EIN SCHUSS UND FÜNFZIG TOTE versprach ein Filmplakat des Jahres 1959. Der amerikanische Titel trifft den Stoff vielleicht besser. Er heißt ganz einfach „Alias Jesse James“. Vom Plakat lächelte Bob Hope, den man damals noch für einen Komiker hielt.

Die Eskalation dieses Filmtitels beweist Bob Hope seit wenigen Jahren als Truppenunterhalter der amerikanischen Soldaten in Vietnam Fünfzig Tote sind halt zu wenig. Der Schuß bedarf eines anderen Kalibers, und das „Alias“ des Originaltitels kann man eventuell bald fallen lassen Vergessen kann man auch den Titel eines Bühnenstücks, in dem Hope einmal auftrat: „So this is Peace“. Seiner berühmten Serie „Der Weg nach Marokko, Rio, Bali, Singapur und Utopia“ kann er jetzt die Unmenschlichkeit als weitere Station zufügen. So packt er alljährlich den Golfschläger und reist zur Weihnachtszeit gen Vietnam, wo man ihn als Santa Claus, Uncle Sam und „Päckchen von daheim“ begrüßt.

Ein wenig enttäuscht zeigte er sich im letzten Jahr, da viele seiner Einladungen an andere Künstler, an der Weihnachtstour teilzunehmen, abgelehnt wurden. Diese Kollegen seien unzufrieden mit der amerikanischen Politik. Auch er sei unzufrieden, fügt er schelmisch hinzu, denn: „Wir sollten ein wenig schneller sein — im Falkenstil“.

Ja das ist Humor.

In Vietnam begrüßt ihn die Kapelle mit dem schönen Lied „Dank für die Erinnerung“. Da lächelt er wieder. Er ist seinem Glück nahe. Und Glück sieht er auch auf den Gesichtern der Flughafenleute. Das verjüngt ihn immer, meint einer seiner Begleiter.

Dann beginnt die eigentliche Tournee. Mit heulenden Sirenen natürlich. 12 Tage, 23000 Meilen und 24 Auftritte waren es 1965. Präsident Johnson kann stolz sein auf dieses Übersoll. Er telegrafierte seine Zufriedenheit.

„Das ist Direktbefriedigung“, kommentiert der Kunstschaffende. „Man dreht einen Film oder eine Fernsehshow, und man muß warten, ob es ein Erfolg war oder nicht. Aber hier geht man hinaus und schon applaudieren diese Burschen. Das ist ein Gespräch von Mann zu Mann, und man hat das Gefühl, diesen Jungen wirklich dabei zu helfen, ihre eigenen Probleme zu vergessen.“ Ihre eigenen Probleme? Heißen sie Vietkong, China, Einsamkeit, Unsicherheit, oder wie? Bob Hope kennt ihre Sorgen. Er weiß sie zu mildern. Etwa mit dem so passenden Lied „Stille Nacht, heilige Nacht“. Das treibt den Soldaten die Tränen in die Augen. In Vietnam. Und dann geht es weiter. Hopes Lieblingsbeschäftigung ist der Besuch von Krankenhäusern. Hier darf man zeigen, daß man wirklich glücklich ist, bei ihnen zu sein. Mitleid hilft hier nicht. „Bob hat gelernt, seine Gefühle völlig zurückzuhalten,“ kommentiert ein Begleiter. Und so lächelt er, wenn er den Soldaten ohne Beine sieht. „Gib’s nicht auf Junge. Mach weiter“.

Auch das ist Humor.

In einem Hotel in Saigon trifft Bob Hope einen anderen prominenten Truppenbetreuer, Francis Cardinal Spellman.

„Sie scheinen müde zu sein,“ begrüßt er den katholischen Hirten. „Sie hatten heute schon fünf Auftritte (shows im Originaltext!). Warum machen sie nicht ein wenig Pause?“ — „Ja, meine Augen lassen ein wenig nach. Aber ich habe eine Idee. Warum übernimmst Du nicht die nächste Show für mich? Die Leute werden auf dich hören.“ Sie sind aus gleichem Holz die beiden. Man könnte Kardinal und Komiker fast austauschen. „Sie dienen Gott und der Zivilisation“, beschreibt Spellman das Treiben seiner Landsleute in Vietnam. Ein gelungener Gag, fürwahr. Und seine Humoreske geht weiter: „Ohne ihre Opfer wären wir schnell besiegt und würden Opfer der Tyrannei... Ich glaube, daß ihr unter diesen Umständen nicht nur Eurem Land dient, sondern Gott, weil Ihr den Grundsatz der Gerechtigkeit, den der Zivilisation und Gottes vertretet... Ein glückliches Neues Jahr wird in Frieden und Sieg kulminieren und in der Heimkehr in Euer Heimatland.“ Das sind offene Worte des Kardinals an seine Truppen, die er für die „einzigen Garanten gegen die Herrschaft des Kommunismus“ hält, mit denen er sich verbunden fühlt „im Gebet und Patriotismus für diese Anstengung“. „My country right or Wrong", ist die fromme Devise des Kirchenmannes, der die Ergebnisse des letzten ökumenischen Konzils noch nicht wahrgenommen hat. Die Meinung der seiner Kirche nahestehenden Zeitung „Commonweal“, daß der Krieg in Vietnam „eine Sünde und ein Verbrechen“ sei, ist ihm gleichgültig. Was Laien so denken!

Spellman kennt den Kampf genau. In seinem 1951 erschienenen Buch „The Foundling“ (Der Findling), läßt er eine fromme Schwester bemerken: „... Verwechselst Du nicht Toleranz mit Kompromiß? Läufst Du nicht unbewußt mit denen, die uns und unsere Lebensart zerstören würden, wie sie fälschlich die Wahrheit im Namen der Toleranz kompromittieren? Dieser neue und moderne Gesang von Toleranz, Paul (gemeint ist im Buch noch nicht der Papst, d. V.), ist keine Tugend. Er ist das Laster der Gleichgültigkeit.“ Und am Schluß des Buches erzählt Spellman: „Der Bischof saß mit Tom auf dem Vordersitz. Einmal drehte er sich um, ob alles in Ordnung war. Der Kopf des Mädchens lag ruhig auf der Schulter des jungen, blinden Soldaten. „Ja“, schloß der Bischof, „alles ist in Ordnung.“ Das könnte Spellmans Kommentar zu Vietnam sein. Bob Hope würde lächeln. Oder nicht. Denn der Komiker — nicht der Kardinal — will seine Truppenbesuche nur aufgeben, wenn es kein Weihnachten mehr gibt. Daß es keinen Krieg mehr gibt, kann er sich nicht vorstellen. Ein komischer Komiker. Oder zwei?