Peter Brückner eine deutsche Ausbürgerung
Peter Brückner ist seit dem 21. Oktober 1977 aufgrund eines Disziplinarverfahrens, eingeleitet vom Niedersächsischen Minister für Wissenschaft und Kunst, einstweilen von seinem Amt als Hochschullehrer suspendiert.
Wir gehen davon aus, daß Peter Brückners Arbeiten und sein politisches Engagement bekannt sind, in Frankfurt nicht zuletzt auch über Teach-ins und eine Veranstaltungsreihe des ASTA zu seinem Deutschlandbuch. Deshalb beschränken wir uns im wesentlichen auf die Darstellung der Vorwürfe und interpretieren die Intention der Prozeßstrategie der Niedersächsischen Landesregierung.
Die Staatsanwaltschaft Oldenburg hat am 21.3.78 ein Strafverfahren gegen ihn angestrebt wegen „Volksverhetzung“, „Verunglimpfung der Bundesrepublik Deutschland“ und „Verunglimpfung des Andenkens eines Verstorbenen“; deswegen wurde das eingeleitete Disziplinarverfahren vom Wissenschaftsminister vorläufig ausgesetzt.
Anzumerken ist der Zeitpunkt der einstweiligen Suspendierung: Im Deutschen Herbst, als es viele für ratsam hielten zu schweigen, die Presse fast gleichgeschaltet war, die Kampagne zur Trockenlegung des universitären Sumpfes ihren Höhepunkt erreichte, erschien es am angebrachtesten, Peter Brückner mundtod machen zu wollen. Er ist einer der wenigen Professoren, die nicht erst hinter dem Ofen hervorkriechen, wenn es ein bißchen ruhiger geworden ist, sondern er versucht Gegenöffentlichkeit zu schaffen, genau zum Zeitpunkt der gesellschaftlichen Konflikte, wo Gegeninformation politisch am wichtigsten ist.
Es scheint, daß die Anklage gegen Peter Brückner unabhängig vom Ausgang des Prozesses ihre beabsichtigte Wirkung bereits erzielt hat: allgemeine Einschüchterung, Selbstzensur und Verinnerlichung daß Widerstand zwecklos sei. Ob Peter Brückner der als gefährlicher Agitator und Indoktrinator aufgebaut wurde, aufgrund der Unhaltbarkeit der Vorwürfe und der Eindeutigkeit der Rechtslage auch freigesprochen wird bleibt noch abzuwarten.
Die Anschuldigungen Die Beschuldigungen des Niedersächsischen Ministers für Wissenschaft und Kunst bezeichnen keine bestimmten Handlungen, sondern Äußerungen und wissenschaftliche Arbeitsergebnisse, die einen Verstoß Peter Brückners gegen seine beamtenrechtlichen Dienstpflichten darstellen sollen. In der Verfügung, mit der er vorläufig vom Dienst suspendiert wird, heißt es in einem die Vorermittlungen zusammenfassenden Absatz*: ,J3s besteht der dringende Verdacht, daßder Beamte gegen seine beamtenrechtli-chen Dienstpflichten verstoßen hat. DieHerausgabe der Dokumentation „Buback- ein Nachruf’’ einschließlich der der Do-kumentation vorangestellten Erklärungseine Aussagen in der Broschüre ,J)ie Mes-calero-Affäre” und seine von der Nieder-ländischen Rundfunkgesellschaft VPROam 23.9.71 gesendeten Äußerungen lassenden dringenden Verdacht entstehen, daßer seine Pflicht verletzt hat, sich eindeutigvon Gruppen und Bestrebungen zu distan-zieren, die diesen Staat, seine verfassungs-mäßigen Organe und die geltende Verfas-sungsordnung angreifen, bekämpfen unddiffamieren (§ 85 Abs. 1 NBG i.V. mit §61 Abs. 2 NBG). Die Herausgabe der Do-kumentation ,J3uback - ein Nachruf”und der der Dokumentation vorangestell-ten Erklärung läßt ferner den dringendenVerdacht entstehen, daß er weiter gegenseine Pflicht verstoßen hat, sich auchaußerhalb des Dienstes so zu verhalten,daß er der Achtung und dem Vertrauengerecht wird, die sein Hochschullehreramterfordert (§ 85 Abs. 1 NBGi. V. § 62 Abs3 NBG).” Die beiden zuerstgenannten Belegquellen, auf die sich die Verdächtigungen stützen, sind veröffentlichte Texte, die jedermann *Anmerkung: Genaue Quellenangaben finden sich im Teil A: Dokumentation der Broschüre von Dietrich Wetzel,Zum „Fall Brückner” Tatsachen und Tendenzen, Internationalismus-Verlag, Hannover, 1979. Alle im folgenden kursiv gedruckten Passagen haben wir daraus entnommen nachlesen kann. Die zuletzt genannte Quelle ist dagegen äußerst fragwürdig. Die Zitate entstammen einer Notiz, die das Bundespresseamt von einer Rundfunksendung angefertigt hat, in der ein vier- bis fünfstündiges Gespräch mit Peter Brückner auf fünfeinhalb Minuten Material zusammengeschnitten wurde.
