem präparierten Lieferwagen vor irgendeine Haustür gesetzt wird, um Einund Ausgehende zu identifizieren. Er bekannte mir gegenüber damals offen:,Ich bin von Beruf Belastungszeuge. Ich sage ihnen alles, was sie von mir hören wollen, das ist weniger anstrengend für mich, denn sonst biegen sie meine Aussage in ihren Protokollen doch immer in die Richtung, die ihnen am günstigsten erscheint.’ ”
Jürgen Bodeux war Gründer der „Schwarzen Hilfe Porz“, über die er Kontakte zu RAF- und 2. Juni-Gefangenen knüpite, ein Ein-Mann-Betrieb, wie sich später herausstellte. Zeitweise war er auch Mitglied der Roten Hilfe Köln, wo er bei seinem Rausschmiß die Kasse mitgehen ließ. Bodeux war für die Strafverfolgungsbehörden bis vor kurzem weitaus ergiebiger als Mauer. Im Spätsommer 1974 zusammen mit Freunden aus Wolfsburg und Darmstadt verhaftet, wurde er schon bald zum Kronzeugen im „Fall Schmücker” aufgebaut. Schmücker, der in der Linken beschuldigt wurde, als V-Mann für den Verfassungsschutz zu arbeiten, war im Sommer 1974 in Berlin ermordet worden. Bodeux beschuldigte seine ehemaligen Freunde aus Wolfsburg, Schmücker hingerichtet zu haben. Ilse Jandt wurde im 1. Schmückerprozeß zu lebenslänglich, Wolfgang Weslau, laut Bodeux der „Todesschütze“, zu 10 Jahren Jugendstrafe, die übrigen Angeklagten (auch Bodeux) zu 5 Jahren verurteilt. Nach zwei Jahren bereits war Bodeux entlassen. Als einziger hat er keine Revision eingelegt, so daß das Urteil gegen ihn rechtskräftig ist. - Bodeux belastete alle, die er — wenn auch nur flüchtig — kannte: Robert Jarowoy, Wernfried Reimers, Concordia Jarowoy, Sigi Buchholz, Jürgen Klaus, Gabi Weber, an die 22 Genossen, u.a. auch Brigitte. Der hamburger Rechtsanwalt Wolf-Dieter Reinhard, den Bodeux zwei Mal hinter Gitter brachte, und der deswegen mit Berufsverbot belegt wurde, ist inzwischen nach einem 8 Monate dauernden Prozeß freigesprochen worden.
Schon bald nachdem die von seinen Aussagen Betroffenen erste Akteneinsicht hatten, kamen Zweifel daran auf, Bodeux sei vom BKA weichgeklopft und zum Plaudern gebracht worden. Ganz gezielt baute er die von ihm Belasteten zu mit allen Techniken der Konspiration agierenden Top-Terrroristen auf und dichtete Genossen, mit denen er nicht einmal diskutiert hat, Vorhaben an, die diesen nicht einmal im Traum eingefallen wären, Vorhaben, die nur ein Bulle erfinden kann. Genaueres erfuhr man über diesen Kronzeugen erst, seit die Revisionsverhandlung im Schmücker-Prozeß läuft, seit Anwälte und auch einige Journalisten, die über Jahre recherchiert haben, eine Anzahl Fakten für die Beantwortung von Fragen beigebracht haben, auf deren Erörterung das Gericht tunlichst verzichtet hat: die Frage nämlich, ob und seit wann Bodeux, wie zuvor Schmücker für das LfV Berlin, für das Bundesamt für Verfassungsschutz gearbeitet hat. Nach eigenen Aussagen und nach von der Polizei gefundenen Beweisen war es Bodeux, der Schmücker bei einem „Volksgericht” verhört hatte, der die Fragen formulierte und die Schreibmaschine besorgte, der die Waffe organisierte, sowie den Ort und den Zeitpunkt für die „Hinrichtung” auswählte. Das Gericht hat beharrlich auf die Erörterung der Frage verzichtet, ob Bodeux der Täter hätte gewesen sein können. Immerhin hatte die berliner