Es ist doch wirklich ein erhabener Anblick, vor dem wiederaufgebauten Teil des Chemischen Instituts unserer Universität zu stehen oder den zur Chemikertagung 1950 erstmals in Betrieb genommenen großen Hörsaal zu betreten. Da sage noch einer, der Aufbau geht nicht voran! Noch größer aber ist die Freude, wenn es dem Chemiker, Physiker, Biologen oder Mediziner im soundsovielten Semester mit List und Tücke endlich gelungen ist, einen Arbeitsplatz in diesem „hellen Hause“ zu erlangen. Dann geht’s wirklich an die Arbeit, ans Bruzzeln und Kochen, Filtern und Dämpfen inmitten der neblig-undurchsichtigen, so „wohlriechenden“ Luft. Daß hin und wieder ein Abzug nicht funktioniert, Gerät und Schränke noch nicht ausreichen, das nimmt man mit anderen kleinen Mängeln gern in Kauf.

Aber etwas dämpft doch die eigene Freude. Wenn man nämlich sieht, wie auf der einen Seite die Kollegen auf die Zuweisung eines Arbeitsplatzes warten — Semester auf Semester — sich bemühen, reden, wieder warten... und auf der anderen Seite vergebene Plätze tagelang, manche wochenlang unbenutzt bleiben. Fehlt hier die Initiative oder der Vorschlag, allen gerecht zu werden? Wie wäre es, wenn die Arbeitsplatzbesitzer ihren Platz an bestimmten Tagen oder für Stunden wartenden Kommilitonen zur Verfügung stellen? Auch sie wollen mit ihrem Studium weiterkommen. (In der Studienordnung für Naturwissenschaftler ist der Beginn der chemischen Praktika für das erste Semester empfohlen.) Mit gutem Willen sind alle Praktizierenden zu einem derartigen Entgegenkommen in der Lage Aber weit gefehlt, hier nämlich setzt die sonst fehlende Organisation ein, derartige Ausnahmefälle nicht zu dulden. Der Gang der Instanzen muß gewahrt bleiben. Auf die bürokratische Seite kommt es eben an. Wir kennen und schätzen die Bürokratie, empfehlen ihr nur, hier einmal für viele Studenten einzutreten. Hoffen wir, daß alles besser wird, wenn ein neuer Direktor nicht nur berufen ist, sondern auch zugesagt hat. Es ist auf die Dauer unmöglich, daß an unserer Universität die chemischen Lehrstühle unbesetzt sind und kommissarisch von Gießen und Marburg aus verwaltet werden.

In der Physik liegen die Verhältnisse günstiger, wenn auch der Aufbau des zu dreiviertel zerstörten Instituts allzu langsam vorangeht. Der Zugang zu den Praktiken erfolgt jetzt nach Anmeldung vor Vorlesungsbeginn. Wer nicht rechtzeitig zur Stelle ist, wird nicht mehr aufgenommen. Hinterher soll sich zwar herausgestellt haben, daß noch Platz und Geräte für weitere Studenten vorhanden gewesen wären. Aber es bleibt dabei — Regelung ist Regelung.

Muß das alles so sein? Könnte man nicht verschiedenes besser „regeln“? Bestimmt wäre dann manchem Studenten der Naturwissenschaften geholfen. —th