In den Vorermittlungen des Ministers heißt es: „ Brückner findet für den Staat,dem er als Beamter in besonderer Weiseverpflichtet ist, ausschließlich herabset-zende Bemerkungen, indem er ihn zumBeispiel als ebenso repressiv wie präventivorganisiert und als einen fstaat mit argen-tinischen Verhältnissen’bezeichnet. ”(S.8) Die Beschuldigungen der Verunglimpfüng des Staates wird hier einmal mit dem Zitat aus der erwähnten Notiz des Bundespresseamtes belegt. Dort heißt aber der Passus so: Daß ein solcher Staat mit argentini-schen Verhältnissen auf sehr lange Zeit ko-existieren kann, ohne daß sich irgendetwasändert. (S.8) Als Peter Brückner in einer Mitteilung an den Minister erklärend darauf hinwies, daß ein Staat, der mit etwas koexistiert grade nicht selbst dieses etwas ist, so wurde schlicht auf eine andere Quelle ausgewichen. Ihm wurde erwidert, in seiner Broschüre ,,Die Mescalero-Affäre” habe er geschrieben, daß sich in europäischen Ländern argentinische Zustände entwickeln. Der entsprechende Satz lautet jedoch: Jch fürchte, daß sich in europäischenLändern argentinische Zustände entwik-keln, Zustände mit bewaffneter Gewaltvon Links'wie - vor allem - von ,rechts’,Zustände, die mit einem repressiven Staatauf lange Zeit hinaus koexistieren kön-nen. ”(S.9) Der Minister isoliert einzelne Zitatfetzen aus ihrem Zusammenhang und verwendet sie als Belege für von außen an die Texte herangetragene Beschuldigungen. In der gleichen Weise sind auch andere Beschuldigungen des Ministers für Wissenschaft und Kunst konstruiert: Peter Brückner konstatiere ein Mitverschulden des Staates am Terrorismus, bekunde seine Bindung an die RAF, bezeichne die Freiheit in unserem Staat als Symbol einer Scheinwelt.
Eine andere Fabrikationsweise von Beschuldigungen in den Vorermittlungen ist die Pauschalisiemng von Vorwürfen. So heißt es in einer Stelle im Mitteilungsschreiben des Ministers:, JSeine (Brücknersd.V.) gesamte Schrift zeigt eindeutig, daßer unseren Staat, dem gegenüber er ah Be-amter eine Treuepflicht hat, feindselig ge-genüber steht. ” (S.16) Fehlen solcher Art von Anschuldigungen jegliche juristische Gegenstände, so muß Brückners Antwort darauf wohl zugestimmt werden. In diesen Vorwürfen, liegt der kaiserliche Duktus:die ganze Richtung paßt mir nicht. SolangeGesamtcharakterisierungen nicht detail-liert begründet werden, erinnern sie an ab-solutistische Nachzensur und an Lehr-zucht. (S. 17) Ebenso beinhalte der Gesamtausdruck von Peter Brückners Äußerungen in der „Mescalero-Broschüre” eine konsequente Ablehnung der Parteinahme für die Repräsentanten der staatlichen Gewalt. Auch seine Äußerungen in der Niederländischen Rundfunksendung verweisen als Gesamtaussage auf seine feindselige Haltung gegenüber dem Staat.
Neue Formen politischer Kontrollevon Wissenschaft
An der Prozeßstrategie der Niedersächsisehen Landesregierung fällt auf, daß sich der Minister mit einer durchgängigen Tendenz in allen Beschuldigungen auf geltendes Recht beruft, wobei systematisch geltendes Recht umgefälscht wird. Diese Umfälschung, die in allen Anschuldigungen schon steckt, geschieht nicht willkürlich, sondern verfolgt eine bestimmte Intention. Peter Brückner soll die Wissenschaftlichkeit abgesprochen werden. In der Formulierung des Hausverbots für Peter Brückner durch seinen Dienstherrn den Minister für Wissenschaft und Kunst liest sich das so: „Hinzu kommt, daß sich der Antragstellerbei der Darstellung der gegen ihn gerichte-ten Maßnahmen und des Terrorismus inder Bundesrepublik und seiner Einstellungdazu auf einen wissenschaftlichen An-spruch beruft und damit wieder seine Stel-lung als vom Staat berufener Wissenschaft-ler in den Vordergrund stellt, obgleich ermit seinen agitatorischen und