Staatsanwaltschaft, unterstützt von der BZ und anderen berliner Zeitungen zunächst nach Bodeux als Täter gefahndet. Bis er „auspackte”? Alle wegen des Schmücker-Mordes Verurteilten mit Ausnahme Bodeuxs haben für die Tatzeit ein Alibi. Gegen den Verdacht der Anwälte in diesem Verfahren, Bodeux könne der Täter sein, gibt es keine Gegenargumente. Im Laufe des Revisionsverfahrens fanden findige Rechercheure in älteren Polizeiakten heraus, daß Bodeux bereits im Dezember 1973 geheimer Hinweisgeber im Fall eines bis heute unaufgeklärten Raubmordes in Porz gewesen ist, womit nicht nur die Spitzel-Theorie erhärtet wurde, sondern sich darüber hinaus die Frage aufdrängt, ob „möglicherweise ein Kontaktmann des Verfassungsschutzes an der Ermordung eines Menschen mitgewirkt hätte.” („Stern”, Nr. 12, 1979, S. 250) Dagegen nehmen sich
die Beschuldigungen, die Bodeux einer Vielzahl von Genossen anhängte, wie Arme-Leute-Geschichtchen aus, und es scheint, daß die Gerichte anderer Städte wenig Lust verspüren, den Fall Bodeux auch in ihren Prozessen erörtern zu müssen.
Brigitte Heinrich wurde damals aufgmnd der Aussagen Mauers verdächtigt, „anarchistische Gruppen zu unterstützen”, so der Haftprüfungsbeschluß des Ermittlungsrichters des BGH (23.12.74). Angeblich war sie ,Anlauf- und Kontaktstelle zur Ausstellung von falschen Papieren” und „daran beteiligt, den Strafgefangenen Dieter Hartmann, der aus einem Sozialurlaub nicht in die Vollzugsanstalt zurückkehren und sich der RAF anschließen wollte, in den Untergrund zu schleusen.” Ihren Pkw soll sie Hartmann zum Zweck der Waffenbeschaffung geliehen haben. Weiter wurde Brigitte verdächtigt, Hartmann bei der Beschaffung von falschen Papieren behilflich gewesen zu sein. Nach Aussagen von Jürgen Bodeux soll Brigitte mit einer anarchistischen Gruppe um Ilse Jandt „die Möglichkeit einer waffentechnischen Ausbildung in Syrien erörtert und zu diesem Zweck einen arabischen Verbindungsmann zugezogen” haben. Mit Bodeux soll sie auch Sprengstoffanschläge erörtert haben. „Bereits 1970 hatte sich die Beschuldigte in Jordanien aufgehalten und dort auch an einem Frauenlager mit Waffenausbildung teilgenommen”, heißt es in obigem Beschluß. Diese seit Jahren stereotyp wiederholte Behauptung geht zurück auf den Bericht einer FR-Joumalistin, die 1970 in Jordanien wochenlang nach Horst Mahler und seinen Freunden aus der RAF suchte, die nach der Befreiung Baaders aus einem berliner Gefängnis im Nahen Osten vermutet wurden. Noch weitere Zeugen versuchten die Anklagebehörden zwischendurch ins Spiel zu bringen, u.a. Dieter Hartmann (s.o.), der von einem Sozialurlaub nicht in den Knast zurückgekehrt, von Mauer bereits Mitte Januar 1974 mehrfach hintereinander bei der Polizei angezeigt worden war und ebenfalls bei der Winterreise'’ verhaftet wurde.
Alle Verhafteten der „Winterreise” wurden wenige Wochen nach ihrer Verhaftung wieder freigelassen, bis auf Brigitte. Die Fortdauer ihrer Untersuchungshaft begründete der Ermittlungsrichter am BGH, Zipfel, so: „Die Fluchtgefahr ist angesichts ihrer guten Beziehungen zu palästinensischen Kreisen besonders hoch.” Da wurde also eine Denunziation mit einer anderen begründet. Nun denn. Herr Zipfel soll ein ausgezeichneter Spezialist im Lebensmittelrecht sein.
