„Remilitarisierung" - die Betroffenen sprachen selbst
Der Frankfurter Gruppe des „Sozialistischen Deutschen Studentenbundes“ gelang kurz vor Semesterschluß, was in monatelangen Bemühungen um namhafte Referenten das Studentische Forum nicht fertig gebracht hatte: die Diskussion über eine Wiederbewaffnung der Bundesrepublik. Im größten Hörsaal der Universität mit, 350 Sitzplätzen waren 800 Studenten, Studentinnen und Professoren zusammengedrängt. Das Thema hatte die Gemüter erhitzt, bevor die Diskussion überhaupt begann. Die Flugblätter des BDJ segelten als Papierschwalben durch den Hörsaal und auch in der Diskussion wurde die einmal verlorene akademische Würde nicht wieder gefunden. Galgenhumor?
Referenten waren vier Studenten, die als Vertreter des SDS, der FDJ, des Liberalen Clubs und als unabhängiger Student sprachen. Das Auditorium sparte nicht mit Mißund Beifallsbekundungen. Die beiden Redner, die absolut für oder gegen eine Wiederbewaffnung eintraten, hatten die wenigsten Anhänger. Der eine, Dieter Hoffmann, weil er ungeschickt argumentierte („in der Notwehr auch den eigenen Vater erschießen“), und der andere, Klaus Herborn, weil er sich mit seinen Beispielen und Vergleichen so vergriff, daß zum Schluß sogar von ihm zitierte ernste Worte Hermann Hesses im Gelächter untergingen.
Die Referenten, die nüchtern und sachlich sprachen und das Für und Wider abwogen, trafen die Stimmung der Anwesenden am besten. Richard Freyh, SDS, sah in einer Bewaffnung der Bundesrepublik zu diesem Zeitpunkt eine Herausforderung der Sowjetunion zum Angriff. Erst gälte es, die sozialen Spannungen zu beseitigen, bevor an eine Aufrüstung überhaupt nur zu denken sei. Gerhard Kath, ehemaliger erster Vorsitzender des ASTA, fünf Jahre Soldat gewesen, sah keinen Weg zwischen „Scylla und Charybdis“. Er sagte: „Es wird uns in jedem Falle schlechter gehen als jetzt, ob wir remilitarisiert werden oder nicht.“ Die Mehrzahl der Diskussionsredner sprach sich gegen eine Wiederbewaffnung in dieser Zeit aus. Ihre Argumente: zunächst ein vereinigtes Europa, soziale Gerechtigkeit, politische Gleichberechtigung, dann erst ist der zweite Schritt diskutabel. B.