propagan-distischen Äußerungen den von Artikel 5Abs. 3 GG geschützten Freiheitsraum fürForschung und Lehre verlassen hat undsich auf dem Feld politischer und ideolo-gischer Indoktrination bewegt.” (S.30) Der Herr tritt als Beschützer der Freiheit der Wissenschaft auf und verteidigt ihren Raum. Peter Brückner hat in einem ungestümen Freiheitsdrang diesen Freiheitsraum der Lehre und Forschung verlassen und sich somit aus der Schutzherrschaft begeben. Seine Arbeiten sind also gamicht mit Kriterien der Wissenschaftlichkeit zu bewerten, weil die Wissenschaft ihren Platz in dem ihr zugewiesenen Raum hat. Peter Brückner ist Agitator und Indoktrinator. Jetzt ist es nur noch notwendig, daß sich ein Gericht findet und Kriterien benennt was Wissenschaft ist und was nicht Wenn wir die Prozeßstrategie als Ganzes betrachten, lassen sich vier, analytisch unterscheidbare wissenschaftspolitische Komplexe erkennen:
a)
Die Formulierung rechtsverbindlicher Kriterien, die es ermöglichen sollen, unabhängig vom Urteil der Fachöffentlichkeit Texte und Aussagen eines Hochschulleh-. rers als wissenschaftlich bzw. unwissenschaftlich zu qualifizieren. Das Gericht soll den inkriminierten Arbeiten den Status der Wissenschaftlichkeit aberkennen
b)
Falls obige Absicht nicht durchsetzbar ist, wird das Argument nachgeschoben, daß publizistische Tätigkeit in Form von Broschüren und Rundfunksendungen nicht unter den Begriff von Forschung und Leh-
re fallen. Damit wäre dem Hochschullehrer das Recht abgesprochen seine wissenschaftlich gewonnenen Einsichten öffentlich zu vertreten Die Mitherausgabe der Dokumentation „Buback — ein Nachruf’ wird als eine Handlung qualifiziert, die nicht aus den Rechten und Pflichten eines Hochschullehrers abzuleiten ist. Eine Aufforderung an die Öffentlichkeit z.B. sich mit mehr als nur mit dem ausgeschlachteten Topos der „klammheimlichen Freude” auseinanderzusetzen, darf nicht von einem Wissenschaftler gebracht werden, auch wenn es die aus seiner wissenschaftlichen Erkenntnis folgende Handlung ist.* Mit der Behauptung, daß die „Gesinnung” eines Hochschullehrers staats- und verfassungsfeindlich sei, werden auch seine Arbeiten und öffentlichen Äußerungen als unwissenschaftlich und verfassungsfeindlich erklärt Es wird sich nicht die Mühe gemacht, vom Begründungszusammenhang der Brücknerschen Arbeiten auszugehen, sondern es genügt, eine Montage von Äußerungen und Sätzen vorzunehmen, die einer außerhalb dem Textmaterial stehenden Absicht — nämlich die Staatsfeindlichkeit der Gesinnung - nachzuweisen dienlich ist. Der Öffentlichkeit wird damit ein Resultat sorgfältiger Recherchen suggeriert.
*Anmerkung: Alle Niedersächsischen Professoren, die die Dokumentation ,Buback — ein Nachruf’ mitherausgegeben haben (Peter Brückners Verfahren ist davon abgetrennt) sind inzwischen freigesprochen worden wegen Nichtstrafbarkeit der Herausgabe; ein ,Freispruch 1. Klasse”.
Politisierung der Wissenschaft durch denStaat
Der Staat sieht sich durch Brückner ange-griffen und unternimmt mit dem Verfah-ren eine Staatsschutzaktion, die eine Ak-tion zum Schutze des Staates vor Kritikist. (S.36) Die Verkürzung auf die Formel „Kritik = Feindseligkeit” setzt einen Maßstab voraus, der diese Gleichung ermöglicht. 'Heil in den Beschuldigungen, trotzoffenkundiger Notwendigkeit, jeglicheAuseinandersetzung mit dem Grundrechtder Wissenschaftsfreiheit vermieden wird,erscheint der Rekurs auf das Beamtenrechtnur als ein Versuch, dem Verfahren we-nigstens eine Rechtsgrundlage zu geben.
(S. 37) Der Maßstab kann als politischer bestimmt werden, gemessen an der politischen Position der Regierung, die mit Hilfe des Beamtenrechts ihre Wissenschaftleruntertanen auf die eigene Position verpflichten will.
