Im Gegensatz zu den Vorschlägen des Fakultätentags 1965 wird erwogen, in Frankfurt eine Zwischenprüfung in der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät einzuführen. Dieses Thema ist nun bereits seit vielen Jahren bei Professoren und Studenten im Gespräch, die Prüfung selbst wurde aber nur in wenigen Universitäten eingeführt. Die neugegründeten Hochschulen gehen mit gutem Beispiel voran. Um die verlangte Straffung und Konzentration des Studiums zu realisieren, haben sich als erste westdeutsche Fakultäten Mannheim und Gießen zu einer Trennung von Grund- und Hauptstudium sowie zu der Einführung einer Zwischenprüfung entschlossen. Das viersemestrige und stark gegliederte Grundstudium erleichtert dem Studenten den Übergang von der Schule zur Universität. In den ersten Semestern wurde seine Arbeitsfreude und -kraft bisher zu stark durch Propädeutika absorbiert. Das neue Grundstudium dagegen lenkt noch ungebrochenen Elan des Studikers gleich auf die zentralen Wissenschaftsgebiete. Die unvermeidbaren Massenvorlesungen müssen durch Übungen in kleinen Gruppen vertieft werden, was den systematischen Ausbau eines Tutoren- und Arbeitsgruppenprogramms durch die Fakultäten zur Voraussetzung hat. Viele Kritiker sehen in einem straff gegliederten Grundstudium eine gefährliche „Verschulung“ der Universität. Die neuen Prüfungsordnungen in Mannheim und Gießen wollen das Grundstudium mit einer Zwischenprüfung, welche aus je einer Klausurarbeit in Betriebswirtschaftslehre, Volkswirtschaftslehre, Statistik und Jura bestehen soll, abschließen. Nur die bestandene Zwischenprüfung berechtigt zum weiteren Studium.

Leider haben sich beide Fakultäten nicht entschließen können, dieses Vorexamen über einen reinen Leistungsnachweis hinaus zu einem sogenannten zwischenakademischen Abschluß auszugestalten. Mit der Verleihung eines Diploms (ähnlich dem angelsächsischen „bachelor of arts") wäre sowohl den überlasteten Fakultäten als auch der Wirtschaft ein unschätzbarer Dienst erwiesen. Der Arbeitsmarkt weist heute einen großen Fehlbedarf im „middle management" auf, mit dem Ergebnis, daß z. Z. mehr Wirtschaftsstudenten ohne Examen gesucht werden als examinierte Betriebs- und Volkswirte. Außerdem dürfte es manchem Studenten, der sich heute mühsam bis zum Diplom quält, durchaus reizvoll erscheinen, nach einem zweijährigen Grundstudium und bestandenem Zwischenexamen sein Glück in der Praxis zu suchen.

Die Zwischenprüfung soll nach den Vorschlägen des VDS und den Empfehlungen des Wissenschaftsrats vom 14. 5. 1966 verschiedene Aufgaben gleichzeitig lösen: 1. Kontrolle und Selbstkontrolle (Zwang zum zweckmäßigen Arbeiten) 2. Auslese 3. Befreiung der Hauptdiplomprüfung von abfragbarem Wissensstoff 4. Eingangsprüfung für Hauptseminare 5. Eignungsprüfung für Hauptforderung Honnefer Modell Um aber den Studenten nicht wie bisher nach dem Motto: „Friß Vogel oder stirb“ zu behandeln, sollen ihm in den ersten vier Semestern ausgewählte Pflichtvorlesungen und -Übungen angeboten werden, ergänzt durch Pflichtlektüre. Allein auf diesen Wissensstoff darf sich die Zwischenprüfung erstrecken. Sie sollte nach dem 4. Semester abgelegt werden (Wiederholung im 5. Semester schriftlich und mündlich durch je 2 zweistündige Klausuren.

Die obige Fächerkombination kommt der Vorstellung am nächsten, die durch die Einführung der Zwischenprüfung angestrebt wird. Vor allem gilt das für das Fach Recht, das schon an vielen Universitäten in vorgezogenen Prüfungen angelegt werden kann, und damit dem wirtschaftswissenschaftlichen Studiengang mehr „Persönlichkeit“ verleiht. Denn solange man dieses Fach als unbedingt notwendig für die Diplomprüfung erachtet und hohe Pflichtstundenzahlen fordert, gesteht man doch ein, daß der Wirtschaftswissenschaftler seinen Platz unter dem Juristen hat. Auch der Fakultätentag 1965 nimmt die Rechtsprüfung aus der Hauptdiplomprüfung heraus.

Statistik wiederum ist ein Fach, ohne das kein Wirtschaftswissenschaftler auskommen kann; es sollte aber nicht unbedingt in den Rang eines Hauptfaches gehoben werden. Es wäre eine Lösung, die die Möglichkeit einer freiwillig vorgezogenen Prüfung vorsieht, anzustreben. Als Voraussetzung zur Zwischenprüfung werden wie bisher Scheine in den betriebstechnischen Fächern gerechnet.

Um allerdings diese Propädeutika unterzubringen, sollten die Ferien (und Hörsäle) endlich „ökonomischer" genutzt werden als durch Jobben, genannt Praktikum. Diesen „alten Zopf“ (Sauermann) abzuschneiden, hat bereits der Fakultätentag 1965 vorgeschlagen.

An die Zwischenprüfung schließt sich das mindestens viersemestrige Hauptstudium an, dessen Schwergewicht der Student selbst bestimmen soll. Einer Vertiefung des Studiums wird der Vorzug vor einer Verbreiterung des reinen Faktenwissens geben. Dem Vorschlag des VDS, sich im Diplomexamen auf zwei Kernfächer und ein Hauptfach zu beschränken, ist man weder in Mannheim jioch in Gießen gefolgt. Mannheim bleibt bei den vom Fakultätentag vorgeschlagenen fünf Prüfungsfächern. Die neugegründete wirtschaftswissenschaftliche Fakultät in Gießen hat sich zu einer mutigen Reform entschlossen: Die Trennung in Volkswirteund Betriebswirte-Examen, welche auch mehr historischen Zufälligkeiten denn systematischen Überlegungen entspricht, wurde zu Gunsten des einheitlichen Studiengangs für „Diplom-Ökonomen“ aufgegeben.

Bingel/Braune