Brigittes Anwälte, Heldmann und Krutzki, die wiederholt auf die Unhaltbarkeit der durch nichts belegbaren Beschuldigungen hinwiesen, wurden mit Ehrengerichtsverfahren verfolgt. Brigitte, fast 5 Monate in strenger Isolationshaft, zunächst in Mainz, dann in Hamburg, wurde während ihrer Haft krank: Symptome einer Jahre zuvor zum Stillstand gekommenen Lymphogranulumatose traten wieder auf. Während Anwälte und Angehörige, zahlreiche Studenten, politische Gruppen und Ärzte, Untersuchung und Behandlung durch Spezialärzte forderten, wurden von den Behörden die erforderlichen diagnostischen Schritte hinausgezögert. Während jeder „normale” Gefangene der JVA Mainz für eine schwierige Untersuchung oder Therapie in die Universitätsklinik gebracht wurde, während dort alle notwendigen Voraussetzungen für komplizierte Blutuntersuchungen vorhanden waren, ließ die Knast-Leitung Brigitte (erstmals abweichend von' den Gepflogenheiten) bei einem Internisten in der Stadt untersuchen. Diese sind in der Regel im Vergleich mit Uni-Kliniken nur unzureichend ausgerüstet. Als schließlich infolge andauernder Proteste in der Öffentlichkeit der BGH einer Untersuchung durch Spezialärzte zustimmte, wurde Brigitte anstatt in die Spezialabteilung der Mainzer Uni-Klinik ins Hamburger Gefängnis-Lazarett verlegt. Diese Verschleppungs-, aktion — Brigitte war in aller Eile unter Androhung von Schußwaffengebrauch in einen Hubschrauber verfrachtet und von diesem abtransportiert worden — wurde von den Medien hernach in einen ”Rettungsflug für eine todkranke Anarchistin” („Bild”) umgedeutet.
Am Tag, bevor die zweite Haftprüfung stattfinden sollte, wurde Brigitte aus der U-Haft in Hamburg entlassen — mit einer Latte von Auflagen: Kaution, Einbehaltung der Personalpapiere, Verbot, die BRD zu verlassen, wöchentlich zweimal Meldung bei der Polizei. Diesen Auflagen (Meldepflicht allerdings „nur” noch einmal wöchentlich) muß Brigitte seit nunmehr über vier Jahren nachkommen.
Kaum aus der U-Haft entlassen verweigerten der frankfurter Uni-Präsident
Krupp und der hessische Kultusminister Krollmann die Verlängerung von Brigittes Lehrauftrag im Fachbereich Gesellschaftswissenschaften unter dem Vorwand des fortbestehenden Haftbefehls.