Das Beamtenrecht muß nun als Vehikel herhalten zur politischen Disziplinierung von Wissenschaftlern. Die „politische Treuepflicht” wird zur Rechtsnorm. Einen Vorgeschmack wie das aussehen soll hat uns die erzwungene Demutserklärung der 12 Niedersächsischen Hochschullehrer als Mitherausgeber der Dokumentation „Buback — ein Nachruf’ schon gegeben. Jchbin mir bewußt, daß ich als Beamter einebesondere Treuepflicht gegenüber demStaat habe. Diese fordert mehr als nur ei-ne formal korrekte, im übrigen uninteres-sierte, kühle, innerlich distanzierte Haltunggegenüber Staat und Verfassung; ... Ichwerde meiner politischen Treupflichtnachkommen. Diese hat sich insbesonde-re in Krisenzeiten und in ernsthaften Kon-fliktsituationen zu bewähren, in denender Staat darauf angewiesen ist, daß derBeamte Partei für ihn ergreift.” (S.38) Was ist denn der Staat, dem man Dregger zufolge sogar seine Zuneigung ja Liebe bekunden soll, in dem Leute wie der ehemalige Bundespräsident Heinemann, der sagt, daß er seine Frau liebt, nicht aber den Staat, schon für einen schuldig gewordenen Gesinnungsverfall zeugen? (...)In deninkriminierten Passagen Brückners suchtman vergeblich nach Stellen, die sich ge-gen die verfassungsmäßige Struktur desStaates und gegen die von der Verfassungdefinierten Funktionen seiner Organe aus-sprechen würden. Auch die Vorhaltungen
des Ministeriums verzichten auf einen der-artigen Nachweis. Wenn die Behörde vari-antenreich vom „Staat” spricht, meint siein Wirklichkeit politische Maßnahmenstaatlicher Organe. Genauer: sie sprichtvom Staat, der sich als Krisenstab formierthat und der über eine mehr oder minderwillfährige Exekutive verfügt. Dieser Kri-senstab, sich zusammensetzend aus derRegierung, den Partei- und Fraktionsfüh-rern, dem Generalbundesanwalt, der Spit-ze des Bundeskriminalamtes — bildet einvon der Verfassung nicht vorhergesehenesOrgan höchster Exekutionsgewalt. Es istein energiereiches black whole der Macht,das kurzfristig alle rechtsstaatliche verteil-ten Kompetenzen in sich hineinzureißenvermag.f (S.38f.) Die politische Treuepflicht soll in den gleichen Rang gehoben werden wie die Verfassungstreue. Mit der Politischen Treupflicht wird den Beamten die unbedingte Befürwortung der Praxis resp. Funktionsträger staatlicher Macht abverlangt. Der „privilegierte” Status der Beamten soll in diesem Lande seinen Preis haben: die Entmündigung zu Claqueuren. Es ist noch genügend Platz da, wenn alle aufrechten Demokraten in Krisenzeiten zusammenrücken, für das Heer der Beamten, die aufgrund ihrer erklärten Treue auch dazurücken müssen. Selbstredend, daß die Wissenschaftler in ihrer Funktion als Beamte, wenn eine „Krisenzeit” von den Demokraten verkündet wird, voll hinter dem „Krisenbewältigungskonzept” dann stehen müssen; ja nicht nur stehen, denn die „Liebe und Treue” dem Staat gegenüber erfordert es sogar, sich dafür einzusetzen, auch wenn die eigene wissenschaftliche Erkenntnis zu anderen Erklärungsmustern und Handlungsstrategien führt
Staat und Terror
Bereits mit den ersten Aktionen der RAF 1971 wurde die Krise des Staates von den Repräsentanten des Staates verkündet: als Dauerzustand. Alle späteren Aktionen der Guerilla waren dann ein Anlaß, neueKrisenzeiten und ernsthafte Konfliktsitu-ationen zu behaupten und zu dekretieren. Weil gleichzeitig (d.h. nach und nach) eine ziemliche Gleichschaltung der Medien gelang, konnte diese Einschätzung der Politiker zum Konsens der Demokraten verklärt werden. Der aber ließ sich nicht weiter hinterfragen. Der anfangs noch wahrgenommene gesellschaftskritische und politische Hintergrund der Guerilla wurde in der öffentlichen Diskussion im Lauf der Zeit eliminiert. Wenn diese Dimensionen wegfallen, wird nur noch das kriminelle Tun gesehen: daß gegen das Gewaltmonopol des Staates verstoßen wird und daß Gesetze gebrochen werden. Das Wort Terrorismus drückt diese Reduktion aus. Je mehr sich die staatliche Reaktion auf diese Aktionen auf polizeiliche Reaktionen reduzierte, desto mehr lief der Konsens der Demokraten darauf hinaus, eine polizeiliche Weltanschauung zu verordnen. Ihr teilt sich die Wirklichkeit dann schlicht in Freund und Feind, und diese Zurichtung der Welt gipfelte während der dazu erklärten Krisensituation in einer öffentlichen Flysterie und allgemeinen Hetze.
Derjenige, der die Reaktion der Staatsorgane in Zweifel zieht, muß, da er gegen den Staat ist, wohl für den Terrorismus sein. In dieser Weise werden ziemlich unterschiedslos alle, die nicht öffentlich zu denken aufhören, zum Umfeld, zu Sympathisanten oder zu geistigen Wegbereitern des Terrorismus gemacht.
So gesehen, lesen sich die Vorwürfe gegen Brückner neu und anders; sie lauten nun: er ist einer der Wegbereiter pp., er unterstützt den Terrorismus, indem er Staat und Gesellschaft kritisiert.
