„Informationsabende“ nannten AStA, Fachschaft Medizin und Studentenwerk die Veranstaltungsreihe, die sie in diesem Wintersemester über das Thema Empfängnisverhütung angeboten. Dieser recht neutrale Titel sagte im Grunde nicht mehr über die Thematik, als daß man gedachte, sachliche Information zu leisten. Und dennoch kamen (trotz kurzfristiger Ankündigung) an jedem der drei Abende 700 - 800 Studenten in den Hörsaal VI der Universität Vielleicht läßt sich dieser Tatbestand so deuten, daß in mehrfacher Beziehung Informationslücken bestanden Beispielsweise schien bislang nicht sehr bekannt zu sein, daß seit zwei Semestern in der Universitätsnervenklinik Herr Dr. Linden eine Beratungsstunde für Studenten gibt. Er selbst berichtete, daß in diesen zwei Semestern etwa 44 Studierende bei ihm um Rat gefragt hätten (eine unerwartet niedrige Zahl, wenngleich er als einzelner Berater sich davon schon völlig ausgelastet fühlen mußte), während kurze Zeit nach Arbeitsbeginn des vom Studentenwerk eingestellten Psychotherapeuten, Herrn Dr. Mosebach, schon etwa 20 Anmeldungen voragen.

Auch in anderer Hinsicht scheint ein Informationsproblem zu bestehen. Nicht jeder, der Schwierigkeiten hat, kann von sich aus übersehen, ob in ihm allein Probleme stecken, oder ob sie nicht objektive Lebensumstände schaffen. An dieser Stelle versuchte der einführende Vortrag des Soziologen und Psychoanalytikers Dr. Fürstenau aus Gießen Aufklärung zu betreiben Gerade die soziologische Betrachtungsweise des Themas .Sexualprobleme unter Studenten' beleuchtete manchen Sachverhalt: es bestehen Anforderungen der Universität wie auch der Gesellschaft mit ihren traditionellen Regeln der .guten Sitten' an den Studenten, ein bestimmtes Verhalten zu zeigen, bestimmte Dinge nicht zu tun. Diese Forderungen können mit den Interessen des Individuums kollidieren. Wie der einzelne Student sich angesichts eines solchen Drucks verhält, wird seinen individuellen Verhaltensweisen entsprechen. Bringt er genügend Selbstbewußtsein und Verstehen gegenüber seiner sozialen Lage an die Universität mit, so fällt es ihm wahrscheinlich nicht schwer, sich Forderungen weitgehend zu entziehen, ohne allzugroße Sanktionen in Kauf nehmen zu müssen.

Aber nicht jeder verfügt über Unabhängigkeit. Zieht man in Betracht daß der spätere Student schon in einem Alter, in dem er sich als Erwachsener zu begreifen beginnt durch die finanzielle Abhängigkeit vom Elternhaus kindgemäßen Gehorsam erbringen muß, kann es nicht verwundern, wenn Untersuchungen von psychischen Belastungen, Störungen und Leiden bei durchweg 15 Prozent aller Studierenden (In- und Ausland) berichten.

Ein beachtlicher Teil der vielfach angeführten Leitsymptome, mit denen die Ratsuchenden ihre Beschwerden kennzeichnen, steht direkt oder indirekt mit Problemen des sexuellen Bereichs in Verbindung: Vor Erreichen der finanziellen Unabhängigkeit soll (nach allgemeiner Auffassung) ein Student nicht heiraten, also auch keine Kinder bekommen. Gescheiterweise wird aber niemand annehmen, daß eine Mehrheit bis zu diesem Alter abstinent lebt. Also wäre es erforderlich, eine sichere Empfängnisverhütung zu betreiben.

Nun haben jedoch Studentenärzte und psychotherapeutische Beratungsstellen mehrfach berichtet, daß es mit der Kenntnis um derart sichere Methoden auch unter Studenten keineswegs allzugut bestellt ist.

Hauptsächlich an diesen Punkten lag die Motivation der beteiligten Institutionen, die erwähnten Vorträge zu veranstalten. Hauptanliegen: sachliche Information über Konfliktgefahren durch die Forderungen der sozialen Umwelt und Auswege in Bezug auf einen Aspekt dieser Konfliktmöglichkeiten (mechanische, chemische und hormonelle Verhütungsmethoden mit den errechneten Sicherheiten). Diese Information leisteten Herr Dr. Fürstenau und Herr Professor Dr. Brehm (Gynäkologe an der Universitätsfrauenklinik).

Karin Rausch