Im Oktober 1976 setzte die Bundesanwaltschaft plötzlich erneut einen Termin an: es lägen neue Erkenntnisse vor, mit denen Frau Heinrich konfrontiert werden solle, hieß es. Also: neue Zeugen und neue Vorwürfe aufgehoben. Mündliche Begründung (Bundesanwalt Lampe): die alten Vorwürfe sind entweder nicht beweisbar oder nicht strafbar. Am gleichen Tag setzte sich die Bundesanwaltschaft auf einem Haftprüfungstermin vor dem BGH mit ihrem Antrag auf Erlaß eines neuen Haftbefehls durch. Danach soll Brigitte „Ende 1973, wahrscheinlich im Dezember 1973“ und .Anfang 1974, wahrscheinlich im Januar 1974“, so der Beschluß des BGH vom 29.10.1976, Handgranaten und Tretminen, die in Monitionsdepots der schweizer Armee gestohlen worden waren, über die „Grüne Grenze” bringen lassen und nach Deutschland weiter transportiert haben. Ein Teil der Tretminen sei in Verstecken der RAF in Hamburg und Frankfurt aufgefunden worden Diese Beschuldigungen, nebst zwei bis drei angeblichen Zeugen aus der Schweiz, tischte, die Bundesanwaltschaft erst auf, nachdem sie fast zwei Jahre nach Brigittes Verhaftung zugeben mußte, daß die Vorwürfe gegen sie tatsächlich aus der Luft gegriffen waren. Das bedeutet jedoch nicht, daß die alten Vorwürfe aus dem Verfahren raus wären. Zwar ist das Verfahren von 1970/71, ebenfalls wegen § 129, eingestellt und, bevor es infolge von Aussagen von Mauer/Bodeux wiederaufgenommen werden konnte, verjährt, zwar sind die „Winterreise”-Beschuldigungen sowie Ermittlungen „wegen einer Verabredung zu einem Verbrechen mit Mehdi Khanbaba Teherani“ eingestellt. Letztere gingen ebenfalls zurück auf die schweizer Zeugenaussagen; jedoch hielt die Bundesanwaltschaft die Angaben Teheranis für glaubwürdiger als jene Die Bundesanwaltschaft will die Beweisführung ,)m Wege einer Geeiner Anzahl aus der Luft gegriffener,nicht beweisbarer Vorwürfe soll also einweiterer, ebenfalls nicht beweisbarer Vor-wurf bewiesen werden : der Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz und Unterstützung nach § 129.
Die zwei bzw. drei schweizer Zeugen,deren Namen mit Städeli, van Arb undEgloff angegeben werden, kann das Ge-richt nicht einmal präsentieren. In einem anderen gegenwärtig laufenden Verfahren haben diese Zeugen sich geweigert zu erscheinen — obwohl sie erreichbar sind. Die schweizer Verneh-mungsbeamten, denen gegenüber die Zeu-gen angeblich ihre Aussagen gemachthaben, erhielten von der Schweiz keineAusreisegenehmigung. Darauf hin ließen sich die Anklagebehörden — es ist zu vermuten die deutschen und schweizer gemeinsam — eine für die Strafprozeßpraxis bisher einmalige Hilfskonstruktion einfallen. Das Gericht reiste in die Schweiz, um sich eine kommissarische Vernehmung der Zeugen anzuhören (in den Akten ist nämlich zu lesen, daß Städeli, Egloff und van Arb nicht bereit sind, gegenüber deutschen Behörden Angaben zu machen). Den Anwälten der von den schweizer Zeugen Belasteten wurde (auf der Grundlage einer schweizer Bestimmung) gestattet, 14 Tage vor der kommissarischen Vernehmung ihre Fragen an die Zeugen schriftlich einzureichen, ebenso Fragen an die schweizer Vernehmungsbeamten. Die gleiche Prozedur ist für das Verfahren gegen Brigitte zu erwarten, und es ist zu fragen, was bei derartiger Handhabung noch von dem strafprozessualen Prinzip der Waffengleichheit übrigbleibt. Bei ihrer kommissarischen Vernehmung verweigerten die schweizer Zeugen nämlich die Aussagen, aber das Gericht besorgte sie sich auf dem Umweg über die Befragung der Vernehmungsbeamten. Dies ist natürlich die allereinfachste und unkontrollierbarste Fösung, aus Widersprüchen, Falschaussagen, Halbwahrheiten