Daß gerade das Verfahren gegen Brückner, trotz seiner juristischen Unsicherheit, in der Schwebe gehalten wird, zeigt an, daß an seinem Arbeitsgegenstand — der Sozialpsychologie — und an seiner Arbeitsweise etwas gefährliches sein muß. Die Sozialpsychologie, die Brückner betreibt, versucht zunächst immanent Motive zu rekonstmieren. Dabei versucht sie, hinter den bewußten Motiven die Entwicklung, die spezifische Verarbeitungsform gesellschaftlicher Erfahrungen zu verstehen und ihren Realitätsgehalt zu prüfen. Für Brückner ist also die Konsequenz des Terrorismus nicht einfach falsch. Die Falschheit der Konsequenz Guerilla muß selbst noch begründet werden, es muß gezeigt werden, warum diese und nicht eine andere Konsequenz zustandegekommen ist.
Das scheint der Kern der Sache zu sein. Zwischen den gesellschaftlichen und politischen Verhältnissen der westlichen Länder und der Gewalt einzelner Gruppen besteht ein Verhältnis, eine Korrelation; in einem bestimmten Sinne produzieren diese Gesellschaften jene Gewalt. Darf das sein? Es darf zumindest nicht ausgesprochen werden. Wir müssen nun weiter fragen, welches Weltbild diese Feindschaft, ja diese Wut gegen jede Form von Selbstverständigung und Aufklärung, begründet. Aber es genügt nicht, L’ignorance aus der Dummheit zu erklären, es wird zu fragen sein, welchen politischen Sinn sie hat.
Konservatives Weltbild:die Masken des Bösen
Woher stammt der Terrorismus? „Vorallem aus dem Geist der Maß- und Zügel-losigkeit, der Widersprüchlichkeit unsererZeitströmungen von 'Freiheit', 'Gleich-heit', ’Brüderlichkeit‘ und dem politischerzeugten Anspruchsdenken, in dem Wer-te und Maß Stäbe im Interesse des Egois-mus abgebaut werden.“ (W. Seel in derFAZ vom 1.4.1978) (47). In dem Sermon sind zwei Grundfiguren ersichtlich: 1. Ein Anspruchsdenken baut tradierte Werte und Maßstäbe ab, 2. die Ursache dafür ist die libertäre, auf die französische Revolution zurückgehende Tradition.
Das durchgängige Dogma, daß „die Wen-dung zum Terrorismus sich über dieTheorie vollzieht“ (FAZ vom 10.12.1978)(49) ist hier klar ausgesprochen. Es sind einmal bestimmte, geschichtlich vorhandene Theorien — sie liegen quasi jederzeit auf der Lauer — und zum anderen bestimmte Agitatoren, die sie unters Volk bringen. Die umgekehrte Herleitung, daß bestimmte gesellschaftlich/politische Probleme und Verhältnisse damit zu tun haben, welche Theorien entwickelt und auch rezipiert werden, ist diesem Credo völlig ausgeschlossen.
Wenden wir uns dem zweiten Teil der Seiche zu. Damit bestimmte Theorien ihre schädliche Wirkung entfalten können, muß vorher etwas tradiertes, die Werte usw. brüchig geworden sein. Wie kommt das? Es gibt mehrere 'Antworten 1 , die jedoch unvermittelt nebeneinander stehen und deren Zusammenhang nicht geklärt wird Der politische Terrorismus sei Ausdruckeiner verbreiteten Verachtung des politi-schen Systems. Dafür sollen die Sozial-demokraten (der parteipolitische Gegner)insofern verantwortlich sein, als sie eineschwerwiegende Legitimitätskonzessionan die linken Gebildeten unter den Ver-ächtern gemacht habe. Im Klartext heißt das: Die Regierung hat die Diskussion von linken Alternativen zugelassen, als eine ganze Reihe gesellschaftlicher Probleme auftraten. Stattdessen hätte nur die Unterdrückung dieser Diskussion und dieser Alternativen die Konsistenz des Systems sichern können. Die Studentenbewegung war also Folge einer schlechten Regierung des Staates, die zusah, wie falsche Theorien in die Jugend drangen: gestimmte Politiker, mit Theorien voll-gepfropfte JSozialingenieure’, entfesselteneinen Planungs-Utopismus (oder aucheine Reformitis), der glauben ließ, daß inbaldiger Zukunft die Tür zum ,säkulari-sierten Paradies ’ aufgerissen würde. Zwei-felsfrei hatte eine Marxismus-Diskussion,die bei uns sicherlich einen Nachholbeßdarf hatte, wesentlichen Anteil daran. ”. Das Streben nach Emanzipation er-zeugte eine antiautoritäre Bewegung."(Seel) (49) Die Kritik der antiautoritären Bewegung an der Familie führte zu einer Aushöhlung „christlicher Werte und Moralvorstellungen”. Die Folge liegt auf der Hand: ,JsineJugend, die mit geistigem und moralischemUnrat überschüttet wird, muß geradezuausbrechen." (51) Junge Menschen, die nicht von Kind au f zu Leistung und Pflichterfüllung, Gehorsam und Ordnung dressiert wurden, werden von Theorien verführt, die die Möglichkeit eines Paradieses auf Erden behaupten. Der „Terrorismus“ liegt geradeswegs in dieser Linie: er „ist die zügellose, hochmütige Antwort aufden Hochmut der Theorien, die Moralund Sittlichkeit dem Egoismus opferten. ”(Seel) (54)
Man merkt, daß der Schreiber, ohne es auszusprechen, weiß, daß die Familie, „die Zelle des Staates”, zerfallen ist oder zumindest ihre früheren integrativen Funktionen nicht mehr wahmehmen kann. Daher muß der Staat als Garant der Werte und Moralvorstellungen eintreten. Der Konsverative gibt den Glauben vor, die Familie sei wegen der Agitation usw. zerfallen, daß dafür reale Entwicklungen ursächlich sein könnten, kommt ihm nicht in den Blick. Die reale Lebenssituation besonders der jungen Menschen hat sich offenbar nicht verändert. Daß sie wenig Chancen, Hoffnung und Aussichten haben, muß Suggestion sein. Ihre Unzufriedenheit ist suggeriert von amoralischen Theorien des Egoismus, vor allem der Marxschen und der falsch (weil emanzipativ) verstandenen und rezipierten Freudschen Theorie. Diesem Verderb seiner Jugend muß der Staat entgegentreten.
Die knappen Belege konservativer Argumentation machen bereits deutlich (wir möchten dem Leser mehr ersparen): es liegt hier kein Versuch einer Erklärung vor. Hier ist kein Ansatz auszumachen, irgendetwas zu verstehen. Das Fehlen jedweden Versuchs von Analyse zeigt, daß diese ganze „Argumentation” wohl nur von ihrer Schlußfolgerung her zu verstehen ist, der unverbrämten Propaganda fiir den starken, autoritären Staat, dessen Macht die realen Risse zusammenzwingen soll. Es wird bloß ein innergesellschaftliches Feindbild aufgerichtet, dem die Verursachung aller möglichen Übel zugeschrieben wird.
Daß gar nicht mehr versucht wird, a) einen realen Grund für den ,Verfall der Normen” auszumachen oder b) die (mögliche) Geltung dieser Normen pp. zu begründen, können wir uns nur mit der These erklären, daß der Konservative sehr wohl spürt, daß deren Geltung nicht mehr zu begründen ist, weil in der Realität die Grundlage dafür fehlt. Er sieht keine Chance einer ideologischen Integration mehr. ,JWit der Erklärung des Terroris-mus aus „maßlosen” Emanzipationsbe-strebungen soll der Staat dazu legitimiertwerden, unter dem Vorwand der Terro-rismusbekämpfung politische und ökono-mische Alternativen auszugrenzen undmundtot zu machen. ” (58) Wenn das stimmt, obliegt es dem Staat, die Geltung seiner Normen und Werte zu eizwingen. Er würde zur Gesinnungsund politischen Erziehungsdiktatur, die gegen all jene ihre Gewalt richten müßte, die durch ihre realen Lebensverhältnisse zum Aussteigen genötigt werden. Wir müßten also unser Urteil revidieren: es ist nicht so, daß den Konservativen das reale Maß an Unfreiheit,Chancenlosigkeit, Unterdrückung usw. nicht interessiere, er sieht nur keine Möglichkeit mehr, anders als durch Gewalt den Bestand zu sichern. So hat auch die irrationale Argumentation ihre Logik.
Ausbürgerungen Der Konservative verschiebt die innergesellschaftlichen Probleme auf einen Feind, dem seine Zugehörigkeit zur Gesellschaft abgesprochen wird. Diese Exterritorialisierung gelingt aber nur unter der Voraussetzung, daß alles ignoriert und geleugnet wird, was den Zusammenhang des zum „Draußen” erklärten Objekts mit dem „Innen” der gesellschaftlichen und politischen Wirklichkeit wahmehmen läßt. Brückner ist deswegen gefährlich, weil er sehr genau diesen Zusammenhang aufzeigt. Es gibt ein zunehmendes Potential an Dissidenz, besonders unter der Jugend in diesem Land. Sie äußert sich weniger in politischen Reaktionsformen, sondern hat scheinbar ganz persönlichen Charakter: steigender Drogen- und Alkoholkonsum, eine zunehmende Zahl von Selbstmorden, größere Apathie, wachsende Aggressivität gegen Kinder, gegen Fremdarbeiter, Frauen usw. Brückner insistiert darauf, daß diese Phänomene Folgen einer Veränderung der Lebensperspektiven sind. So gilt der Terrorismus ihm auch nur als eine Form, eine Erscheinungsweise einer allgemeineren Tendenz. Der Staat ist nicht unbeteiligt an der zunehmenden Gewaltförmigkeit der Gesellschaft, er produziert sie insofern mit, als er sich nicht darauf einläßt und einlassen kann, an den Lebensbedingungen und -aussichten der Menschen entscheidendes zu verändern; er richtet sich vielmehr darauf ein, die
Folgen zu bekämpfen, indem er die politischen, ökonomischen und auch die „unpolitischen” Alternativen und Auswege zu bekämpfen oder auszuschalten sucht. Das bedeutet in fast allen Fällen Ausbau der Exekutive, also von Polizei, BKA, Verfassungsschutz usw. (wir ersparen uns die Aufzählung; man kann sie ja täglich in der Zeitung finden). Die stärker werdenden Sanktionsdrohungen wirken aber nicht dahin, etwa den Drogenkonsum zu verhindern, eher im Gegenteil, indem die Sanktionsdrohungen die Verdrängung der wirklich erfahrenen Unterdrückung, des Leids etc. anregen, wird die Reaktion umso blinder, zielloser, aggressiver.