eine für die Staatsschutzkammern verwertbare „Wahrheit” zu basteln. Es drängtsich der starke Verdacht auf, daß gegenBrigitte überhaupt nur deshalb eine An-klage möglich ist, weil ein Weg gefundenworden ist, die Zeugen nicht vorzeigen zumüssen. Es wird so verhindert, daß Brigitte selbst diese mysteriösen Drei zu Gesicht bekommt und durch Befragen deren Angaben entkräften, widerlegen kann. Voraussichtlich wird das Verfahren also ziemlich langwierig und kompliziert werden. Das hat auch schon die Staatsanwaltschaft Karlsruhe erkannt und deshalb die dortige Staatsschutzkammer aufgefordert, einen zweiten Verteidiger (neben H. H. Heldmann) zu bestellen. Auf Intervention Heldmanns, sagte der Vorsitzende der Kammer zu, daß Brigitte ihren zweiten Verteidiger selbst wählen dürfe. Brigitte beantragte, Rechtsanwalt Stephan Baier aus Mannheim zu bestellen; daraufhin wurde ein in früheren Prozessen bewährter Zwangsverteidiger angeheuert: Rechtsanwalt Linke. Er war Zwangsverteidiger von Ulrike Meinhof in Stammheim, Zwangsverteidiger im Verfahren gegen Carmen Roll und im SPK-Prozeß forderte er sogar die Verurteilung seiner Mandanten. Heldmanns Beschwerde: — „Der Vorsitzende bricht mit dieser Verfügung seine mir gegebene Zusage, einen zweiten Verteidiger des Vertrauens zu bestellen ... In unserem Telefongespräch waren der Herr Vorsitzende und ich einig: Dieses besonders umfangreiche und schwierige Verfahren erfordert zuverlässige Zusammenarbeit der beiden Verteidiger untereinander und mit der Mandantin; das setzt räumliche Nähe voraus . . . das bedingt auch Arbeitsteilung und setzt hierfür das Vertrauensverhältnis zwischen den Arbeitspartnern voraus. Nichts davon ist hier gegeben. Von Herrn Baier weiß Frau Heinrich, daß er arbeitet und wie er arbeitet. Von Herrn Linke weiß sie nichts dergleichen . . .” Und: „ . . . muß Frau Heinrich die Beiordnung von Herrn Linke nicht nur als Affront des Vorsitzenden Richters gegen sie, sondern auch als Zumutung begreifen: Von Herrn Linke ist bekannt, daß er als oktroyierter Verteidiger ... in Stammheim . . . ausschließlich mit seinem Gesäß ,verteidigt’ hat. Für einen solchen Verteidiger im Falle einer Verurteilung einmal auch nur einen Pfennig zu bezahlen, lehnt Frau Heinrich, schon heute ab. Aber auch ich lehne es ab, mit einem solchen .Verteidiger’ zwangsweise auf eine Verteidigerbank gesperrt zu werden”. Diese Beschwerde wurde nicht nur kostenfällig verworfen, Rechtsanwalt Heldmann wurde dafür mit einem weiteren Ehrengerichtsverfahren bestraft Gleich nach der Bestellung Linkes, wandte sich Brigitte an diesen mit der Bitte, das Zwangsmandat nicht anzunehmen oder niedeizulegen und schilderte ihm, wie man ihn seinem Kollegen Baier vor die Nase gesetzt hat. Als keine Antwort kam, schrieb Brigitte einen Brief.
Linke beantragte auf den Brief hin seine Entpflichtung, die Entscheidung darüber kennt bis heute niemand. Inzwischen hat Brigitte Rechtsanwalt Stephan Baier als Wahlverteidiger beauftragt, neben Heldmann die Verteidigung zu bestreiten. Der Prozeß wird von Brigitte nicht nur einen umfangreichen zeitlichen Aufwand fordern — schätzungsweise 20 Verhandlungstage und deren Vorbereitung, die Fahrerei nach Karlsruhe, Kosten für die Verteidigung. Brigitte verdient für ihre Tätigkeit im AStA und als Präsidentin des Studentenparlaments zusammen monatlich 560,DM brutto. Davon kann sie die mit dem Prozeß verbundenen Kosten kaum abzweigen, kann auch während des Verfahrens nicht nebenher jobben. Deshalb bittet sie um Spenden auf das Konto: 336 - 81 243Frankfurter Sparkasse von 1822Stichwort: Prozeßeine Gruppe der SHI