Ökonomie
Zunehmend gibt der Staat es auf, eine Veränderung dieser Lebensverhältnisse und -Perspektiven noch als politisch realisierbar darzustellen. Diese Verengung des Spielraums des Staates kann nicht Folge eines Umschlags des Denkens der Politiker in Irrationalität sein. Es liegt näher anzu'nehmen, daß aufgrund ökonomischer und gesellschaftlicher Veränderungen der Aktions- und Legitimationsspielraum des Staats sich verkleinert hat und sich offenbar weiter verkleinern wird Bis Ende der 60er Jahre suchte die SPD/ FDP-Koalition die bröckelnde Integration der Bevölkerung noch durch die sg. Reformpolitik abzufangen, d. h. durch staatliche Umverteilungsmaßnahmen, die soziale Ungleichgewichte ausgleichen sollten (Rente, Wohnungsmarkt, Kindergeld usw.). Das war auf der Basis einer relativ hohen Akkumulation des Kapitals — also auch gut gefüllter Staatskassen — noch möglich. Es zeigte sich aber, daß die weitere Entwicklung zunehmende Disparitäten enthielt, die sich staatlicher Einflußnahme entzogen. Die Politiker wurden daher skeptisch, ,pb auf dem erreichtentechnologisch-organisatorischen Niveauder Kapitalverwertung überhaupt nochein allgemeines und nicht nur auf wenigeherausragende Sektoren sich beschränken-des Wachstum zu erzielen sei. Sie sehenauch die Gefahren, die daraus drohen:verschärfte strukturelle Arbeitslosigkeit,ein vermindertes Angebot an kollektivenGebrauchswerten (vor allem Gesundheit,Bildung, Infrastruktur des Reproduktions-bereichs), gefährdete Altersrenten etc.Diese Gefahren lassen sich auf einen Nen-ner bringen: Umverteilungskämpfe bis-lang unbekannter Art wären zu gewärti-gen, wenn Massenloyalität zum politischenund -ökonomischen System nicht längerdurch Teilhabe an einem Zuwachs desSozialprodukts zu sichern ist." Während jedoch die Regierungsparteien noch daran festhalten, daß durch staatliche Interventions- und Umverteilungsmaßnahmen sowohl ein relativ kongruentes Wachstum wie die Loyalität der Bevölkerungsmehrheit zu sichern seien — obwohl sie in dem, was sie tut, dieses Vertrauen fast schon verloren zu haben scheint — geht die Opposition davon aus, daß gerade dies künftig nicht mehr möglich sein wird, weil die ökonomischen Voraussetzungen entfallen, den Klassenkampf abzufangen.
Die Unterschiede zwischen Regierung und Opposition scheinen fast nur graduell zu sein. Die Regierung hält zwar an der Geltung staatlicher Interventions- und Integrationsfähigkeit fest, verhält sich in der Einschränkung politischer Freiheiten aber so, als ob sie an ihre proklamierte Stabilisierungsfähigkeit selbst nicht mehr glaube. Sie verfährt im Gegensatz zur Opposition zweigleisig, benutzt — in guter deutscher Tradition — Zuckerbrot (Reste von Reformpolitik) und Peitsche (Einschränkung der Verfassung). Diese Kombination scheint gegenwärtig die der Aufrechterhaltung der Verhältnisse angemessenere, auch weil sie einen größren Teil der Bevölkerung zu integrieren vermag. Für den Fall allerdings, daß die Möglichkeit'der Behauptung einer staatlichen Wachstumsgarantie wegfiele, fehlt ihr das (sei es noch so irrwitzige) konsistente Ideologem, das dann die Ausdehnung staatlicher Macht rechtfertigt. Die Konservativen haben es. Sie sprechen klar aus, daß die sozialdemokratische Konzeption ihre ökonomische Basis verlieren wird und bereiten sich in ihrer Weise auf die dann anstehende Alternative „Sozialismus oder Barbarei” vor
und Geschichte
Den Zusammenhang, den wir hier darstellen, verstehen wir nicht als Ableitung. Sie hätte etwas von dem Ruch eherner Gesetze der Geschichte, gegen die sich anzustemmen, Donquichotterie wäre. Eine solche Notwendigkeit sehen wir nicht. Wir halten es für eine große offene Frage, warum der Staat der BRD auf größer werdende Widersprüche mit der in Deutschland seit einigen 100 Jahren üblichen Errichtung eines autoritären Staates antwortet. Andere Länder, deren ökonomische und politische Krisen ungleich größer sind — wenn sie auch nicht die Bedeutung des imperialistischen Riesen BRD haben — reagieren nicht so. Vielleicht ist dort die Möglichkeit nicht oder nicht in gleicher Weise wie hierzulande gegeben, den starken Staat an den autoritären Charakter der Individuen anzubinden und so den Klassenkampf stillzustellen. Vielleicht gibt es doch so etwas wie eine spezifisch deutsche Empfänglichkeit für den starken Führer, die garantierte heile Welt usw., die der Niederschlag der deutschen Geschichte seit Bauernkrieg, Preußen, Bismarck, Kaiser Wilhelm II, Faschismus, Kaltem Krieg etc. im Bewußtsein und in der Psyche der Menschen ist. Wo Möglichkeiten sind, daran anzusetzen, wissen wir nicht, wir meinen aber, daß sicherlich in der Richtung, die Peter Brückner mit seinem Deutschlandbuch eingeschlagenhat, weitergedacht werden muß
Resignation und Solidarität
Politische Perspektiven können wir nicht angeben. Was zunächst zu tun bliebe sind Versuche, deutlich zu machen, wo Positionen und Aktionen der außerparlamentarischen Linken die Verinnerlichung und Hinnahme staatlicher Gewalt beinhalten Die orthodoxe Richtung geht über das Statement, der „Terrorismus” sei objektiv konterrevolutionär nicht hinaus Von seiner gesellschaftlichen Funktions-
weise her stimmt das, aber damit wird der Zusammenhang mit der Ausdehnung der allgemeinen gesellschaftlichen Gewaltförmigkeit nicht mehr gesehen. Wie diese konterrevolutionäre Gewalt in dieser Gesellschaft entstehen konnte ist dann keine Frage mehr. Von der Herkunft der Guerilla aus der Studentenbewegung bleibt nichts übrig als das Sehen ihrer politischen Funktionsweise, damit wird die staatliche Reduktion des Problems auf eine polizeiliche Sicht nachvollzogen.
Zu fragen wäre auch, was revolutionär sein heute heißen soll, ob in den Formen individueller Dissidenz nicht auch die Möglichkeit eines politischen Widerstandes versteckt ist.
Die undogmatischen Positionen lassen sich schwerer zusammenfassen, durchgängig erscheint eine Argumentation: Wer mit dem Staat um die Macht kämpft, muß sich der gleichen Mittel bedienen wie er. Dieser Kampf produziert seinerseits wieder Herrschaftsverhältnisse, die im Widerspruch zu den antiautoritären Emanzipationsbestrebungen stehen. „Keine Macht für Niemand”. Sicher, aber mit dieser Kritik zusammen breitet sich unbesehenein Dogma des Rechts-Konservativismusaus, dem zufolge das Denken in Begriffenvon Machtkampf wie dessen Methodenauf den Marxismus zurückzuführen seien.Diese idealistische Vorstellung führt zueiner Abdankung kritisch-begrifflicherDenkens überhaupt, denn sie meintschließlich, in jeder Theorie von Gesell-schaft nichts als Anweisungen zur Herr-schaftsausübung sehen zu dürfen. Politi-sche Perspektiven reduzieren sich dannauf die Hoffnung, irgendwo doch nochFreiräume zum Überleben zu finden.Aber es gibt keine Nischen in der Depo-nie. (S. 81) Erfahrungen der Ohnmacht gegenüber behördlicher Willkür, des Beschneidens und der Liquidierung von Ansätzen emanzipativer Arbeit in Institutionen, der physischen und psychischen Zerstörung von Menschen in Jugendhäusern, Erziehungsheimen, Knast und Psychiatrie, der Sinnlosigkeit und Leere der täglichen Arbeit und der Existenz überhaupt sind allgemein. Viele können deshalb von ihrer eigenen Erfahrung her verstehen, warum man zum „Terroristen” werden kann. Wenn aber dann der nächste Gedanke darin besteht zu sagen: Das hat jakeinen Zweck — Widerstand ist zwecklos, hat sich in unserem Denken und Fühlen ein Stück staatlicher Herrschaft aufgerichtet. Der Mechanismus besteht darin, daß wir uns mit dem Staat soweit identifizieren, daß ein mystischer Glaube an seine Allmacht und die Versteinerung der gesellschaftlichen Verhältnisse uns vorab hindert, nach möglichen Formen von Widerstand zu suchen.
Praktische Entwicklung von Alternativen bedarf der begrifflichen Anstrengung. Die oft auf die subjektive Motivation und den privaten Rückzug zusammengeschnurrte pohtische Dimension praktischer Alternativen müßte in einer gemeinsamen politischen Diskussion neu gefunden werden.
Hassel/Seibert/Chassé